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09.08.2006 - dvb-Presseservice

Die Kernprobleme nicht angegangen

Karl-Bernd Telger, Vorstand der MÜNCHENER VEREIN Krankenversicherung a.G., zum Koalitionskompromiss der Bundesregierung in der Gesundheitsreform

Frage: „Herr Telger, Sie sind als Vorstand unter anderem verantwortlich für die MÜNCHENER VEREIN Krankenversicherungs a.G. Nach zähem Ringen stehen nun die Beschlüsse zur Gesundheitsreform fest, von denen ihr Unternehmen, aber auch die PKV insgesamt, nachhaltig betroffen sind. Wie kommentieren Sie als PKV-Experte und aus Sicht eines PKV-Unternehmens die jetzigen Beschlüsse?“ 

KBT: „Der am 03.07.2006 geschlossene Koalitionskompromiss zur Gesundheits-reform beinhaltet für die PKV sicher einige Herausforderungen, aber – und das ist für die gesamte Branche natürlich sehr wichtig – er stellt das Geschäftsmodell der PKV nicht in Frage. Es wäre auch ein merkwürdiges Ergebnis gewesen, wenn die Politik bei der Sanierung des Gesundheitswesens das einzig funktionierende Modell zur Absicherung im Krankheitsfall – nämlich die PKV – zerstört hätte. Im Gegensatz zu den anfänglichen Diskussionen über Bürgerver-sicherung und Kopfpauschale ist glücklicherweise die Erkenntnis immer mehr in den Mittelpunkt gerückt, dass das System der PKV viele der in der GKV noch zu lösenden Probleme wie defizitäres Wirtschaften, fehlende Demographiesicherheit usw. schon gelöst hat. Insofern hat die jetzige Reform für uns bei weitem nicht die Konsequenzen, die ursprünglich zu befürchten waren.“ 

Frage: „Können Sie uns bitte kurz Ihre Einschätzung zu den Eckpunkten der Gesundheitsreform mitteilen und die zu erwartenden Auswirkungen auf die PKV beschreiben?“ 

KBT: „Sehr gerne, wobei ich darauf hinweisen möchte, dass die Beurteilung der Eckpunkte aus der heutigen Sicht erfolgt und nicht endgültig sein kann. In der weiteren Diskussion und vor allem in der praktischen Umsetzung werden noch einige Änderungen und Verschiebungen vorgenommen werden müssen. 

Gesundheitsfonds 

Es ist zu begrüßen, dass die private Krankenversicherung nicht in den Gesundheitsfonds mit einbezogen wird. Dies wäre letztlich auch systemfremd hinsichtlich der Kalkulation der privaten Krankenversicherung, die ja bekanntlich für jedes einzelne Risiko risikogerecht den Beitrag bestimmt. 

Unabhängig davon besteht jedoch die berechtigte Befürchtung, dass mit dem Modell des Gesundheitsfonds ein bürokratisches Monster geschaffen wird, das der GKV Verwaltungskosten in gewaltiger Höhe bescheren wird. Von Einsparungen kann hier nicht die Rede sein. So müssen beispielsweise die Organisation des Inkassos, das derzeit bei den gesetzlichen Krankenkassen gut funktioniert und vor allen Dingen die Inkassokontrolle neu aufgebaut werden. Einen Riesenaufwand wird sicher auch der Wechsel der Versicherten von einer Kasse zur anderen auslösen und eine erhebliche Zunahme von Verwaltungs-vorgängen nach sich ziehen. Der Gesundheitsfonds ist letztlich nichts anderes als der Versuch, die beiden konträren Modelle der Bürgerversicherung und der Pauschalprämie sozusagen „unter einen Hut“ zu bringen und für beide großen Volksparteien eine akzeptable Lösung ohne Gesichtsverlust zu schaffen.

Die eigentlichen Thematiken, nämlich das Demographieproblem anzugehen, das Gesundheitssystem insgesamt effizienter zu gestalten und damit die Kosten in den Griff zu bekommen, werden damit nicht gelöst 

Keine Erhöhung der Versicherungspflichtgrenze 

Nicht enthalten ist auch eine Erhöhung der Versicherungspflichtgrenze (derzeit knapp 4.000 €), die zuvor immer wieder diskutiert wurde. Dies hätte für die versicherungspflichtigen Berufe bedeutet, dass sich kaum noch jemand hätte privat versichern können. Durch den fehlenden Neuzugang wäre dann letztlich unser gesamtes Geschäftsmodell – zumindest in der Vollversicherung - gefährdet gewesen. Betroffen sind wir dennoch, denn nun muss für Angestellte das jährliche Gesamteinkommen nicht nur einmalig, sondern drei Jahre über der bestehenden Versicherungspflichtgrenze liegen, damit eine Versicherungs-pflichtbefreiung und damit ein Wechsel in die PKV möglich ist. Faktisch erschwert das den Zugang der PKV zu den besser verdienenden Angestellten, ohne das dafür ein nachvollziehbarer Grund ersichtlich wäre. 

