Dramatischer Streit um Riester-Rente

Die Versicherer haben am Nikolaus-Tag die Riester-Rente gegen die Kritik vonWirtschaftsforschern und Verbraucherschützern verteidigt. Vor allem fürGeringverdiener und Familien sei sie rentabel, belegte der Branchenverband GDVanhand von Beispielrechnungen. Die Botschaft: Für die Allermeisten rechnet sich die Riester-Renteso gut wie keine andere Vorsorge.

Der GDV rechnet vor: Eine Alleinerziehende (30) mit einem Kind und 18.000Euro Jahreseinkommen hat durch die hohe staatliche Förderung von 63 Prozent schonim Alter von 71 Jahren ihre Einzahlung wieder verdient. In den Folgejahrenerziele sie eine Rendite aus den Anlagezinsen und der Zulage. Bei einerbranchenüblichen Verzinsung des Kapitals komme sie im Alter von 85 Jahren aufeine jährliche Rendite von 5,9 Prozent, mit 90 Jahren auf 6,3 Prozent.

Anders als durch eine Studie des Deutschen Instituts fürWirtschaftsforschung (DIW) suggeriert, müsse ein Riestersparer also nicht „steinalt"werden, damit sich die Vorsorge lohne. Das DIW hatte ein deutlich höheres Altererrechnet und gewarnt: Für viele Riestersparer sei die Rendite nicht höher, alswenn sie ihr Gespartes in den Sparstrumpf gesteckt hätten. Nur wer das Altervon 78 Jahren erreiche, habe am Ende so viel aus der Police ausgezahltbekommen, wie er eingezahlt hat, untermauerte Versicherungsmathematiker Axel Kleinleindie Kritik. „Der Renditeunterschied zwischen 2001 und 2011 erklärt sich zueinem größeren Teil aus der Annahme einer höheren Lebenserwartung als durch dengesunkenen Garantiezins“, sagte der Experte, der im Oktober Vorsitzender desBundes der Versicherten (BdV)wurde.

Dem GDV, der eine „politisch motivierte Anti-Riester-Kampagne“ wittert, hältKleinlein versicherungsmathematische Fakten entgegen. Mussten Riester-Sparer(35) für die Rest-Rente ab 85 bei Vertragsabschluss 2001 nur knapp 13 Prozentder angesparten Mittel einkalkulieren, so wuchs dieser Anteil bei Abschluss2011 auf 33 Prozent. „Nach zehn Jahren sind die Produkte deutlich schlechtergeworden“, moniert Kleinlein. Das habe nichts mit Ideologie zu tun, sondern zumTeil mit einem niedrigeren Garantiezins, vorwiegend aber mit neuenSterbetafeln, geschlechtsneutraler Kalkulation (Unisex-Tarife) undnachteiligeren Regelungen zur Überschussbeteiligung.

Die Versicherer rechtfertigten, dass sie für die Lebenserwartung deutlichhöhere Werte annehmen als das Statistische Bundesamt. Dazu griff der GDV aufein Beispiel von 1986 zurück. Damals prognostizierte das Amt, dass 21,7 Prozentder 65 Jahre alten Männer noch 20 Jahre leben würden. Im Jahr 2006 dagegenstellte es aber fest, dass es tatsächlich 31,5 Prozent waren. Hätten sich die Versichereran die ursprüngliche Prognosen der Statistiker gehalten, hätten sie viel zugeringe Beiträge berechnet, um eine lebenslange Rentenzahlung zu sichern.

BdV-Chef Kleinlein zeigt sich davon erbost. „Der GDV erfindet einePrognose-Sterbetafel, um die überzogenen Lebenserwartungen zu begründen“. Zudemverbreite der Verband die Falschinformation für Vermittler, dass für dieKalkulation von Riester-Renten Sterbetafeln aufsichtsrechtlich vorgeschriebenseien. Dies sei jedoch falsch, da die Unternehmen aus einer Vielzahlunterschiedlicher Tafeln auswählen dürfen oder auch neue Tafeln aus anderen ableitenkönnen, so Kleinlein.

Als Konsequenz fordert die Zeitschrift Öko-Test gar die Abschaffung derRiester-Rente, zumal die Vertragskosten teilweise fast die gesamten Zulagenaufzehren. Damit die staatliche Förderung wirklich bei den Vorsorgesparern ankommt,wird ein Altersvorsorgekonto vorgeschlagen. Die Allianz Lebensversicherungsieht lediglich Reform-Bedarf. „Das aufwendige Zulagenverfahren muss optimiertwerden“, fordert Vorstandschef Maximilian Zimmerer. Die Dynamisierung des seit2001 unveränderten Förder-Höchstbeitrages von 2.100 Euro pro Jahr sollteebenfalls kommen, da die Riester-Rente sonst nicht mit derEinkommensentwicklung Schritt hält. Auch die volle Einbeziehung derSelbstständigen in den förderberechtigten Personenkreis darf kein Tabuthemasein. „Die Riester-Rente wäre für viele Kleinunternehmer passender als dieBasisrente", so Zimmerer. Klar scheint aber bislang nur dies: Zum 1.Januar 2013 ist vorgesehen, für Riester- und Basisrenten neue Produkt-Informationsblättereinzuführen.