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10.04.2006 - dvb-Presseservice

Föderalismusreform bedeutet massiven Rückschritt für Behinderte

Der Deutsche Behindertenrat ist alarmiert. „Durch die Föderalismusreform droht ein schwerer Rückschlag für die Rechte behinderter Menschen“, erklärt die Sprecherratsvorsitzende Brigitte Setzer-Pathe. „Es muss dringend Änderungen bei der Föderalismusreform geben, sonst wird das Bundesgleichstellungsgesetz  ausgehöhlt. Der Deutsche Behindertenrat fordert die Abgeordneten im Deutschen Bundestag nachdrücklich auf, die Föderalismusreform so zu gestalten, dass es nicht zu nachteiligen Auswirkungen für behinderte Menschen kommt.“

Gravierende Auswirkungen auf die Rechte behinderter Menschen ergeben sich durch die Veränderung der Zuständigkeit in folgenden Bereichen: Gaststättengesetz, Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz, Heimrecht, Hochschulrahmenrecht sowie der Art. 84 des Grundgesetzes (Verfahrensgesetz).

Das Gaststättengesetz und das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz sind für die Sicherstellung der Barrierefreiheit von herausragender Bedeutung. Das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz hat sich in den vergangenen Jahren als das bedeutendste Instrument zur Herstellung barrierefreier Lebensverhältnisse im öffentlichen Raum erwiesen. Dies betrifft zum Beispiel den Bau von Gehwegen und Straßen sowie den Öffentlichen Nahverkehr.

Nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz ist eine möglichst weit reichende Barrierefreiheit Voraussetzung für Finanzhilfen des Bundes an die Kommunen. Der Entwurf für das Föderalismusreform-Begleitgesetz sieht zwar einen Ausgleich für den Wegfall der Finanzhilfen vor, aber die Zweckbindung an die Herstellung der Barrierefreiheit und die Beteiligung behinderter Menschen an der Planung entfällt. Die gesetzlichen Regelungen der Bundesländer zur Herstellung von Barrierefreiheit können diese Lücke nicht schließen. Keines der Gleichstellungs-, Nahverkehrs-, oder Straßengesetze der Bundesländer sieht eine dem § 3 Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz gleichwertige Regelung vor. Diese Regelung muss weiterhin volle Gültigkeit behalten.

Nach dem Gaststättengesetz kann die Erlaubnis zum Betrieb einer Gaststätte versagt werden, wenn die für Gäste bestimmten Räume nicht barrierefrei sind. Die Übertragung des Gaststättengesetzes auf die Bundesländer wäre daher ein schwerer Rückschlag für die gleichberechtigte und selbstbestimmte Teilhabe behinderter Menschen am Leben in unserer Gesellschaft.

Die Föderalismusreform sieht außerdem vor, dass die Bundesländer bei der Hochschulzulassung und den Hochschulabschlüssen vom Bundesrecht abweichen können. Dies betrifft auch das Hochschulrahmengesetz, das im Zuge des Behindertengleichstellungsgesetzes ergänzt wurde. Danach tragen die Hochschulen dafür Sorge, dass behinderte Studierende in ihrem Studium nicht benachteiligt werden und die Hochschule möglichst ohne fremde Hilfe in Anspruch nehmen können. Die Prüfungsordnungen müssen die besonderen Belange behinderter Studierender zur Wahrung ihrer Chancengleichheit berücksichtigen. Künftig können die Länder diese Regelungen ändern. Der Deutsche Behindertenrat befürchtet daher, dass sich die Studienbedingungen behinderter Menschen verschlechtern.

Auch die Änderung von Art. 84 Grundgesetz (Verfahrensgesetz) stößt auf schwere Bedenken des Deutschen Behindertenrats. Danach können die Länder die Einrichtung der Behörden und das Verwaltungsverfahren selbst regeln, wenn sie Bundesgesetze als eigene Angelegenheit ausführen. Der Deutsche Behindertenrat sieht die große Gefahr, dass die durch das SGB IX geschaffenen gemeinsamen Verfahrensvorschriften zur Durchführung des Gesetzes für die Träger der Sozialhilfe und der öffentlichen Jugendhilfe ins Leere laufen. Dies gilt insbesondere für die Verfahrensvorschriften zum trägerübergreifenden Persönlichen Budget. Gefährdet wäre zudem die Arbeit der gemeinsamen Servicestellen der Rehabilitationsträger, die u. a. die Integration behinderter Menschen in das Berufsleben sicherstellen sollen.

„Die Neufassung des Artikel 84 GG würde somit den wichtigen Zielen des SGB IX zur Teilhabe behinderter Menschen zuwiderlaufen“, warnt die DBR-Sprecherratsvorsitzende Brigitte Setzer-Pathe. Der Deutsche Behindertenrat fordert hier eine gesetzgeberische Klarstellung, wonach das SGB IX ein Ausnahmefall im Sinne des Artikels 84 GG ist. Damit wäre gesichert, dass hier ausschließlich Bundesrecht gilt. Schwere Bedenken hat der Deutsche Behindertenrat auch gegen die Übertragung des Heimrechts vom Bund auf die Länder. Es besteht die Gefahr, dass dies zu unterschiedlichen Qualitätsstandards in Pflegeheimen und Heimen für behinderte Menschen führt. Dies ist für den Deutschen Behindertenrat in keiner Weise akzeptabel.



Frau Dorothee Winden
Tel.: 030/72 62 22 129/ Sekretariat -123
Fax: 030/72 62 22 328
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Deutscher Behindertenrat
c/o Sozialverband Deutschland (SoVD)
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