Steuerfinanzierung 

Die Gesundheitskosten der Kinder sollen über Steuerfinanzierung aufgebracht werden. Dazu sollen im Jahr 2008 1,5 Mrd. € und 2009 3 Mrd. € bereitgestellt werden, die natürlich bei weitem nicht ausreichen. Nach derzeitigen Vorstellungen soll die PKV dabei leer ausgehen. Ob dies einer verfassungs-rechtlichen Prüfung standhält, muss stark bezweifelt werden. Denn schließlich zahlen auch Privatversicherte genauso Steuern und können nicht ohne Weiteres von derartigen Vorteilen ausgegrenzt werden. 

Teilkostenversicherung für Beamte in der GKV 

Dieser Eckpunkt wurde letztlich nicht aufgenommen, was positiv zu sehen ist. Damit tritt die GKV nicht in Konkurrenz zu den Beihilfetarifen der PKV. 

Portabilität der Alterungsrückstellung innerhalb der PKV für Alt-und Neubestand sowie beim Wechsel zur GKV 

Unsere Branche hat sich in den vergangenen Jahren mit dieser Thematik intensiv befasst und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass für den Neubestand ein Wechsel innerhalb der PKV unter Mitgabe von Teilen der Alterungsrückstellung grundsätzlich möglich ist, aber zu einer Verteuerung der Beiträge führen muss. Würde diese Forderung auch für den Altbestand gelten, so wäre damit ein Eingriff in bestehende Verträge verbunden, der den Vertragsinhalt wesentlich ändert. Auch der Altbestand müsste zur Finanzierung der Wechselleistung einen Zusatzbeitrag von nicht unerheblicher Größenordnung leisten. Das ist mit Sicherheit mit unserem Grundgesetz nicht vereinbar und würde einen Eingriff in privatrechtliche Vertragsfreiheit bedeuten. Die Mitnahme der Alterungs-rückstellung in die GKV ist letztlich nichts anderes. Sie bedeutet die Abgabe eines persönlichen, vertraglich gesicherten Rechtes – die Alterungsrückstellung fällt unter den verfassungsrechtlichen Schutz des Art. 14 GG – an die GKV, also an ein solidarisch und nach dem Umlageverfahren kalkuliertes System, in dem dieses individuelle Recht untergeht. Dies stellt eindeutig eine Enteignung dar, die nach unserem Rechtssystem eine Entschädigung fordert. Wir sind der festen Überzeugung, dass dieser Tatbestand einer verfassungsrechtlichen Prüfung nicht standhalten wird. Im Übrigen bleiben auch einige Fragen offen, z. B. wie bei einem weiteren Wechsel wieder zurück in die PKV mit der Alterungsrückstellung verfahren werden sollte. 

Wechsel zwischen PKV-Unternehmen 

Der Wechsel zwischen PKV-Unternehmen ist seit einigen Jahren Gegenstand von umfangreichen Untersuchungen des Verbandes. Dieser kommt zu dem Ergebnis, dass unter der Voraussetzung eines einheitlichen Versicherungs-schutzes ein Wechsel für den Neuzugang installierbar wäre. Die Branche würde hierfür einen Poolausgleich konstruieren, der ungünstige Risikoverschiebungen für einzelne Unternehmen auffangen müsste. Insofern sind wir hier also vorbereitet. 

Basistarif für freiwillig Versicherte und für nichtversicherte, ehemals PKV-Versicherte 

Um die Forderung aus Ziff. 6 erfüllen zu können, ist es unabdingbar, einen Basistarif zu schaffen, mit etwa dem gleichen Leistungsumfang wie die GKV. Dann ist auch ein Kontrahierungszwang vertretbar. Auf Risikozuschläge und Leistungsausschlüsse zu verzichten, ist ein große Herausforderung für die PKV, die sie wiederum nur mit einem dafür konstruierten Poolausgleich stemmen könnte. Da der Basistarif mit Alterungsrückstellung, also mit einem zusätzlichen Sparbeitrag kalkuliert ist, muss man davon ausgehen, dass er teurer ist als ein rein nach dem Umlageverfahren arbeitender GKV-Schutz. Ob damit eine ausreichende Attraktivität der PKV erreicht wird, muss abgewartet werden.

Es könnte allerdings sein, dass in jungen Jahren selbst dieser mit Alterungs-rückstellung kalkulierte Basistarif gegenüber der GKV Vorteile bietet. 

Vergütungsstrukturen für ambulante Leistungen bei GKV und PKV identisch 

Grundsätzlich würde diese Forderung die PKV vom Preis her zwar günstiger machen, allerdings steht zu befürchten, dass eine Vielzahl von Arzt-Praxen dann nicht mehr lebensfähig wäre. Nachdem die Ärzteabwanderungen ins Ausland schon heute erheblichen Umfang angenommen haben, scheint uns diese Forderung wenig realistisch zu sein. 

