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07.02.2007 - dvb-Presseservice

Nationaler Ethikrat legt Stellungnahme "Prädiktive Gesundheitsinformationen beim Abschluss von Versicherungen" vor

Nach intensiven Beratungen veröffentlicht der Nationale Ethikrat am heutigen Donnerstag seine Stellungnahme zu prädiktiven Gesundheitsinformationen im Versicherungswesen.

Gegenstand dieser Stellungnahme ist die Frage, inwieweit es zulässig sein soll, dass Versicherungsunternehmen den Abschluss bzw. die Prämienhöhe privater Personenversicherungsverträge von der Erhebung und Nutzung prädiktiver Gesundheitsinformationen der Antragsteller abhängig machen. Die Stellungnahme bezieht sich nicht auf gesetzliche Versicherungen, z. B. die gesetzliche Kranken- oder Rentenversicherung.

Mit genetischen Untersuchungen, aber auch mit anderen diagnostischen Verfahren der modernen Medizin können gesundheitliche Risiken oder Krankheiten lange vor ihrer Manifestation vorhergesagt werden. Vor diesem Hintergrund empfiehlt der Ethikrat, dass die im Folgenden genannten Regelungen zum Schutz der Persönlichkeitsrechte des Antragstellers nicht nur auf Ergebnisse genetischer Untersuchungen, sondern auch auf Ergebnisse anderer vorhersagender Untersuchungen (z. B. bildgebende Verfahren, biochemische und elektrophysiologische Methoden) angewendet werden.

Der Versicherer sollte nur Informationen zur Gesundheit des Antragstellers erheben dürfen, insofern sie für den einzelnen Versicherungsvertrag erforderlich sind und sich aus den Angaben des Antragstellers konkrete Hinweise auf Risiken aus Vorerkrankungen, aktuelle Erkrankungen, gegebenenfalls auch Fragen des gesundheitsrelevanten Lebensstils ergeben.

Der Ethikrat befürwortet die Aufrechterhaltung der freiwilligen Selbstverpflichtungserklärung, derzufolge die Mitgliedsunternehmen des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. - bisher bis zum 31. Dezember 2011 - auf die Mitteilung und Berücksichtigung der dem Antragsteller bekannten Ergebnisse von prädiktiven genetischen Tests verzichten. Das Moratorium sollte jedoch auf prädiktive genetische Informationen ausgedehnt werden, die der Antragsteller auf andere Weise als durch eine molekular- oder zytogenetische Untersuchung erworben hat, etwa aus biochemischen Untersuchungen oder der Familienanamnese.

Eine allgemeine Befragung der behandelnden Ärzte ohne konkrete Hinweise auf eine Krankheit oder ein Krankheitsrisiko sollte unzulässig sein. Eine Entbindung von der Schweigepflicht und die Auskunft der behandelnden Ärzte müssen sich auf einen konkreten Sachverhalt beziehen, zu dem der Versicherer im Rahmen der Risikoprüfung Auskunft verlangen darf.

Das Recht der Versicherer, zur Risikoprüfung eine medizinische Untersuchung des Antragstellers zu verlangen, ist deutlich einzuschränken. Bei "normalen" Versicherungsverträgen (ohne ungewöhnlich hohe Versicherungssummen) sollten Untersuchungen und Erhebungen zur Ermittlung von bestehenden Krankheiten und gesundheitlichen Risiken, die dem Antragsteller nicht bekannt sind und für die es keine konkreten Hinweise aus der Vorgeschichte oder aufgrund seines gegenwärtigen Zustands gibt (sog. Suchverfahren), grundsätzlich ausgeschlossen sein. Das gilt insbesondere auch für Fragen nach der Familienanamnese. Als "normale" Versicherungsverträge sollten Verträge zur Deckung der im Krankheitsfall entstehenden Kosten für die ärztliche Behandlung und andere Heilmaßnahmen gelten sowie Verträge, bei denen die Versicherungsleistung in einer einmaligen Kapitalauszahlung, einer Altersrente, Berufs- oder Erwerbsunfähigkeitsrente oder in einer Pflegerente bis zu einer bestimmten Höhe besteht.

Die hier für den "Normalfall" der Versicherung geforderten Beschränkungen des Frage- und Untersuchungsrechts der Versicherer sollten nicht gelten, wenn Versicherungsleistungen oberhalb des Üblichen vereinbart werden sollen.

Um die in dieser Stellungnahme empfohlenen Beschränkungen der Erhebung und Nutzung voraussagender Gesundheitsinformationen beim Abschluss privater Personenversicherungen zur Geltung zu bringen, bedarf es nicht zwingend einer umfassenden gesetzlichen Regelung. Die Rechtsprechung kann durch Interpretation des bestehenden Rechts im Sinne der Empfehlungen wirken. Auch kann die Versicherungswirtschaft die Empfehlungen faktisch umsetzen und in der Praxis durch Mustervertragsbedingungen und Selbstverpflichtungserklärungen verlässlich machen.

Die Stellungnahme "Prädiktive Gesundheitsinformationen beim Abschluss von Versicherungen" ist online verfügbar unter http://www.ethikrat.org/stellungnahmen/stellungnahmen.html.



Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Frau Ulrike Florian
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