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14.08.2006 - dvb-Presseservice

"Es gibt keinen Normalverbraucher mehr"

Das Konsumverhalten der Deutschen hat sich spürbar verändert. Warum und was das für Finanzdienstleister bedeutet, erläutert Karsten John vom Marktforschungs-Unternehmen GfK im Interview mit Allianz.com News.

Allianz.com News: Herr John, wie hat sich das Kundenverhalten in den letzten Jahren in Deutschland verändert?   

John: Der berühmte "Otto Normalverbraucher" ist Geschichte, ihn gibt es so nicht mehr. Auch klassische Einteilungen in Kundensegmente wie die "Öko-Käufer" oder die "Aldi-Käufer" sind nicht mehr aufrecht zu erhalten. Multioptionaler Konsum ist das prägende Schlagwort - sowohl preis- als auch qualitätsbewusst kaufen fast alle ein, nur eben unterschiedliche Dinge.

Ein Beispiel: Eine Familie kauft vormittags bei Aldi ein und anschließend im Biomarkt Gemüse; nach dem Mittagsimbiss bei McDonald's suchen Sie sich bei Hugo Boss einen Anzug aus und bei H&M Sommermode und Kinderkleidung. Anschließend essen sie zusammen in einem guten Restaurant zu Abend. Die Familie nutzt also die gesamte Bandbreite des Produkt- und Serviceangebots aus. Statt "Entweder-Oder" gilt ein fröhliches "Sowohl-Als-Auch".       

? Was bedeutet das für Handel, Hersteller und Dienstleister?   
   
John: Discounter und Handelsmarken haben in den letzten Jahren enorm zugelegt - auch sehr Gutverdienende kaufen heutzutage preiswert ein. Allerdings nimmt dieses Wachstum nun langsam ab.

Was viele kaum wahrgenommen haben: Auch das Premium-Segment ist im gleichen Zeitraum ebenso stark gewachsen. Nur im mittleren Bereich gibt es gravierende Probleme, wie man beispielsweise bei den Kaufhäusern sehen kann.

Generell verhalten sich die Menschen heute volatiler - das merken wir nicht nur bei der Markentreue, sondern beispielsweise auch bei Wahlergebnissen.       

? Wie sieht das im Bereich Finanzdienstleistungen aus?   
   
John: Dort macht sich der Wandel aufgrund der längeren Abschluss- und Kaufzyklen langsamer bemerkbar. Doch auch hier ist die Bindung der Kunden an eine Gesellschaft insgesamt deutlich gesunken. Immer weniger Menschen sind einem einzigen Finanzdienstleister treu, sondern suchen sich verstärkt in jedem Bereich das für sie passende Angebot heraus.

Bei Versicherungen wählen zum Beispiel viele für die komplexe und lange laufende Lebensversicherung bewusst einen finanzstarken Premium-Anbieter, versichern aber ihr Auto möglichst günstig über das Internet. Diese Multioptionalität macht es immer schwerer, Cross-Selling-Potentiale umfassend zu nutzen.

Zum anderen ist dank der zunehmenden privaten Altersvorsorge und der steigenden Notwendigkeit einer eigenen privaten Absicherung wie zum Beispiel bei der Berufsunfähigkeit oder im Bereich Krankenversicherungen seit 2000 die Nachfrage nach Versicherungsleistungen gestiegen. Der Markt wächst und entwickelt sich weiter.   

? Wie sollten Unternehmen darauf reagieren?   
   
John: Sie müssen sich auf die veränderten Kundenbedürfnisse einstellen. Hierfür muss sich ein Unternehmen für die unterschiedlichen Zielgruppen deutlich positionieren. Kunden wollen verstehen, wofür ein Haus steht und welchen Nutzen die Leistungen und Produkte für sie haben. Das ist natürlich schwieriger und komplexer als früher, denn ein und derselbe Kunde kann, wie erwähnt, in verschiedenen Bereichen völlig unterschiedliche Erwartungen haben.

Aber ein klares Profil mit eindeutigem Kundennutzen und ein gutes Marketing hilft, die eigenen Stärken herauszustellen. Ein positives Beispiel aus dem Finanzmarkt ist die Kampagne der Allianz zur Unfallversicherung für Senioren. Darin ist vor allem der Vorteil für die relevante Zielgruppe klar kommuniziert worden.

Wichtig ist auch, die verschiedene Vertriebskanäle zu bedienen. Knapp 17 Prozent der neu abgeschlossenen Versicherungen in 2005 wurden nicht mehr direkt bei einer Versicherung abgeschlossen, sondern über Banken, Makler oder andere Finanzvermittler. Auch das Internet gewinnt an Bedeutung.      

? Was könnte das neue Betriebsmodell der Allianz für die Kunden bedeuten?   
   
John: Die Prozesse zu vereinfachen und die Betreuung der Kunden in den Mittelpunkt zu stellen, ist sicherlich ein richtiger Schritt. Ein ganz persönliches Beispiel: Ich bin selbst Kunde bei der Allianz und habe bei meinem letzten Umzug drei Briefe an drei Adressen Ihres Hauses geschrieben – das war schon aufwändig, und als Kunde würde ich es begrüßen, wenn sich das ändert.

Von der Allianz als Premium-Anbieter erwarten die Kunden eben mehr als von anderen Versicherern, daher genügt es nicht, wenn sie auf durchschnittlichem Niveau zufrieden sind. Wenn die Neuausrichtung auch dieses Ziel verfolgt, ist sie notwendig. Andere Wettbewerber werden dem Beispiel sicherlich bald folgen, denn die Kunden erwarten vor allem von den Premium-Anbietern heute deutlich mehr, als noch vor ein paar Jahren.
   
Karsten John ist Diplom-Volkswirt und Division Manager der GfK Finanzmarktforschung in Nürnberg.



Herr Nicolai Tewes
Tel.: +49.89.3800-4511
E-Mail: nicolai.tewes@allianz.de

Allianz Group
Königinstraße 28
80802 München
Deutschland
www.allianz.com/aktuell

URL: www.deutsche-versicherungsboerse.de/pressespiegel/Es-gibt-keinen-Normalverbraucher-mehr-ps_2073.html