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13.05.2009 - dvb-Presseservice

Deutsche Private Krankenversicherung — Branchen Update

Im Oktober 2008 hat Fitch den Ausblick für die deutsche private Krankenversicherung (PKV) in Übereinstimmung mit anderen Versicherungssektoren auf ‚Negativ’ von ‚Stabil’ verändert. Fitch Ratings behält den negativen Ausblick aufgrund der stagnierenden Entwicklung des Neugeschäfts und den anhaltenden Spannungen an den Finanzmärkten bei.

Stagnierende Entwicklung des Neugeschäfts

Auf den ersten Blick erscheint die rückläufige Entwicklung der Krankheitskostenvollversicherung nach der letzten Gesundheitsreform im Jahr 2008 gestoppt. Der Nettoneuzugang stieg 2008 auf 69.800 Personen von 59.900 Personen im Jahr 2007. Diese Zahl wurde jedoch durch signifikante Einmaleffekte verzerrt. 20.900 Personen kamen der seit Januar 2009 geltenden Pflicht zur Versicherung nach. Bereinigt um diesen Effekt fiel de r Nettoneuzugang auf 48.900. Fitch erwartet, dass der Nettoneuzugang 2009 auf dem Niveau des Jahres 2008 liegen wird. Erst ab 2010 erwartet die Agentur wieder einen leichten Anstieg, da dann die seit 2007 geltende drei‐jährige Wartefrist für die ersten Berufseinsteiger auslaufen wird. Wie in den Vorjahren war auch 2008 der Nettoneuzugang ungleichmäßig über die ca. 40 Versicherer verteilt, welche Vollversicherung anbieten. Die vier erfolgreichsten Versicherer konnten 68.700 Nettoneuzugänge gewinnen, weshalb die Bestände anderer Anbieter geschrumpft sein müssen. Die Anbieter mit zurückgehenden Beständen sind überwiegend traditionelle und etablierte Anbieter, die den Abgang durch Tod nicht ausreichend durch Neuzugänge kompensieren können.

Im Jahr 2008 stieg der Bestand an Krankenzusatzversicherungen um 942.000 Policen auf 20,95 Mio. Policen an; im Vergleich hierzu betrug der Anstieg 2007 noch 1.608.900 Policen. Die überwiegende Zahl der Zusatzversicherungen sind Zahnersatz‐Policen, die ein nur sehr geringes Beitragsaufkommen generieren. In den vergangenen Jahren stagnierte der Prämienanteil der Zusatzversicherungen an den gesamten Prämien der PKV und betrug zum Jahresende 2008 21,5%. Fitch erwartet für Zusatzversicherungen eine weiterhin stagnierende oder leicht sinkende Entwicklung des Anteils an den Gesamtprämien.

Im Jahr 2008 stiegen die gebuchten Bruttobeiträge um 2,9% auf EUR 30,3 Mrd. an. Aufgrund von Beitragsanpassungen zum Ausgleich medizinischer Inflation kann die PKV selbst bei stagnierenden oder leicht rückläufigen Beständen noch einen Anstieg der gebuchten Bruttobeiträge ausweisen.

Finanzmarktkrise trifft auch die deutsche PKV

Zum Jahresende 2007 belief sich die gesamte Kapitalanlage der PKV auf EUR 142,2 Mrd. und erzielte eine Nettoverzinsung von 4,8%. Die Nettoverzinsung von allen PKVen, die mehr als EUR 10 Mio. gebuchte Bruttobeiträge auswiesen, fiel im 2007 in eine Bandbreite von 3,8% bis 6,2%. Hierdurch konnten alle wesentlichen Akteure den maximalen aktuariellen Rechnungszins von 3,5% bedienen und Kapitalanlageergebnisse von EUR 2,3 Mrd. in ihren Rohüberschüssen ausweisen. 2007 steuerte das Kapitalanlageergebnis ca. 48% zum gesamten Rohüberschuss in Höhe von EUR 4,8 Mrd. bei. Die zweitgrößte Komponente des Rohüberschüsses der PKV stammte aus dem Sicherheitszuschlag und betrug EUR 1,9 Mrd. Diese Komponente ist ein PKV‐spezifischer Beitragszuschlag und beträgt ca. 7% der gesamten gebuchten Bruttobeiträge der PKV. Falls ein privater Krankenversicherer ein positives Risikoergebnis erzielt, steht der gesamte Sicherheitszuschlag als zusätzliche Einnahme als Teil des Rohüberschusses zur Verfügung. Positive Risikoergebnisse beliefen sich für die gesamte Branche im Jahr 2007 auf EUR 568 Mio.

