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06.11.2006 -
dvb-Presseservice
Deutsche Banken und Versicherungen unterschätzen Wirtschaftskriminalität
Zwei von drei Finanzdienstleistern in Deutschland waren innerhalb von zwei Jahren Opfer wirtschaftskrimineller Handlungen / PwC-Studie ermittelt durchschnittlichen Schaden von zwei Millionen Euro je
Unternehmen / Hinweisgebersysteme effizientes Instrument zur Prävention
Zwei von drei Finanzdienstleistern (63 Prozent) in Deutschland sind in
den Jahren 2003 und 2004 Opfer wirtschaftskrimineller Handlungen
geworden, weltweit war es nur jeder zweite. Dennoch glaubt nicht einmal
jede dritte deutsche Bank oder Versicherung (31 Prozent), dass sie in
den kommenden fünf Jahren zur Zielscheibe von Wirtschaftskriminellen
wird. Die Unternehmen aller Branchen verzeichneten weltweit
durchschnittlich jeweils acht Delikte, im Finanzsektor waren es sowohl
weltweit als auch in Deutschland jeweils elf. Zu diesen Ergebnissen
kommt die Analyse „Wirtschaftskriminalität bei Banken und
Versicherungen 2006“ der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft
PricewaterhouseCoopers (PwC) und der Martin-Luther-Universität
Halle-Wittenberg.
„Durch Wirtschaftskriminelle ist den 240 deutschen befragten
Finanzdienstleistern in den Jahren 2003 und 2004 ein Schaden von mehr
als 250 Millionen Euro entstanden. Dennoch unterschätzen viele Banken
und Versicherungen die besonders hohen Risiken auf dem hoch
entwickelten deutschen Finanzmarkt. Der betriebs- und
volkswirtschaftliche Schaden ist mit Sicherheit noch größer“, erläutert
Steffen Salvenmoser, Partner bei PwC im Bereich Forensic Services und
ehemaliger Staatsanwalt. „Wer finanziell schwer getroffen wurde,
erfährt zusätzlich meist immaterielle Schäden, die weit über die
finanziellen Verluste hinausgehen", ergänzt Salvenmoser. Die Befragung
von insgesamt 837 Banken und Versicherungen in 34 Ländern zeigt, dass
in Nordamerika eine besonders hohe Sensibilität gegenüber
Falschbilanzierungen herrscht, während Reputation und
Geschäftsbeziehungen deutscher Finanzdienstleister am häufigsten unter
Korruptions- und Bestechungsfällen leiden.
Betrugsdelikte verursachen die höchsten finanziellen Schäden
Die häufigsten Straftaten bei deutschen Finanzdienstleistern
sind Betrug (36 Prozent), Unterschlagung (24 Prozent), Geldwäsche (19
Prozent) und Falschbilanzierung (13 Prozent). Korruption folgt mit
sechs Prozent erst an fünfter Stelle. Salvenmoser: „Dabei handelt es
sich nicht um Kavaliersdelikte: Betrugsfälle verursachen dem
betroffenen Unternehmen im Durchschnitt einen Schaden von mehr als 2,4
Millionen Euro. Ein Unterschlagungsdelikt kostet das betroffene
Unternehmen durchschnittlich 250.000 Euro.“
Die Unternehmen müssen außerdem hohe immaterielle Schäden
befürchten: Fast jeder zweite befragte deutsche Finanzdienstleister (45
Prozent) berichtete, der gute Ruf des Unternehmens habe durch
Wirtschaftskriminalität gelitten. Und sogar 61 Prozent der Befragten
gaben an, dass sich die Beziehungen zu Geschäftspartnern durch
Wirtschaftskriminalität verschlechtert haben. Ein Fünftel beklagt eine
Beeinträchtigung der Arbeitsmoral und einen demotivierenden Effekt auf
die Mitarbeiter.
Täter stammen häufig aus den eigenen Reihen
Fast ein Drittel (31 Prozent) der befragten Finanzdienstleister
musste die Erfahrung machen, dass die Straftaten von Mitarbeitern
begangen wurden – also von Personen, denen besonders viel Vertrauen
entgegen gebracht wurde. 32 Prozent von ihnen stammten sogar aus dem
mittleren und Top-Management. Im Vergleich zu anderen Branchen, in
denen bis zu 50 Prozent der Täter aus den eigenen Reihen stammen, ist
dieser Anteil relativ gering. Dies ist darauf zurückzuführen, dass
Banken und Versicherungen aufgrund ihres Geschäfts eine deutlich höhere
Zahl an Außenkontakten haben als Unternehmen in anderen Branchen.
