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19.04.2011 - dvb-Presseservice

21. BdV-Wissenschaftstagung

Ratings: Sinn oder Unsinn?

Verbraucher haben ein großes Bedürfnis nach unabhängiger Bewertung von Versicherungsprodukten. Diese Position vertrat Hermann-Josef Tenhagen von der Stiftung Warentest am vergangenen Freitag auf der 21. Wissenschaftstagung des Bundes der Versicherten (BdV) in Hamburg während einer Paneldiskussion zum Sinn und Unsinn angemessener Rating-Kriterien. Hanspeter Schroeder, Vorstandsmitglied der HUK-COBURG, ist dagegen der Meinung, dass die derzeitigen Vergleiche dem Kunden die Beurteilung erschweren, weil sie bei der Wertigkeit der Bedingungspunkte allein gelassen werden.

Für Michael Franke, geschäftsführender Gesellschafter der Ratingagentur Franke und Bornberg, gleichen Ratings den Informationsnachteil der Verbraucher aus. Zudem haben geratete Sparten aus seiner Sicht die besseren Versicherungsbedingungen. Roland Weber, Vorstandsmitglied der Debeka, hält Ratings im Bereich der privaten Krankenvollversicherung für wenig sinnvoll. Für ihn komme es dabei nicht nur auf die Bedingungspunkte, sondern auch auf die Bewertung des Unternehmens und der Beitragsentwicklung an. Die Diskutanten waren sich einig, dass ein Rating die Beratung nicht ersetzen kann. Eine individuelle Bedarfsanalyse des Verbrauchers ist erforderlich.

Am Vormittag zeigte Jürg Huber, der bis Ende 2010 Leiter der Vermittleraufsicht bei der FINMA war, die Rechtsschutzlücken bei der Statustransparenz von Versicherungsvermittlern aus der schweizerischen Perspektive auf. Für ihn sind die gesetzlichen Regelungen ein brauchbarer Schritt in die richtige Richtung. Es sei aber eine Anpassung an die Praxis erforderlich. Er befürwortet etwa die Einführung einer Beratungs- und Protokollpflicht in der Schweiz.

Danach betrachtete Hermann-Josef Tenhagen von der Stiftung Warentest die Rechtsschutzlücken aus deutscher Sicht. Für ihn geht die Mindestqualifikation der Vermittler nicht weit genug. Scharf kritisierte er die Ausnahme von der Sachkunde, wonach Angestellte des Vermittlers nicht über eine ausreichende Qualifikation verfügen müssen. Er verglich das mit einer Putzfrau, die operieren darf, solange der Arzt anwesend ist. Ein von der Stiftung Warentest durchgeführter Versicherungsvermittlertest zeige zudem, dass die Beratung bei keinem Versicherer mit „gut“ bewertet werden konnte. In 45 Prozent aller Fälle fehlten überdies die Statusinformationen. Tenhagen sprach sich für eine Trennung von Beratung und Vermittlung aus.

Im anschließenden Vortrag „Effektive Bekämpfung rechtswidriger Versicherungsbedingungen“ appellierte Professor Dr. Christoph Brömmelmeyer von der Europa Universität Viadrina in Frankfurt/Oder an die moralische Pflicht eines jeden, sein Recht durchzusetzen. Denn ohne Konflikte könne sich das Recht nicht fortentwickeln. Er beschäftigte sich konkret mit der Klausel zum Stornoabzug bei Kündigung einer Lebensversicherung. Die sei häufig intransparent und damit unwirksam.

In dem Beitrag „Rückwirkende Vertragsanpassung bei Anzeigepflicht und Gefahrerhöhung“ ging Professor Dr. Helmut Heiss, Universität Zürich, der Frage nach, ob es sich dabei um eine Rechtswohltat für den Versicherungsnehmer oder eine schärfere Waffe des Versicherers handelt.

Am Abend endete die Veranstaltung mit dem Workshop für junge Wissenschaftler zu den Bereichen Versicherungsökonomie und -recht. Dr. Marlene Danzl beschäftigte sich mit dem aktuellen Thema „Gebietet der Grundsatz der Gleichbehandlung Unisex-Tarife?“.

Jan Mittelstädt kritisierte in seinem Vortrag „Der Kapitalisierungsanspruch des Verletzten gemäß § 843 Abs. 3 BGB“ die seiner Meinung nach unzutreffende Anwendung der Rechtsvorschrift durch Versicherer. Sie zahlen den Verletzten meist eine Rente und keinen Kapitalbetrag. Denn Voraussetzung dafür ist ein wichtiger Grund, der aber laut Versicherer nur im Ausnahmefall vorliegt. „Das ist im Hinblick auf die Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes und Opferschutzes nicht hinnehmbar“, so Mittelstädt. Er fordert eine Änderung der Rechtsprechung: „Der wichtige Grund ist extensiv zu Gunsten des Geschädigten auszulegen.“ In dieser Position wurde er ausdrücklich von Professor Dr. Hans-Peter Schwintowski, dem Vorsitzenden des BdV-Wissenschaftsbeirats, unterstützt.



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Auf der 21. BdV-Wissenschaftstagung diskutierten R. Weber von der Debeka, H.-J. Tenhagen von der Stiftung Warentest, H. Schroeder von der HUK-COBURG und M. Franke von Franke und Bornberg (v. l.) zu Sinn und Unsinn angemessener Rating-Kriterien. Foto: BdV