Streit um Beratungsfehler, nicht um Moral

Wer seine Lebensversicherung nicht durchhält, kann kündigen oder die Police verkaufen. Dann bleibt sogar der Todesfallschutz erhalten, aber die Auszahlung bringt meist 5 bis 7 Prozent mehr ein als der Rückkaufswert bei Kündigung. Grund: Der Stornoabzug entfällt. Vermittler erhalten rund ein Prozent des verhandelten Policen-Verkaufswerts an Provision. Auch die Bestandsvergütung ändert sich nicht.  

Das Thema wird dennoch kontrovers diskutiert, obwohl Aufkäufer auch in Deutschland schon seit 1999 aktiv sind. Doch längst nicht jeder Verkaufswillige wird akzeptiert. Das Geschäftsinteresse der Zweitvermarkter richtet sich vorwiegend auf eine finanzstarke Klientel, deren Policen meist wenigstens 5.000 Euro Rückkaufswert bieten müssen und eine Restlaufzeit von maximal 15 Jahren aufweisen. Direktversicherungen und Fondspolicen werden nicht angekauft.

Problematisch war längere Zeit, dass die Versicherer häufig die Zustimmung zum Wechsel des Versicherungs-Nehmer-Status verweigerten, der technisch nötig ist. Die Hürde ist jedoch längst durch Kauf mittels Abtretung und Vereinbarungstreuhand übersprungen. Zudem ist die Branche inzwischen offener für eine institutionelle Zusammenarbeit mit den Aufkäufern: Den Versicherern bleiben damit die Kapitalanlagen erhalten und der Bestand wird nicht geschmälert, so dass sich damit auch Kostenvorteile ergeben.

Im Jahr 2010 wurde ein Ankaufsvolumen von über 160 Millionen Euro erreicht (2009: 100 Millionen Euro). Dabei geht es nicht um eine Spekulation mit der Lebensdauer. Der Bundesverband Vermögensanlagen im Zweitmarkt Lebensversicherungen (BVZL), der aktuell über 35 Mitglieder hat, warnt jedoch vor unseriösen Angeboten. „Seriöse Aufkäufer zahlen immer sofort, alles andere würde für den Verkäufer der Police ein unüberschaubares Verlustrisiko darstellen“, warnt BVZL-Vorstand Ingo Wichelhaus. Skeptisch sollte man auch sein, wenn die Verdoppelung des Rückkaufswertes und hohe zweistellige Renditen bei Wiederanlage versprochen werden.

Nun ist die Deutsche Bank wegen ihres Fonds „db Kompass Life 3“ in die Kritik geraten, der eine Wette auf die Lebenserwartung konkreter Personen angeboten hatte. Der BVZL hält die moralische Entrüstung für scheinheilig – „sonst könnte man ja auch jeden Rentenversicherer dafür kritisieren, dass er vom frühen Tod seiner Kunden profitiert“. Dennoch hat die Ombudsstelle des Bundesverbandes deutscher Banken eine Streitschlichtung abgelehnt, weil die Anlage mit der Unantastbarkeit der menschlichen Würde kaum in Einklang zu bringen sei. Jetzt muss ein Gericht klären, ob diese Wette auf den Tod sittenwidrig ist oder nicht.

Der Unterschied zu den herkömmlichen Produkten des Zweitmarkts: Die Deutsche Bank hat gar keine Policen aufgekauft, sondern Zertifikate entwickelt, in die der Fonds das Geld der Anleger investierte. Die Zertifikate basierten „ auf einem Portfolio aus 500 Personen in den Vereinigten Staaten, die zwischen 70 und 90 Jahre alt sind“. Deren Gesundheitsdaten seien vor Aufnahme in das Portfolio durch externe Medizin-Gutachten beurteilt worden.

Die Anleger sind alles andere als moralisch entrüstet, sondern werfen der Bank vor, dass die Gutachten auf Basis veralteter Sterbetafeln erstellt wurden und die Kunden viel länger leben. Damit sei von vornherein klar gewesen sei, dass allein die Bank eine Rendite erzielen könne. Es geht also um Prospekt- und Beratungsfehler. Dabei kommt der moralische Aspekt zu pass: Würde ein Gericht das Produkt als sittenwidrig einstufen, müsste die Bank die Anleger entschädigen – insgesamt über 200 Millionen Euro.