Der typische Wirtschaftskriminelle ist männlich (90 Prozent),
zwischen 31 und 50 Jahre alt (65 Prozent), und hat Abitur oder studiert
(61 Prozent). Auffällig ist, dass Mitarbeiter, die seit mehr als zehn
Jahren bei einem Unternehmen beschäftigt sind, mit 43 Prozent die
größte Tätergruppe bilden. „Es wäre falsch, langjährigen Mitarbeitern
einen besonderen Vertrauensbonus zu schenken“, betont Burkhard Eckes,
Partner bei PwC im Bereich Financial Services. „Offenbar nutzen viele
Täter die Zeit, um Schwachstellen in der Unternehmensorganisation
auszunutzen.“ Andererseits können sich Unternehmen relativ einfach vor
einem solchen Missbrauch schützen: „Führungspersonal sollte des öfteren
rotieren und mit wechselnden Aufgaben betreut werden“, empfiehlt Eckes.
Nur ein Drittel der Delikte lässt sich auf Schwachstellen im
Kontrollsystem zurückführen, 64 Prozent jedoch auf ein mangelndes
Werte- und Unrechtsbewusstsein und 51 Prozent auf den aufwändigen
Lebensstil der Täter. Eckes: „Die Unternehmen sollten sich bei der
Bekämpfung von Wirtschaftsstraftaten nicht nur auf Kontroll- und
Entdeckungsmaßnahmen verlassen, sondern müssen auf der Ebene der
Bewusstseinsbildung und Vermittlung von Werten ansetzen.“
Hier haben Finanzdienstleister in Deutschland noch
Nachholbedarf: Während 97 Prozent der befragten US-Unternehmen über
ethische Richtlinien verfügen, sind es in Deutschland erst 63 Prozent.
Straftaten konsequent verfolgen
Jede Wirtschaftsstraftat kann den guten Ruf eines Unternehmens
beschädigen – sowohl nach außen, aber auch nach innen. Es ist zwar
verständlich, wenn die befragten Unternehmen nur gegen 60 Prozent der
Täter aus den eigenen Reihen und gegen 84 Prozent der externen Täter
Strafanzeige erstattet haben. Dass aber elf Prozent der internen und 15
Prozent der externen Täter überhaupt nicht zur Rechenschaft gezogen
werden, ist nach Ansicht von Professor Kai Bussmann sehr bedenklich.
„Man schreckt Täter nur dann wirkungsvoll ab, wenn die
Wahrscheinlichkeit entdeckt zu werden, hoch ist, und das strafbare
Verhalten anschließend auch konsequent sanktioniert wird“, sagt der
Inhaber des Lehrstuhls für Strafrecht und Kriminologie an der
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. „Zwar muss nicht jede
kriminelle Handlung bei der Staatsanwaltschaft angezeigt werden,
betriebliche Sanktionen wie Abmahnungen und Kündigungen sowie
zivilrechtliche Schritte wie Schadensersatz sollten jedoch auf keinen
Fall unterbleiben“, ergänzt Bussmann.
Unternehmen sollten alle Straftaten gleich behandeln und Täter aus dem
Top-Management auf keinen Fall bevorzugen. Bussmann: „Interne
Richtlinien zum Umgang mit Straftaten sind am besten geeignet, um eine
Gleichbehandlung sicherzustellen.“ In diesem Bereich besteht bei
deutschen Finanzdienstleistern noch Handlungsbedarf: Während in
Nordamerika 83 Prozent der befragten Banken und Versicherungen über
derartige Richtlinien verfügen, sind es in Deutschland erst 52 Prozent.
Aufholbedarf bei der Vorbeugung von Wirtschaftsstraftaten
Obwohl Paragraf 25a des Kreditwesengesetzes für den gesamten
Bereich der Betrugsbekämpfung ein Risikomanagement fordert, existiert
dieses nur bei 77 Prozent der befragten deutschen Banken und
Versicherungen. Lediglich 36 Prozent von ihnen sind mit deren
Wirksamkeit zufrieden.
Banken und Versicherungen hierzulande haben bei den Maßnahmen
zur Vorbeugung von Wirtschaftsstraftaten noch einiges aufzuholen.
