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21.06.2006 - dvb-Presseservice

Allianz Gastprofessur: Fußball und Orientalistik

John M. Efron ist der sechste Allianz Gastprofessor für islamische und jüdische Studien an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München. Zu seinen Forschungsthemen gehören die jüdische Orientalistik im 19. Jahrhundert – und der jüdische Stolz von nichtjüdischen englischen Fußball-Fans.

Jürgen Klinsmann, der deutsche Fußball-Nationaltrainer, ein Jude? "Chim chiminee, chim chiminee, chim chim churoo, Jürgen was a German, but now he's a Jew!", sangen die Fans von Tottenham Hotspur, als Klinsmann 1994 ihrem Team beitrat - und damit wollten sie ihn ganz und gar nicht beleidigen.

Der Londoner Fußballclub Tottenham Hotspur galt schon immer als jüdisch, obwohl keine Spieler und nur wenige Fans Juden waren. Irgendwann im Jahr 1976 begannen die Tottenham-Fans, sich selbst "Yiddos" oder "Yids" zu nennen, weil sie die antisemitischen Schimpfrufe der gegnerischen Fans endgültig satt hatten. "Die Tottenham-Anhänger haben sich den rassistisch gemeinten Spitznamen, statt sich vor ihm zu ducken, als Ehrennamen zu Eigen gemacht," erklärt John M. Efron, der derzeitige Allianz Gastprofessor für Jüdische Studien an der Münchner Universität. "Das hat dem Spott die Wirkung genommen."              

Großes Interesse in Deutschland
 
Efron startete seine Forschung, nachdem er im Jahr 2000 als Zuschauer bei einem Spiel von Tottenham auf das gestoßen war, was er "Yiddo culture" nennt. Die Ergebnisse waren ein Vortrag auf einer Tagung 2002 in München und kurz danach ein Artikel in der "Süddeutschen Zeitung".

Der Tagungsband ist gerade unter dem Titel "Emanzipation durch Muskelkraft" veröffentlicht worden. Efron und der Münchner Professor Michael Brenner, der Herausgeber, werden das Buch am 30. Juni im Jüdischen Museum Franken vorstellen. Im Rahmen der Ausstellung "Kick it like Kissinger" über Juden und Fußball sprechen sie dort über die Rolle der Juden im europäischen Sport.

Das Interesse deutscher Medien an Efrons Forschungen über den englischen Fußballverein und die ungewöhnliche Identität seiner Fans war ungeheuer groß. "Nach wie vor bekomme ich Interviewanfragen zu diesem Thema," berichtet Efron. "Merkwürdigerweise waren die Medien in Großbritannien überhaupt nicht interessiert, ebenso wenig wie die breit aufgestellte britische History-of-Sports-Community. Jeder, mit dem ich darüber geredet habe, kannte das Phänomen, sah es aber nicht als interessantes Thema."

Ein Australier kommt von Kalifornien nach München
 
Ein Grund für das Interesse könnte sein, dass Efron zur Zeit in München wohnt. Er wurde 1957 im australischen Melbourne geboren und hält den "Koret Chair in Jewish History" an der University of California in Berkeley. Für das Sommersemester 2006 ist er dem Ruf nach München gefolgt und der sechste Allianz Gastprofessor für islamische und jüdische Studien an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) geworden.

Efron will in Deutschland jedoch nicht nur über Sport sprechen. Anknüpfend an sein Buch "Medicine and the German Jews: A History" konzentriert er sich derzeit auf deutsch-jüdische Orientalisten im 19. Jahrhundert.

Ihno Schneevogt, früheres Vorstandsmitglied der Allianz, betonte auf der Begrüßungsveranstaltung: "Besonders freut mich, dass Professor Efron bereits der zweite Gastprofessor ist, dessen Forschung und Lehre beide Welten berührt, um die es uns geht: die jüdische und die islamische Kultur. Mit dieser Gastprofessur wollen wir das Verständnis für beide Kulturen weiter fördern."

Der Islam als Modell für Toleranz
 
Aus heutiger Sicht überraschend: Die deutschen Juden, die im 19. Jahrhundert den Islam studierten, waren dem Islam gegenüber positiv eingestellt, auch wenn sie dazu neigten, das jüdische Leben unter arabischer Herrschaft im Mittelalter zu romantisieren.

Der Islam war für sie ein Modell für Toleranz, Judentum und Islam schienen in einer symbiotischen Beziehung verbunden - im Gegensatz zu ihrer zeitgenössischen christlichen Umgebung. Fast schon ironisch: Während sie die islamische Kultur respektierten und sich sogar mit ihr identifizierten, hatten sie für die orthodoxe jüdische Tradition, in der sie aufgewachsen waren, oft nur Geringschätzung übrig.

"Auf jeden Fall leisteten deutsch-jüdische Orientalisten einen großen Beitrag zur Islamwissenschaft im 19. Jahrhundert," so Efron. "Sie unterscheiden sich erheblich von ihren christlichen Kollegen - durch ihre jüdische Bildung war der Islam für sie einfach leichter zugänglich, und beide Religionen haben viele Gemeinsamkeiten. Man könnte sagen, dass Juden wie Muslime 'von rechts nach links dachten'".

In gewisser Weise setzt sich die Tradition jüdischer Studien über die muslimische Welt bis heute fort - schließlich haben vornehmlich deutsche Juden die Institute für Islamwissenschaft in Israel gegründet. "Eine gewisse Kontinuität ist festzustellen," so Efron, "das Erbe der deutsch-jüdischen Orientalisten ist noch erkennbar."

Auch Bayern München war jüdisch   
 
Tottenham Hotspur ist übrigens nicht das einzige Team, das von seinen Gegnern für "jüdisch" gehalten wurde – auch bei Bayern München und Rom war es vor dem zweiten Weltkrieg so und bei Ajax Amsterdam ist es bis heute so geblieben. Und genauso wie die Fans von Tottenham nennen die meist nicht-jüdischen Anhänger von Ajax sich selbst "Juden" oder sogar "Super-Juden".



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