Einbeziehung der PKV in die Primärprävention 

Die PKV hat in ihren Tarifen immer schon etwas mehr für die Prävention getan und ist nicht sonderlich glücklich, hier eine Reglementierung akzeptieren zu müssen. Unbedingt darauf zu achten ist natürlich, dass die Präventions-programme auch wirklich Einsparungen bringen und nicht Geldmittel vergeuden. 

Vertragskompetenzen für die PKV 

Erneut wurde die Forderung der PKV, ebenso wie die GKV Vertragsverhand-lungskompetenzen mit den Leistungserbringern zu erhalten, abgelehnt.“ 

Frage: „Wie beurteilen Sie den Kompromiss der Gesundheitsreform insgesamt?“ 

KBT: „Natürlich finden sich positive Ansätze, trotzdem wurden die wirklichen Kernprobleme nicht angegangen. 

Im Fokus der jetzt verabschiedeten gesundheitspolitischen Reformmaßnahmen steht wiederum vorrangig die Steigerung der Einnahmen. Die notwendige Konzentration und Reduktion des Leistungskatalogs der gesetzlichen Kranken-versicherung sind dagegen leider ausgeblieben. Das Modell des Gesundheits-fonds wird zudem – wie oben erwähnt - Bürokratie aufbauen und die Verwaltungskosten zusätzlich erhöhen. 

Dem großen Problem, die Wirkung der immer ungünstiger werdenden Alterspyramide zukunftssicher zu lösen, wird auf diese Weise nicht näher gekommen. Dazu müssten zumindest Teile des Leistungskatalogs der Kapital-deckung zugeführt werden. Ansatzpunkte hierfür sind nicht erkennbar. 

Mit der Einführung der begleitenden Steuerfinanzierung ist ein Schritt hin zum staatlichen Gesundheitssystem gemacht, mit der negativen Konsequenz, dass diese Zuschüsse, ähnlich wie in der gesetzlichen Rentenversicherung, in der Zukunft große Teile des Staatshaushaltes ausmachen werden. Schon heute gehen die Berechnungen über 20 Mrd. € hinaus, mit sicher weiter steigender Tendenz. Einer vom Staatshaushalt abhängigen Gesundheitspolitik ist aber mit großer Besorgnis zu begegnen. 

Einer wesentlichen Forderung aus der Wirtschaft, nämlich die Kosten für die Krankenversicherung der Arbeitgeber zu begrenzen und durch eine Abkopplung der Versicherungsbeiträge vom Faktor Arbeit die Lohnnebenkosten zu entlasten, ist man mit dem Modell des Gesundheitsfonds immerhin einen kleinen Schritt näher gekommen.“ 

Frage: „Abschließend die Frage: Wie sehen Sie vor diesem Hintergrund insgesamt die Zukunft der PKV?“ 

„Mit den aus dem Kompromiss ersichtlichen Eckpunkten hat die PKV – wie bereits erwähnt - zwar einige größere Herausforderungen zu bewältigen. Sie ist jedoch auf die Herausforderungen gut vorbereitet. Entscheidend ist: Die private Krankenkostenvollversicherung wird weiter eine wichtige Rolle im deutschen Gesundheitswesen spielen. Dazu wird auch die Zusatzversicherung an Bedeutung gewinnen, weil echte Einsparungen und Beitragsbegrenzungen den Bedarf an Zusatzversicherungsschutz in der Bevölkerung erhöhen werden.

Wenn die Eckpunkte im Wesentlichen so realisiert werden, soweit dies verfassungsrechtlich überhaupt gangbar ist, erwächst der PKV somit zwar einiges an Arbeit, sie hat aber auch weiterhin gute Voraussetzungen im deutschen Gesundheitswesen erfolgreich tätig zu sein.“



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Frau Uta Strelow-Hartel
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Kompetenz. Der MÜNCHENER VEREIN, mit Hauptsitz in München, gehört mit rund 250.000 Kunden und einer jährlichen Beitragseinnahme von 608,4 Mio. € zu den bundesweit agierenden Versicherern Deutschlands. Ein verlässlicher Partner mit Tradition für den Mittelstand, der speziell mit dem Handwerk verbunden ist.

Überzeugende Produkte. Das Produktangebot des MÜNCHENER VEREIN wurde zusammengestellt, um den Menschen dabei zu helfen, die Risikofolgen des Alltags zu minimieren und zu meistern. Die breite Produktpalette reicht von modernen Krankenversicherungstarifen über Kapital- und Rententarife bis hin zur Unfall-, Haftpflicht-, Kraftfahrzeug- und Sachversicherung.

Persönliche Betreuung. Beim MÜNCHENER VEREIN steht der Kunde im Mittelpunkt. Rund 1.200 Mitarbeiter im Innen- und Außendienst sowie ein breites Netz von mehr als 3.600 freien Vermittlern bieten eine umfassende Beratung und einen hervorragenden Service. Das eigens dafür eingerichtete Service-Center ist rund um die Uhr erreichbar.

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URL: www.deutsche-versicherungsboerse.de/pressespiegel/Die-Kernprobleme-nicht-angegangen-ps_2008.html