Im Jahr 2008 wird sich dieses Bild aufgrund der Finanzmarktkrise grundlegend verändert haben. Fitch schätzt, dass die PKV eine durchschnittliche Nettoverzinsung in Höhe von 3,8% erzielt haben wird. Nach Bedienung des aktuariellen Unternehmenszinses wurde demnach ein Kapitalanlageergebnis von ca. EUR 1,2 Mrd. erzielt (2007: EUR 2,3 Mrd.). Fitch erwartet eine weite Spanne für die Nettoverzinsung. Einige Krankenversicherer erzielten Nettoverzinsungen von unter 3% und mussten negative Kapitalanlageergebnisse im Rohüberschuss hinnehmen. In diesen Fällen müssen andere Ergebnisquellen wie der Sicherheitszuschlag genutzt werden, um den aktuariellen Unternehmenszins zu bedienen. Aufgrund des Sicherheitszuschlages und bedeutender Kosten‐ und Risikoergebnisse erwartet Ficht allerdings keine negativen Rohüberschüsse für einzelne Versicherer. Fitch schätzt, dass der Rohüberschuss der PKV 2008 unter EUR 3,5 Mrd. (2007: EUR 4,8 Mrd.) lag.

Die PKV verfolgt einen ähnlichen wenn auch etwas konservativeren Kapitalanlageansatz wie die Lebensversicherer. Anlagen in Asset Backed Securities und Credit Linked Notes betrugen 2007 EUR 1,5 Mrd., während sich Anlagen in Private Equity und Hedge Funds auf weitere EUR 1,2 Mrd. beliefen. Anlagen in High Yield Anleihen und nachrangigen Schuldtiteln betrugen EUR 5,1 Mrd. 2007 betrug der Anteil riskanter Wertpapiere wie Aktien oder Alternativer Anlagen 14,2% der gesamten Kapitalanlagen und war der niedrigste aller deutschen Versicherungszweige. Ferner war die Exposition gegenüber öffentlich gehandelten Anleihen geringer als in anderen Segmenten. Als Folge erwartet Fitch, dass die Nettoverzinsung der PKV die der Lebensversicherer (3,6%) übertreffen wird obgleich realisierte Verluste und Abschreibungen negative Auswirkungen auf die Nettoverzinsung haben werden. Weiter geht Fitch davon aus, dass 2008 die PKV positive Nettobewertungsreserven von mehr als 2,0% aufwies, während Lebensversicherer nach vorläufigen Zahlen des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft positive Reserven von 1,5% auswiesen.

Festverzinsliche Kapitalanlagen: Segen oder Fluch?

Fitch schätzt, dass festverzinsliche Kapitalanlagen der PKV ca. 80% der gesamten Kapitalanlagen ausmachen. Diese festverzinslichen Kapitalanlagen werden von Anlagen in Banken (einschließlich Pfandbriefe) mit ca. 60% der gesamten Kapitalanlage dominiert. Der überwiegende Anteil dieser festverzinslichen Wertpapiere kann nicht an Sekundär märkten gehandelt werden, wodurch die PKV als „Buy and Hold“ Investor agiert. Im gegenwärtigen Marktumfeld bringen die Anlagen in nicht handelbaren festverzinslichen Wertpapieren Vorteile, da sie zu Nominalwerten bzw. Anschaffungskosten bilanziert werden. Beide Bilanzierungsansätze ignorieren temporäre Wertschwankungen und verhindern Abschreibungen.

Jedoch entstehen durch die illiquiden Wertpapiere nicht zu vernachlässigende Adressausfallrisiken. Eine Verschlechterung der Bonität eines Schuldners kann zu bedeutenden unrealisierten Verlusten führen. Zu den bedeutenden Schuldnern der PKV gehören deutsche Landesbanken sowie deutsche Geschäfts‐ und Immobilienbanken. Anlagen bei den größten Schuldnern übersteigen häufig 5% der gesamten Kapitalanlagen. Die meisten Banken, die unter den größten Schuldnern der PKV sind, haben bereits umfangreiche staatliche Hilfen erhalten. Hierdurch wird die Abhängigkeit der PKV von einem funktionierenden, staatlichen Rettungsschirm für Banken deutlich.

Allerdings wird ein Großteil der Kapitalanlagen bei Banken durch Sicherungssysteme geschützt. Diese Sicherungssysteme umfassen die Gewährträgerhaftung (bis Juli 2005) der Bundesländer für Landesbanken, den Einlagensicherungsfonds, sowie die individuellen Sicherungssysteme der deutschen Sparkassen und Genossenschaftsbanken. Darüber hinaus hat die deutsche Bundesregierung wiederholt erklärt alle systemrelevanten Banken aufzufangen.

Fazit

Seit der Umsetzung der Gesundheitsreform aus dem Jahr 2007, stagniert das Neugeschäft der PKV. Fitch erwartet hierfür keine Änderung vor 2010. Bisher hatte die Finanzmarktkrise in erster Linie Auswirkungen auf die Ergebnisse der PKV. Solange die wesentlichen deutschen Banken durch die Regierung gestützt werden, erwartet Fitch keine ernsthaften Folgen für die Kapitalanlagen der PKV. Anpassbare Rechnungszinsen und Beiträge können nach Ansicht der Agentur die negativen Konsequenzen anhaltender Niedrigzinsphasen oder inflationärer Phasen wesentlich abmildern.




Herr Axel Großpietsch

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