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18.10.2007 - dvb-Presseservice

Fünf Fragen zu Investitionsfreiheit und ausländischen Staatsfonds

Gemeinsame Erklärung von BDI, Bankenverband und GDV

In der aktuellen Debatte um staatlichen Schutz vor „unerwünschten“ ausländischen Direktinvestitionen spielen unterschiedliche, bisweilen auch verdeckte Interessen eine Rolle. Einzelne Diskussionsteilnehmer erwarten Schutz deutscher Unternehmen vor ungewollten Beteiligungen. Andere hegen Interesse an industriepolitischen Instrumenten. Zugleich wird, und sei es ungewollt, eine zunehmende Kapitalismus- und Globalisierungskritik bedient. Eine Versachlichung der Debatte tut Not. Antworten auf die folgenden fünf Fragen sollen dazu einen Beitrag liefern:

1. Warum brauchen wir offene Märkte auch für Kapital?

Deutschland ist aus wohl verstandenem Eigeninteresse ein offener Anlagemarkt für internationale Investitionen. Ausländische Investoren halten in Deutschland Unternehmensbeteiligungen im Wert von 390 Mrd €. Mehr als 2 Millionen Arbeitsplätze in Deutschland können Unternehmen in ausländischer Hand direkt zugeordnet werden, die indirekten Arbeitsplatzeffekte sind noch weitaus höher zu veranschlagen. Derzeit stammen knapp drei Viertel der in Deutschland getätigten Direktinvestitionen aus den Ländern der EU und weitere 23 Prozent aus sonstigen Industrieländern. Der Anteil chinesischer Investitionen beispielsweise liegt dagegen noch bei weniger als einem Promille. Gleichzeitig profitieren deutsche Unternehmen vom Zugang zu ausländischen Märkten. Um die Erschließung der internationalen Märkte zu flankieren und um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu stärken, engagieren sie sich weltweit mit Direktinvestitionen. Die Direktinvestitionen deutscher Unternehmen im Ausland waren in den letzten Jahren stets größer als die Engagements ausländischer Unternehmen in Deutschland – Ende 2006 lagen die Investitionsbestände deutscher Unternehmen im Ausland bei 685 Mrd €. Darunter findet sich eine Reihe von Direktinvestitionen auch deutscher Unternehmen mit staatlicher Beteiligung.

Deutschland muss attraktiv für ausländische Unternehmen und Kapitalanleger bleiben. Dies sichert Wertschöpfung in Deutschland und schafft Arbeitsplätze, trägt zu wirtschaftlichem Wachstum bei und bringt zusätzliches Know-how in unser Land, ohne das wir im internationalen Wettbewerb langfristig nicht bestehen könnten. Unser Land wird in den kommenden Jahren noch stärker auf ausländische Investitionen angewiesen sein. Denn eine rapide alternde und zudem schrumpfende Gesellschaft benötigt mehr Kapital, auch aus dem Ausland, welches mehr und mehr aus den dynamisch wachsenden Schwellenländern kommen wird. Denn Handels- und Kapitalbeziehungen sind zwei Seiten einer Medaille: Eine stärkere Arbeitsteilung führt auch zu intensiverer Kapitalverflechtung. Um im Wettbewerb um Kapitalanlagen attraktiv zu bleiben, brauchen wir ein offenes Investitionsklima. Investitionsfreiheit stärkt den Wettbewerb in Deutschland und fördert Innovationen. Sie ist daher ein Schlüssel für nachhaltiges Wachstum und dauerhaften Wohlstand in Deutschland.

2. Welche Herausforderungen gehen von Staatsfonds aus?

Ein wachsender Teil des globalen Investitionskapitals wird staatlich gelenkt: Staatlich kontrollierte Fondsgesellschaften, sogenannte Sovereign Wealth Funds, verwalten bereits ein Finanzvolumen von 2 bis 3 Billionen US-Dollar. Weltweit haben über 40 Staaten ihre Devisenreserven sowie staatliche Einnahmen aus dem Rohstoffsektor in solchen Fonds angelegt. Festzuhalten bleibt aber auch: Staatliche Investmentfonds sind keine neue Entwicklung. Viele dieser Fonds bestehen bereits seit Jahrzehnten. Für die Privatwirtschaft sind Sovereign Wealth Funds eine wichtige Quelle, sich mit Kapital zu versorgen. Deutsche Unternehmen machen bislang positive Erfahrungen mit Sovereign Wealth Funds. Sie genießen den Ruf langfristiger und zuverlässiger Investoren. Die Fonds selbst wissen: Wenn sie sich längerfristig am Markt für grenzüberschreitende Investitionen behaupten wollen, sind sie – wie jeder Akteur am Kapitalmarkt – vor allem auf eine dauerhaft gute Reputation angewiesen. Das verstärkte Auftreten von Sovereign Wealth Funds kann jedoch zu Misstrauen in den Zielländern von Investitionen führen, insbesondere wenn Unsicherheit über ihre Investitionsmotive, Anlagestrategie und -volumina herrscht. Ursache dieser Unsicherheit ist vor allem mangelnde Transparenz. Mit Blick auf Sovereign Wealth Funds besteht weitgehend Unkenntnis über ihre Governance, ihre Managementstrukturen, ihre Finanzierung, ihre Beteiligungshöhe in Unternehmen und ihre Interaktion untereinander.

