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04.10.2007 - dvb-Presseservice

Pflegebedürftige müssen bei Qualitätsstandards mitentscheiden

Zum Referentenentwurf der Pflegereform erklärt SoVD-Präsident Adolf Bauer:

Der Referentenentwurf zum Pflege-Weiterentwicklungsgesetz enthält Licht und Schatten. Der SoVD sieht positive Ansätze, hat aber bei zahlreichen Details erhebliche Bedenken. In folgenden Punkten sieht der SoVD Nachbesserungsbedarf:

1. Der SoVD fordert ein Mitentscheidungsrecht der Pflegebedürftigen bei Qualitätsmaßstäben

Grundsätzlich gilt, dass Qualitätsmaßstäbe nicht verhandlungsfähig sind, sondern nur Ergebnis pflegewissenschaftlicher Erkenntnisse sein können. Gleichwohl sieht die Pflegereform vor, dass die Anbieter der Pflegeleistungen, die Pflegekassen und die Kommunen gemeinsam über die Qualitätsmaßstäbe entscheiden, die Vertreter der Pflegebedürftigen aber lediglich beteiligt werden. Damit wird ein ungleiches Kräfteverhältnis zementiert. Es darf nicht über die Köpfe der Pflegebedürftigen hinweg entschieden werden. Der SoVD fordert, dass die Interessenvertreter der Pflegebedürftigen gleichberechtigt über Qualitätsmaßstäbe mitentscheiden.

2. Fallmanagement

Die Pflegekassen sind bereits jetzt zur umfassenden, individuellen Beratung der Pflegebedürftigen verpflichtet, sie kommen dieser Aufgabe aber nur unzureichend nach. Wie dieses Umsetzungsdefizit behoben werden soll, wenn das Fallmanagement den Pflegekassen übertragen wird, ist unklar. Der SoVD hält es für grundlegend problematisch, das Fallmanagement bei den Pflegekassen anzusiedeln. Der SoVD fordert eine unabhängige Beratung, die nicht von den Interessen eines Kostenträgers beeinflusst ist.

3. Pflegezeit

Wir begrüßen, dass mit der Pflegereform ein Vorschlag des SoVD für die Einführung einer Pflegezeit aufgegriffen wird. Die Pflegezeit ist ein wichtiger Beitrag zur Stärkung der häuslichen Pflege und zur besseren Vereinbarkeit von Pflege und Berufstätigkeit. In einigen Punkten sieht der SoVD beim Referentenentwurf noch Nachbesserungsbedarf: Der SoVD fordert, dass die Pflegezeit für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gelten muss, also auch für Betriebe mit weniger als zehn Beschäftigten. Der SoVD fordert zudem, dass die Pflegezeit auch für die Sterbebegleitung gelten muss.

Der SoVD sieht außerdem Nachbesserungsbedarf bei der Regelung zur Rentenversicherung. Wer die Pflegezeit in Anspruch nimmt, ist nur dann in der Rentenversicherung abgesichert, wenn der Pflegebedürftige in einer Pflegestufe eingruppiert ist. Die Pflegezeit kann aber auch in Anspruch genommen werden, wenn eine Pflegebedürftigkeit absehbar ist, aber noch keine Pflegestufe vorliegt. Es muss sichergestellt werden, dass die Weiterversicherung in der Rentenversicherung für alle gilt, die eine Pflegezeit in Anspruch nehmen.

4. Dynamisierung

Die geplante Dynamisierung der Leistungen ist ein richtiger Schritt, aber nicht ausreichend. Die geplante Erhöhung reicht nicht aus, um die fehlende Dynamisierung und die Preisentwicklung der letzten Jahre auszugleichen. Die für 2015 geplante Dynamisierung kommt für die Betroffenen zu spät. Der SoVD fordert eine jährliche Dynamisierung der Pflegeleistungen ab 2012.

5. Veröffentlichung der Prüfberichte

Es ist überfällig, dass die Prüfberichte des MDK in verständlicher Form öffentlich gemacht werden. Damit entsteht für Pflegebedürftige und ihren Angehörigen erstmals Transparenz über die Qualität von Pflegeheimen und ambulanten Diensten. Damit wird eine langjährige Forderung des SoVD erfüllt. Der SoVD lehnt es aber ab, dass die Pflegeanbieter das Recht erhalten sollen, über die Art der Veröffentlichung der Prüfberichte mitzuentscheiden.

6. Stärkere Kontrollen der Pflegeeinrichtungen

Derzeit werden Pflegeheime und ambulante Dienste ca. alle fünf Jahre kontrolliert; künftig sollen sie alle drei Jahre kontrolliert werden. Das ist immer noch zu wenig. In drei Jahren kann sich vieles ändern. Der SoVD fordert jährliche Kontrollen, die grundsätzlich unangemeldet erfolgen müssen. Der SoVD lehnt es ab, dass sich der Prüfturnus verlängert, wenn sich die Pflegeeinrichtung einer „hauseigenen“ Prüfung unterzieht.

7. Recht auf Pflegekräfte des eigenen Geschlechts

Der SoVD fordert, dass dem berechtigten Wunsch von Pflegebedürftigen nach einer Pflegekraft des eigenen Geschlechts entsprochen werden muss.

Die Neuregelung in § 2 des Referentenentwurfs ist ein Rückschritt gegenüber dem in § 9 Abs.1 SGB IX verankerten Wunsch- und Wahlrecht. In § 2 des Referentenentwurfs heißt es: „Wünsche der Pflegebedürftigen nach gleichgeschlechtlicher Pflege sollen nach Möglichkeit Berücksichtigung finden.“ Damit werden die berechtigten Interessen der Pflegebedürftigen nach einer Pflegekraft gleichen Geschlechts den organisatorischen Belangen der Pflegeeinrichtung untergeordnet. Das ist nicht akzeptabel.

8. Charta der Rechte hilfe- und pflegebedürftiger Menschen

Der SoVD fordert, dass die Charta der Rechte hilfe- und pflegebedürftiger Menschen einschließlich der Begründung in die Pflegereform aufgenommen wird. Die Charta der Rechte hilfe- und pflegebedürftiger Menschen muss verbindliche Leitlinie für Pflegeheime und ambulante Dienste werden. Die Charta wurde vom Runden Tisch Pflege im September 2005 verabschiedet. Der Runde Tisch Pflege wurde im Herbst 2003 durch das BMFSFJ und das BMGS initiiert.

Die elfseitige Stellungnahme des SoVD zum Referentenentwurf der Pflegereform finden Sie unter www.sovd.de



Frau Dorothee Winden
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