Flucht aus der Rentenkasse

11.11.2003 13:03:57

Flucht aus der Rentenkasse beendet

Nach dem Schließen einer Gesetzes-Lücke werden wieder alle Arbeitnehmer in
der gesetzlichen Renten-Versicherung (GRV) versicherungspflichtig.

Bislang waren Vorstände von Aktien-Gesellschaften (nach §1 SGB VI) auch für
Arbeitnehmer-Tätigkeiten von der Versicherungs-Pflicht in der GRV befreit.

Diesen Umstand hatten sich Berater zunutze gemacht, um ganz normalen
abhängig Beschäftigten einen scheinbar einfachen Weg aus der gesetzlichen
Renten-Versicherung zu zeigen und ihnen private Vorsorge anzudienen
(VersicherungsJournal 5.9.2003
).

Der Weg: Für rund 10.000 Euro kauften sich Arbeitnehmer in eine für diesen
Zweck gegründete Aktien-Gesellschaft (AG) ein und wurden sofort zum Vorstand
gemacht.

Schlupfloch geschlossen

Jeder „Vorstand“ konnte nach seiner Ernennung seinem Arbeitgeber mitteilen,
dass er als AG-Vorstand nicht mehr der Versicherungs-Pflicht unterliegt.

Dieses Schlupfloch der „Schein-AG“ hat der Gesetzgeber nun zu schließen
begonnen.

Am 6. November 2003 hat der Bundestag kurzfristige Maßnahmen zur
Stabilisierung des Rentenbeitrags bei 19,5 Prozent 2004 beschlossen. Dazu
gehört auch, die Versicherungs-Freiheit für AG-Vorstände einzuschränken.

Sozialgesetzbuch wird geändert

Dazu wurden Änderungs-Anträge zum Sozialgesetzbuch VI gestellt. Danach wird
die Versicherungs-Freiheit von AG-Vorstands-Mitgliedern künftig auf die
jeweilige Vorstands-Tätigkeit beschränkt.

Hiermit soll einem in letzter Zeit vermehrt aufkommenden Missbrauch ein
Riegel vorgeschoben werden, [Name ausgeblendet]t es in einer Mitteilung
des
Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung (BMGS).

Der Missbrauch bestehe darin, Aktien-Gesellschaften nur zu dem Zweck zu
gründen, den Vorstands-Mitgliedern dann zu ermöglichen, in allen weiteren
Beschäftigungen nicht der Beitragspflicht zur gesetzlichen
Renten-Versicherung zu unterliegen.

Stichtag 6. November

Das letzte Wort zu den Maßnahmen hat nach Auskunft des BMGS der Bundesrat.
Doch die Einschränkungen für AG-Vorstände seien nicht zustimmungspflichtig,
erklärte eine Sprecherin gegenüber dem VersicherungsJournal.

Die neue Regelung sei mit dem Bundestags-Beschluss am 6. November 2003 in
Kraft getreten.

Die Zeitbombe tickt

Auch rückwirkend könne die Versicherungs-Freiheit auf die Beschäftigung als
AG-Vorstand beschränkt bleiben, sofern Missbrauchs-Fälle vorlagen (Gründung
einer Schein-AG, bei der die Vergütung keine ausreichende und dauerhafte
Absicherung der Vorstände gewährleistet).

Damit droht bereits ausgestiegenen Renten-Versicherten und deren
Arbeitgebern Ärger. Der Arbeitgeber haftet für die Zahlung der
Renten-Beiträge. Nachzahlungen in voller Höhe und Strafen drohen bei einer
Betriebsprüfung.

Als sinnlose Ausgabe erweist sich dann für die Versicherten das in die
Aktion investierte Eigen-Kapital.

Finanzielle Einbußen und Haftung

Zudem drohen Beratern nun vermehrt Forderungen nach Schadenersatz wegen
Falschberatung, da sich die erhofften Effekte bei den Kunden nicht
einstellen können.

Davor hatte Hans-Dieter [Name ausgeblendet], Geschäftsführer des Wissenschaftlichen
Instituts für Marktentwicklung und Management der
betrieblichen Altersversorgung (WIMMbAv), bereits im VersicherungsJournal
gewarnt.

Auch die Bundesversicherungsanstalt für
Angestellte (BfA) hatte seit langem vor unseriösen Geschäftemachern gewarnt
(VersicherungJournal 12.8.2003
). Es
gäbe grundsätzlich keinen Weg aus der Versicherungs-Pflicht.

Kurzfristige Maßnahmen zum Rentenbeitrag1

* Die Mindest-Schwankungsreserve wird von 50 % auf 20 % einer
Monatsausgabe abgesenkt.

* Die Renten-Anpassung am 1. Juli 2004 wird ausgesetzt.

* Ab 1. April 2004 tragen Rentner den vollen Beitrag zur
Pflege-Versicherung.

* Beitragssatz-Änderungen in der gesetzlichen Kranken-Versicherung
werden künftig zeitnah an die Rentner weitergegeben.

* Der Auszahlungs-Termin wird für Neurentner, deren Rente ab dem 1.
April 2004 beginnt, auf das Monatsende verschoben (bedarf noch Zustimmung
des Bundesrates).

* Versicherungs-Freiheit bei AG-Vorständen gilt nur noch für
Vorstands-Tätigkeit.

1 Bundestags-Beschluss vom 6.11.2003

Detlef Pohl

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S.H.C. -

[Name ausgeblendet]

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