3. Welche Schutzinstrumente haben wir bereits?

Bereits heute besteht eine Vielzahl rechtlicher Instrumente, um ein missbräuchliches Verhalten von Marktteilnehmern wirkungsvoll zu sanktionieren. Zentrales Lenkungs- und Ordnungselement unserer Marktwirtschaft ist der wirtschaftliche Wettbewerb. Er ist durch die einschlägigen Regelungen des Kartell- und Wettbewerbsrechts gesetzlich abgesichert. Zur Aufrechterhaltung eines funktionsfähigen Marktes sind diese Instrumente besser geeignet als Investitionsbeschränkungen.

Darüber hinaus ist zum Beispiel der Transfer von bestimmter sensibler Technologie (sowohl von Gütern als auch von Know-how) ins Ausland bereits durch Exportkontrollvorschriften geregelt – unabhängig von der Eigentümereigenschaft. Und Verpflichtungen zur „Grundversorgung“ mit Netzdienstleistungen ergeben sich aus den geltenden gesetzlichen Bestimmungen und aus den Vorgaben der nationalen und internationalen Regulierungsbehörden. Außerdem bestehen gesellschaftsrechtliche Instrumente, mit denen Unternehmen die jeweiligen Teilhaberstrukturen selbst gestalten können, sei es durch die Wahl der Rechtsform oder die Ausgestaltung der mit den Unternehmensanteilen verbundenen (Stimm-)Rechte. Unsere Wirtschaft ist also keineswegs schutzlos den Interessen einzelner Marktteilnehmer ausgeliefert.

4. Welche Probleme sind mit einer Beschränkung ausländischer Investitionen verbunden?

In einer freiheitlichen und wettbewerblich organisierten Wirtschaftsordnung sollte das Primat privatwirtschaftlichen Handelns gelten. Regulierende Eingriffe in das Marktgeschehen sind daher stets einem strengen Begründungszwang zu unterwerfen. Aus diesem Grund sollte die Politik in einem ersten Schritt analysieren, ob und wie eine Beschränkung von Beteiligungen etwaige unerwünschte Effekte ausländischer Engagements überhaupt verhindern kann. Immerhin betrifft die Prüfung einer Beteiligung die Eigentümerstruktur des Unternehmens, kann aber ein unerwünschtes Verhalten kaum verlässlich antizipieren oder – im Falle einer unbeanstandeten Beteiligung – im Nachhinein nur schwer unterbinden. Sollte sich der Gesetzgeber dennoch für eine Beschränkungsmöglichkeit bei ausländischen Beteiligungen entscheiden, müssten in einem zweiten Schritt eine Vielzahl von Abgrenzungs- und Definitionsproblemen gelöst werden: Welches sind die „sensiblen“ Bereiche der Wirtschaft, bei denen ausländische Beteiligungen staatlich kontrolliert werden sollen? Branchen- oder Größenklassendefinitionen bieten hierbei keine Hilfe. Wer ist als Eigentümer dieser Bereiche akzeptabel: der deutsche Staat, deutsche Staatsbürger, deutsche Unternehmen, andere ausländische Unternehmen, Aktionäre oder Beteiligungsfonds? Hinzu kommen praktische Probleme bei der Entscheidung, wann ein Investor „ausländisch“ ist – insbesondere bei komplexen Eigentümerstrukturen wie z. B. international aufgestellten Fondsgesellschaften oder multinationalen Unternehmen. Außerdem gilt zu berücksichtigen, dass Art. 58 Abs. 3 EG-Vertrag eine Diskriminierung einzelner Investoren nach Art und Herkunft untersagt. An Sovereign Wealth Funds können daher keine anderen Anforderungen gestellt werden als an andere (europäische) Investoren. Unabhängig von solchen Abgrenzungsfragen gilt in der Debatte um „unerwünschte“ ausländische Direktinvestitionen, was auch bei anderen internationalen Regulierungsfragen feststeht: Nationale „Lösungen“ beeinträchtigen in erster Linie die Attraktivität des Wirtschafts- und Investitionsstandortes Deutschland. Eigenständige, nationale Ansätze sind daher äußerst kritisch zu bewerten. Sie würden ähnlichen Aktivitäten im Ausland Vorschub leisten und so einen Protektionswettlauf in Gang setzen. Das hätte gravierende ökonomische und politische Folgen für ein besonders stark in die globale Wirtschaft eingebundenes Land wie Deutschland.

