„Auch in diesem Jahr hat sich die finanzielle Situation der Rentenversicherung merklich ungünstiger entwickelt, als es die Projektionen zu Jahresbeginn noch erwarten ließen. Die Ursache
hierfür liegt vor allem in der anhaltend ungünstigen Wirtschaftsentwicklung, in deren Folge die Beitragseinnahmen deutlich hinter den ursprünglichen Erwartungen zurück geblieben sind“, begann
Alexander Gunkel, Vorsitzender des Vorstandes der Deutschen Rentenversicherung Bund, seinen Bericht an die Vertreterversammlung der Deutschen Rentenversicherung Bund in Berlin zur aktuellen
Finanzsituation der Rentenversicherung.
Finanzentwicklung in diesem Jahr
Die Einnahmen der allgemeinen Rentenversicherung würden sich nach Gunkels Worten im laufenden
Jahr voraussichtlich auf rund 223,8 Mrd. Euro belaufen, dem gegenüber stünden Ausgaben in Höhe von voraussichtlich rund 228,3 Mrd. Euro. Daraus ergäbe sich ein negativer Saldo von rund 4,5 Mrd. Euro.
Die Nachhaltigkeitsrücklage werde laut Gunkels Aussagen dadurch auf nur noch 0,07 Monatsausgaben, entsprechend rund eine Mrd. Euro, zum Ende des Jahres sinken. Die Vermögensrücklagen, die vor wenigen
Jahren noch einen Umfang im zweistelligen Milliardenbereich aufwiesen, seien damit - im Wesentlichen aufgrund bewusster politischer Weichenstellungen - inzwischen praktisch vollkommen abgebaut worden.
Zur Sicherstellung der notwendigen Liquidität in diesem Jahr musste unterjährig mehrfach vorzeitig auf Bundesmittel zurückgegriffen werden. Darüber hinaus war Ende November die Inanspruchnahme der so
genannten Bundesgarantie, also eines Liquiditätsdarlehens des Bundes, in Höhe von rund 900 Mio. Euro erforderlich.
Finanzsituation im Jahr 2006
Wichtig für die
Finanzentwicklung im kommenden Jahr seien nach Gunkels Worten neben den Annahmen der Bundesregierung zur ökonomischen Entwicklung gesetzliche Neuregelungen zur Fälligkeit des
Gesamtsozialversicherungsbeitrags. Hiernach würden im kommenden Jahr 13 Monatsbeiträge von den Unternehmen an die Rentenversicherung überwiesen. Unter Berücksichtigung dieser Neuregelung und der damit
verbundenen einmaligen Mehreinnahmen der Rentenversicherung könne der Beitragssatz für das Jahr 2006 unverändert bei 19,5 Prozent bleiben, so Gunkel weiter.
Rentenpolitische
Kernelemente der aktuellen Koalitionsvereinbarung
Nach der Koalitionsvereinbarung wolle die neue Bundesregierung die Höhe des Beitrags, der für Empfänger von Arbeitslosengeld II zu
zahlen ist, senken. Daraus ergäben sich für die Rentenversicherung Beitragsausfälle von rund zwei Mrd. Euro jährlich; der Beitragssatz müsste allein deshalb um 0,2 Prozentpunkte erhöht werden, begann
Gunkel seine Ausführungen zu den rentenpolitischen Kernelementen der aktuellen Koalitionsvereinbarung zwischen CDU/CSU und SPD.
Die Koalitionsvereinbarung sehe zusätzlich vor, die
Regelaltersgrenze vom 65. auf das 67. Lebensjahr anzuheben. Insbesondere in der langen Frist habe diese Anhebung einen deutlich entlastenden Effekt auf die Rentenfinanzen und werde deshalb auch von
vielen Experten als sinnvolles Instrument zur nachhaltigen Sicherung der Rentenfinanzen empfohlen. Allerdings sollten nach Gunkels Meinung die Auswirkungen einer höheren Altersgrenze auf den
Beitragssatz auch nicht überschätzt werden. Denn die finanzielle Entlastung werde aufgrund der im Rahmen der jüngsten Rentenreform vorgenommenen Modifikation der Rentenanpassungsformel erheblich
relativiert. Durch den neu in die Anpassungsformel eingeführten Nachhaltigkeitsfaktor dürfte nach ersten Schätzungen gut die Hälfte des von der Altersgrenzenanhebung rein rechnerisch ausgehenden
Beitragssatzeffektes wieder „aufgebraucht“ werden.
Darüber hinaus sollten nach dem Willen der neuen Bundesregierung die aufgrund der im Rahmen der jüngsten Rentenreform eingefügten
Sicherungsklausel nicht umgesetzten Anpassungsminderungen später nachgeholt werden. Für die Rentenanpassung 2006 dürfte sich wegen der zurückhaltenden Lohnentwicklung sowie auf Grund des
Nachhaltigkeits- und des Riester-Faktors rein rechnerisch wieder eine Minderung des aktuellen Rentenwertes ergeben, die allerdings durch die Sicherungsklausel ausgeschlossen werde, so Gunkel
weiter.
