Brüssel bedroht Betriebsrenten

Die EU-Kommission hält weiter an ihrem Ziel fest, die betriebliche Altersversorgung (bAV) EU-weit gleichen Anforderungen zu unterwerfen. Das wäre allerdings das Ende weiter teile der von Arbeitgebern finanzierten bAV, warnte Peter Weiß, Vorsitzender der Arbeitnehmergruppe der Unionsfraktion, auf der Handelsblatt-Jahrestagung „Betriebliche Altersversorgung 2012“ in Berlin (siehe früherer Artikel).

Im „Weißbuch Rente“ heißt es unmissverständlich, dass deutsche Pensionskassen und Pensionsfonds ihre Eigenmittel zur zusätzlichen Absicherung der bAV-Ansprüche aufstocken müssen. Das rief auf der Tagung massiven Protest hervor. Ein Argument: Pensionskassen haben den Zweck, Arbeitnehmern der Trägerfirmen Renten zu zahlen, arbeiten jedoch überwiegend nicht gewinnorientiert. Da es sich um versicherungsähnliche Einrichtungen handelt, will die EU sie beim Eigenkapital wie Versicherer behandeln.

Betroffen wären rund 150 Pensionskassen mit rund 112 Milliarden Euro Gesamtvermögen. Die Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung (aba) schätzt, dass zusätzlich bis zu 40 Milliarden Euro Eigenkapital nötig wären, wenn die Eigenkapital-Regeln von Solvency II eins zu eins auf Pensionskassen übertragen würden. Folge: Zehn Prozent der Kassen stünden vor dem Aus. „Am Ende hätte der Verbraucher wenig davon, wenn Unternehmer Versorgungswerke schließen“, warnte aba-Vorsitzender Heribert Karch.

EU-Sozialkommissar Laszlo Andor versprach bei den Eigenkapitalanforderungen eine Differenzierung zwischen Lebensversicherern und Pensionskassen. Die besondere Situation Deutschlands mit seinem traditionell gut ausgebauten Sicherheitsnetz für Betriebsrenten würde in den weiteren Diskussionen berücksichtigt werden. Entschieden sei noch nichts. Doch zum 27. März will die EU-Kommission bereits die Ergebnisse der öffentlichen Anhörungen in eine neue Vorschrift gießen.

Als Kompromiss wurde auf der Tagung diskutiert, Pensionskassen dem Pensionssicherungsverein (PSV) statt Solvency II zu unterstellen. Hintergrund: Arbeitgeber, die Direktzusagen oder U-Kassen anbieten, müssen Mitglied im PSV werden. Diese durch Beiträge der Arbeitgeber finanzierte Selbsthilfeeinrichtung der Wirtschaft übernimmt die Rentenzahlung, sollte das Unternehmen nicht mehr zahlungsfähig sein.

Bei den drei anderen Wegen Direktversicherung, Pensionskasse und Pensionsfonds gilt: Bei einer Pleite des Arbeitgebers bleiben die Leistungen ungeschmälert vorhanden, da sie gar nicht zu seinem Vermögen zählen, sondern extern angelegt sind. Die Anlagefirmen wiederum unterliegen der Kontrolle der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) – wie auch privat abgeschlossene Lebensversicherungen. Dadurch ist sichergestellt, dass die Institute die gesetzlichen Vorschriften bei der Kapitalanlage einhalten und genügend Rücklagen bilden, um jederzeit die Betriebsrente auszahlen zu können.

Bei Pleite eines Direktversicherers würde in aller Regel Protektor einstehen, bei Versicherer-Pensionskassen ebenfalls. Die Protektor AG, Selbsthilfeeinrichtung der deutschen Lebensversicherer, hat die offizielle Funktion eines Sicherungsfonds. Bei klassischen Firmen-Pensionskassen ist weder Protektor noch der PSV zuständig, sondern die BaFin: Sie prüft und genehmigt in aller Regel Tarife und Geschäftspläne und soll so einer Pleite vorbeugen. Bei Schieflagen müssten die Renten gesenkt und Beiträge erhöht werden – auf Geheiß der BaFin. In der Vergangenheit mussten Firmen-Pensionskassen schon Beiträge erhöhen oder die Rente zeitweise kürzen.

Übrigens: Pensionsfonds unterliegen aufgrund ihres höheren Anlagerisikos der BaFin-Aufsicht und fallen zugleich unter den Schutzschirm des PSV. Daher kosten sie weniger PSV-Beitrag als Direktzusagen und U-Kassen. Auf ähnlichem Beitragsniveau wie Pensionsfonds dürften dann auch Pensionskassen eingestuft werden, wobei noch unklar ist, ob die Versicherer-Kassen dabei einbezogen werden.