5. Was erwartet die Wirtschaft von der Politik?

Ungeachtet der geschilderten komplexen Fragestellungen sieht sich die deutsche Politik gefordert, Maßnahmen zu ergreifen, um einer Gefährdung durch Staatsfonds und ausländische Beteiligungen entgegen zu treten. Dies ist nachvollziehbar, zumal andere Länder bereits Prüf- und Einspruchsrechte etabliert haben. Dies geschah jeweils vor dem Hintergrund der heimischen Situation. Auch Deutschland wird seinen eigenen Weg zum Umgang mit der Thematik finden müssen; eine Kopie ausländischer Ansätze wird an der Verschiedenheit der gesellschaftlichen, rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen scheitern.

Erst nach einer präzisen Analyse, welche Gefahren bei ausländischen Beteiligungen gesehen werden und welche nationalen Interessen zu schützen sind, wird es möglich sein, eine praxistaugliche Regelung auf der Basis eines objektivierbaren Orientierungsmaßstabs für zukünftige Entscheidungen zu schaffen. Industriepolitische Überlegungen und diffuse Globalisierungsängste dürfen dabei keine Rolle spielen. Nur dies entspricht unserer freiheitlichen Grundordnung und den europarechtlichen Vorgaben der Kapitalverkehrsfreiheit. Anschließend wäre zu prüfen, welches die geeignten gesetzlichen Instrumente sind, mit denen die skizzierten Abgrenzungs- und Definitionsprobleme vermieden werden können. Hierbei sollte ein Höchstmaß an Transparenz und damit Planungs- und Rechtssicherheit für die Investoren gewährleistet werden. Darüber hinaus muss sich der Gesetzgeber am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientieren. Beschränkungsmöglichkeiten für ausländische Investoren sollten nur unter möglichst klar kalkulierbaren Voraussetzungen zulässig sein und sich an einer engen Definition der „nationalen Sicherheit“ orientieren. Überzogene Regelungen und unklare Entscheidungskriterien würden der Attraktivität des Investitionsstandorts Deutschland schaden und unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit gefährden.

Die spezifische Herausforderung von Sovereign Wealth Funds ist kein rein nationales Problem. Auf dem G8-Gipfel in Heiligendamm haben die Staats- und Regierungschefs entschieden, „(…) mit der OECD und anderen Foren zusammenarbeiten, um unser gemeinsames Verständnis der Transparenzgrundsätze für marktorientierte grenzüberschreitende Investitionen sowohl privatwirtschaftlicher als auch staatlicher Unternehmen weiterzuentwickeln.“ G8, OECD und IWF sind daher gefordert, sich der mangelnden Transparenz und fehlenden Rechenschaftspflicht von Sovereign Wealth Funds anzunehmen. Nur auf internationaler Ebene können letztlich Lösungen gefunden werden, die die Investitionsfreiheit nicht belasten.

Fazit

Deutschland ist auf ausländische Investitionen angewiesen und muss auch in Zukunft attraktiv für ausländische Unternehmen und Kapitalanleger bleiben. Die aktuelle Debatte zum Schutz vor „unerwünschten“ ausländischen Investoren muss nüchtern und sachbezogen geführt werden. Industriepolitischen Absichten und diffusen Globalisierungsängsten ist eine klare Absage zu erteilen.

Um dem Risiko überzogener, protektionistischer Schutzmaßnahmen zu begegnen, sollten Regeln nur insofern geschaffen werden, als die bestehenden Instrumente nicht ausreichen, um begründeten Gefahren zu begegnen. Dies sollte zunächst eingehend untersucht werden. Kommt die Politik anschließend zu der Überzeugung, dass gewisse Neuregelungen notwendig sind, ist hierbei vor allem auf ein hohes Maß an Transparenz sowie Planungs- und Rechtssicherheit für die Investoren zu achten. Dies setzt voraus, dass möglichst klare und bereits im Vorfeld kalkulierbare Regeln aufgestellt werden, mit denen entschieden wird. Intransparenz und Rechtsunsicherheit würden hingegen die Vorteile, die Deutschland bislang mit seinem offenen Investitionsklima erzielen konnte, aufs Spiel setzen.

Unabhängig von den Entscheidungen auf nationaler Ebene ist die Bundesregierung in ihren Bemühungen um gemeinsame Lösungen auf internationaler Ebene zu unterstützen. Hier gilt es, sich mit Nachdruck für Investitionsfreiheit, einheitliche „Spielregeln“ und mehr Transparenz bei Staatsfonds einsetzen.



Herr Dr. Peter Schwark
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