Die langfristig möglicherweise gravierendsten Auswirkungen unter den rentenpolitischen Vorhaben der Koalition habe nach Gunkels Worten aber vermutlich die vorgesehene Beendigung
der Dynamisierung des Bundeszuschusses. „Die Politik muss sich über eines im Klaren sein: Jede Einschränkung der bestehenden Regelungen zur Dynamisierung der Bundeszuschüsse - und erst recht deren
völlige Festschreibung - würde unweigerlich entweder höhere Beitragssätze oder geringere Renten oder beides zur Folge haben“, so Gunkel wörtlich, „Derartige Bestrebungen sind aus unserer Sicht strikt
abzulehnen“.
Die Rentenversicherung habe inzwischen erste Berechnungen durchgeführt, um die Wirkung der in der Koalitionsvereinbarung enthaltenen Vorschläge auf die Entwicklung von
Rentenfinanzen und Rentenniveau abschätzen zu können. Schon in der mittelfristigen Betrachtung ergäben sich dabei höhere Beitragssätze als jene, die bei Fortgeltung des derzeitigen Rechts zu erwarten
wären. Für 2007 käme die Schätzung auf einen Beitragssatz von 20,0 Prozent; für 2008 und 2009 wären 20,1 Prozent erforderlich. Auf lange Sicht würden nach Einschätzung der Deutschen Rentenversicherung
Bund bei Umsetzung der Koalitionsvereinbarung beide im Gesetz verankerten Zielgrößen der Rentenversicherung - das Beitragssatz- und das Rentenniveauziel - deutlich verfehlt. Der Beitragssatz läge mit
21,5 Prozent im Jahr 2020 und mit 24,5 Prozent im Jahr 2030 erheblich über den gesetzlichen Zielgrößen von 20 und 22 Prozent. Gleichzeitig läge das Nettorentenniveau vor Steuern mit 45 Prozent (2020)
und 42 Prozent (2030) ebenfalls unter den gesetzlichen Zielmarken, so Gunkel zum Abschluss seines Berichtes.
Umsetzung der Organisationsreform
„Ein Jahr nach der
Veröffentlichung des Gesetzes zur Organisationsreform in der gesetzlichen Rentenversicherung im Bundesgesetzblatt sind die wesentlichen Reformschritte umgesetzt. Dies ist - lassen Sie mich das hier
betonen - auch ein großer Verdienst der Selbstverwaltung der Rentenversicherung“, begann Dr. Herbert Rische, Präsident der Deutschen Rentenversicherung Bund, seinen Bericht an die Mitglieder der
Vertreterversammlung.
Versichertenverteilung
Durch den Wegfall der Unterscheidung zwischen Arbeitern und Angestellten in der Rentenversicherung sei es erforderlich
gewesen, neue Kriterien für die Versichertenzuordnung zu den Rentenversicherungsträgern festzulegen. „Das hierfür eingesetzte Verfahren laufe reibungslos“, so Rische. In diesem Monat werde dann eine
weitere Vorschrift in Bezug auf die Versicherten umgesetzt, die Regelung über das so genannte Ausgleichsverfahren. Hiernach sollen über einen Zeitraum von 15 Jahren fünf Prozent der
Versicherungskonten der Rentenversicherung an die Regionalträger übertragen werden, damit die gesetzlichen Quoten für die Versichertenverteilung auch im Versichertenbestand erreicht würden. Nach
Risches Worten würden betroffene Versicherte rechtzeitig über den Wechsel des Versicherungsträgers informiert.
Verringerung der Zahl der Versicherungsträger
„Durch
die vollzogenen und geplanten Zusammenschlüsse von Rentenversicherungsträgern wird sich im Jahr 2006 die Anzahl der Institutionen von 27 auf 18 reduziert haben. Damit wird sich die Zahl der
RV-Institutionen um ein Drittel vermindern“, so Rische weiter. Mit der Organisationsreform blieben alle Rentenversicherungsträger als rechtlich selbstständige, bundes- und landesunmittelbaren
Körperschaften des öffentlichen Rechts bestehen. Das Organisationsreformgesetz sehe allerdings eine stärkere Verzahnung der Bundes- und Regionalebene im Bereich der Selbstverwaltungen und auch auf der
Verwaltungsebene vor, führte Rische weiter aus. Mit der Organisationsreform sei somit die Bedeutung der Selbstverwaltung gestärkt worden.
Wettbewerb und
Kosteneinsparungen
Rische wies weiter auf die im Gesetz geforderte Kostenreduktion von zehn Prozent der Verwaltungsausgaben des Jahres 2004 hin. Er machte deutlich, dass der Wettbewerb
zwischen Rentenversicherungsträgern künftig als wichtiges Steuerungselement eingesetzt werden sollte. Die wettbewerblichen Rahmenbedingungen und die Ziele würden durch Gremien der Rentenversicherung
einheitlich vorgegeben. Wie dann jeweils diese gemeinsam abgestimmten Ziele erreicht werden, bliebe weitgehend jedem Träger selbst überlassen. Aus diesem Freiraum solle sich ein Wettbewerb um die
beste und kostengünstigste Leistungserbringung entwickeln. Dabei möge auch das Benchmarking-System helfen, das von der Rentenversicherung ab Januar 2006 eingesetzt wird. „Mit dem schnellen Aufbau
eines solchen Systems zeigt die Rentenversicherung, dass es auch im Rahmen von Selbstverwaltungsinstitutionen ohne weiteres möglich ist, sich veränderten Anforderungen anzupassen“, schloss Rische
seinen Vortrag.
Pressesprecher der Deutschen Rentenversicherung
Herr Dr. Dirk von der Heide
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