Während sich in Nordamerika 83 Prozent der Mitarbeiter vor ihrer
Einstellung einer Prüfung (Pre Employment Screening) unterziehen
müssen, sind es in Deutschland erst 58 Prozent. Und immerhin 80 Prozent
der befragten nordamerikanischen Unternehmen vertrauen bei der
Vorbeugung und Früherkennung von Straftaten auf die Hilfe von
Hinweisgebern (Whistleblower) – eine Methode, die sich als effizientes
Instrument zur Aufdeckung von Korruption und Bestechung erwiesen hat.
In Deutschland verfügen lediglich 32 Prozent der befragten
Gesellschaften über ein derartiges System. Strenge US-amerikanische
Regularien wie der Sarbanes-Oxley Act scheinen bereits zu wirken: In
Nordamerika haben 89 Prozent der Finanzdienstleister ein Audit Commitee
als Prüfungsausschuss innerhalb ihres Aufsichtsgremiums eingerichtet,
in Deutschland ist es erst ein Viertel.
Das Potenzial der Hinweisgebersysteme ist noch lange nicht
ausgeschöpft. Da Hinweisgeber oft nicht ausreichend vor beruflichen
Nachteilen geschützt werden, bleiben viele Verdachtsmomente weiter
verborgen und können den Unternehmen früher oder später großen Schaden
zufügen. Während knapp zwei Drittel der nordamerikanischen
Finanzdienstleister ihre Hinweisgeber nach eigenen Angaben vor
Repressalien schützen, sind es in Deutschland erst ein Drittel. Steffen
Salvenmoser: „Ein besserer Schutz der Hinweisgeber würde diesen
Informationsweg erheblich attraktiver machen und das noch viel zu hohe
Dunkelfeld deutlich aufhellen.“ Während Whistleblower acht Prozent
aller Wirtschaftsstraftaten bei Finanzdienstleistern publik gemacht
haben, war es in Deutschland lediglich ein Prozent.
Hohe Entdeckungsquote von „Kommissar Zufall“
Über die Hälfte der Straftaten (52 Prozent) werden bei
Finanzdienstleistern in Deutschland nicht durch Kontrollen oder
systematische Prüfungen entdeckt, sondern durch Hinweise von internen
und externen Personen und pure Zufälle. In Nordamerika liegt diese
Zahl lediglich bei 28 Prozent. Erst an zweiter Stelle folgt mit der
internen Revision eine Instanz, die sich systematisch mit dem
frühzeitigen Erkennen von Unregelmäßigkeiten befasst. Während die
Revisoren in Deutschland 25 Prozent aller Delikte bei Banken und
Versicherungen aufgedeckt haben, waren es in Nordamerika 23 Prozent.
Dort spielen der Werkschutz (sieben Prozent) und die Whistleblower eine
größere Rolle bei der systematischen Suche nach Schwachstellen im
Unternehmen. In Deutschland decken Werkschutz und Whistleblower jedoch
nur ein Prozent aller Wirtschaftsstraftaten auf.
Die Analyse „Wirtschaftskriminalität bei Banken und Versicherungen 2006“ kann hier kostenlos herunterladen werden.
PricewaterhouseCoopers
Olof-Palme-Straße 35
60439 Frankfurt am Main
Deutschland
www.pwc.com/de
Die PricewaterhouseCoopers AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ist in Deutschland mit 8.000 Mitarbeitern und einem Umsatzvolumen von rund 1,1 Milliarden Euro eine der führenden Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaften. An 28 Standorten arbeiten Experten für nationale und internationale
Mandanten jeder Größe. PwC bietet Dienstleistungen an in den Bereichen Wirtschaftsprüfung und prüfungsnahe Dienstleistungen (Assurance), Steuerberatung (Tax) sowie in den Bereichen Transaktions-, Prozess- und Krisenberatung (Advisory).
Die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg ist eine der ältesten Universitätsgründungen in Deutschland. Ihre Wurzeln liegen in den 1502 in Wittenberg und 1694 in Halle gegründeten Universitäten. Die Studierenden können aus über 200 Studiengängen und Studienfächern auswählen. Derzeit studieren
über 18.000 Studenten an der halleschen Universität. Die Juristische Fakultät sieht u.a. ein Studium im Schwerpunktbereich Kriminalwissenschaften vor.
URL: www.deutsche-versicherungsboerse.de/pressespiegel/Deutsche-Banken-und-Versicherungen-untersch%E4tzen-Wirtschaftskriminalit%E4t-ps_2863.html