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13.01.2009 - dvb-Presseservice

Haftungsrisiko betriebliche Altersversorgung? Bundesarbeitsgericht kann Rechtsunsicherheit nach Revisionsrücknahme nicht beseitigen

Nürnberg/Hof, 13.01.2009: Am 14. Januar 2009 sollte das Bundesarbeitsgericht in Erfurt darüber entscheiden, ob ein Arbeitnehmer Schadenersatzansprüche gegen den Arbeitgeber geltend machen kann, wenn er frühzeitig aus einem Vertrag zur Entgeltumwandlung ausscheidet und dessen Rückkaufswert weit unter dem Wert des eingezahlten Kapitals liegt, das ihm von seinem Lohn einbehalten wurde. Das Urteil hätte endlich Rechtssicherheit für Unternehmen wie Arbeitnehmer schaffen können. Doch die Revision des Urteils des Landesarbeitsgerichts München vom 15. März 2007 (4 Sa 1152/06) wurde überraschend zurückgenommen. Das LAG-Urteil ist damit rechtskräftig. Damit drohen Unternehmen, die den Aufbau einer betrieblichen Altersversorgung über die Entgeltumwandlung ermöglicht haben, weiterhin erhebliche Haftungsrisiken.

„Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts hätte die bestehende Rechtsunsicherheit beseitigen und so Klarheit für Arbeitnehmer und Arbeitgeber schaffen können“, erklärt Michael S. Braun, Rechtsanwalt und Experte für betriebliche Altersversorgung bei Rödl & Partner. „Denn die Kernfrage, ob die gesetzlich geforderte Wertgleichheit eine jederzeitige Rückzahlung der umgewandelten Beiträge voraussetzt, wird derzeit von den Arbeitsgerichten unterschiedlich beurteilt.“ So hielt beispielsweise das LAG Köln bei gezillmerten Lebensversicherungs­verträgen unter Hinweis auf die Langfristigkeit von Altersvorsorgeverträgen Wertgleichheit im Sinne des Gesetzes durchaus für möglich, wobei in diesem Fall der Rückkaufswert aber nur ca. 30 Prozent hinter dem ungezillmerten Deckungskapital zurückgeblieben war.

Das vorinstanzliche Urteil des LAG München hatte viel Wirbel ausgelöst. Eine Arbeitnehmerin hatte via Entgeltumwandlungsvereinbarung monatlich 178 Euro in eine Unterstützungskasse eingezahlt, von der sie später eine Rente erhalten sollte. Als sie die Vereinbarung vorzeitig kündigte, wurde ihr ein Restwert in Höhe von 639 Euro abzüglich Verwaltungsgebühr benannt, gerade 10 Prozent der bereits eingezahlten 6230 Euro. Daraufhin klagte die Arbeitnehmerin gegen den Arbeitgeber auf Erstattung der Differenz. Das Arbeitsgericht hatte die Klage abgewiesen. Das LAG München änderte das Urteil und gab der Klägerin Recht.

Die wünschenswerte Rechtssicherheit und Klarheit könnte nur ein Urteil des BAG bringen. Würde dieses einen Haftungsanspruch gegen den Arbeitgeber bestätigen, müssten die Unternehmen für die Verwaltungskosten der betrieblichen Altersversorgung aufkommen. „Dies wäre ein herber Schlag für die Betroffenen“, so Braun. „Der Bereitschaft der Unternehmen, die betriebliche Altersversorgung zu fördern, würde dadurch in Frage gestellt. Zudem kämen auf sie für bereits bestehende Vereinbarungen zur Entgeltumwandlung erhebliche Kosten zu.“

Grund für die hohe Differenz zwischen Einzahlung und Rückkaufwert ist die so genannte „Zillmerung“ beim Abschluss von Lebensversicherungsverträgen vieler Versicherungen. Bei diesen werden mit den eingezahlten Beiträgen zunächst die Abschlusskosten getilgt, die im Wesentlichen aus den Vertriebs- und Akquisitionskosten des Versicherungsunternehmens bestehen, bevor die Beiträge zum Aufbau eines Deckungskapitals für die Altersversorgung führen. Allerdings dürften nach Berechnungen von Rödl & Partner im Fall des LAG München auch Beiträge für einen Invaliditäts- bzw. Berufsunfähigkeitsschutz gezahlt worden sein. Diese Verträge sind in der Regel nicht gezillmert, ein vorzeitiger Rückkauf ist hier nicht möglich.

Der Gesetzgeber hat gehandelt. Nach dem neuen Versicherungsvertragsgesetz müssen seit dem 01.01.2008 die Abschlusskosten auf mindestens 10 Jahre verteilt werden. „Die Rechtsunsicherheit wird damit aber noch lange nicht vollständig beseitig“, so Braun.

Arbeitgebern ist zu raten, ihre Entgeltumwandlungsvereinbarungen zu prüfen um etwaige Haftungsrisiken zu ermitteln. Auch unter Einbeziehung der Versicherungen sollten geeignete Maßnahmen ergriffen werden, die Risiken zu minimieren. Um der weiterhin bestehenden Rechtsunsicherheit zu begegnen, sollten bereits abgeschlossene Versicherungsverträge gegebenenfalls nachverhandelt und bei Neuabschlüssen auf gezillmerte Lebensversicherungsverträge verzichtet werden. „In jedem Fall sollte arbeitgeberseitig ein Rückkauf von Entgeltumwandlungsverträgen mit gezillmerten Tarifen, etwa während der Laufzeit des Arbeitsverhältnisses, vermieden werden“, so Braun.  

Viele Versicherer haben bereits angekündigt, den Arbeitgeber von der Haftung freizustellen, sollte dieser von ausgeschiedenen Arbeitnehmern in Anspruch genommen werden. „Schon jetzt hat die Versicherungswirtschaft aber reagiert und zur Vermeidung weitergehender Risiken ihr Produktportfolio angepasst“, so Braun.




Herr Michael S. Braun
Rechtsanwalt, Wirtschaftsjurist (Univ. Bayreuth)
Tel.: +49 (92 81) 607-270
Fax:
E-Mail: michael.braun@roedl.com


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