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14.11.2008 - dvb-Presseservice

Pflegemarkt in Bewegung – aber wohin?

bpa präsentiert erste Studie zu Bestimmungsfaktoren: Demographie, Marktstruktur, Gesetzgebung, Angebot und Nachfrage

Dass angesichts einer alternden Gesellschaft der Bedarf an Pflege belegbar steigt, liegt auf der Hand: Im stationären Bereich wird zum Beispiel erwartet, dass bis zum Jahr 2020 rund 220.000 neue Heimplätze erforderlich werden. Dies würde einem Investitionsbedarf von ca. 16 Mrd. Euro entsprechen und eine Erhöhung des Marktvolumens auf gut 24 Mrd. Euro (Steigerung um 40 %) zur Folge haben. Eine Steigerung des Marktvolumens auf sogar 10 Mrd. Euro (plus 55%) wird der ambulanten Pflege prognostiziert; insbesondere zeichnet sich in diesem Bereich ein überproportionales Wachstum der Nachfrage von Haushalts- und Beratungsdienstleistungen ab. Erwartet wird auch, dass es zunehmend die privaten Anbieter sind, die den wachsenden Bedarf schultern und somit mittelfristig in allen Bereichen der Pflege ihren Marktanteil ausbauen. 

Diese und weitere Zahlen, Trends und Entwicklungen gehen aus einer wissenschaftlichen Studie der Fakultät für Soziale Arbeit an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt und der Qualidata GmbH auf Initiative des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste e. V. (bpa) hervor. Titel: „Bestimmungsgrößen für das Marktgeschehen in der Pflege“. bpa-Präsident Bernd Meurer: „Der Markt für soziale Dienstleistungen ist ein Wachstumsmarkt und daher stark in Bewegung, das ist bekannt. Die entscheidenden Fragen sind nun: Wohin entwickelt sich der Markt? Welche Einflussfaktoren bestimmen Anbieter und Nachfrager? Wie wirkt sich das neue politische Umfeld (Stichwort: Pflegereform 2008) auf die Teilnehmer aus? Der vorliegende Bericht gibt darauf erstmals Antworten.“

Die Studie widmet sich zunächst den Rahmenbedingungen, die den Pflegemarkt und seine Teilnehmer maßgeblich prägen. Das sei neben der demographischen Entwicklung und ihren Folgen sowie der Marktstruktur (zu beiden Faktoren liefert die Untersuchung eindeutige Kennzahlen) vor allem das geltende Recht, sagt Prof. Stefan Schieren von der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, einer der beiden Autoren der Studie, mit Verweis auf die jüngste Pflegereform: „Das Pflege-Weiterentwicklungsgesetz enthält zahlreiche Elemente, die das Verhalten der Marktteilnehmer beeinflussen dürften.“ So ziele ein ganzes Bündel von Maßnahmen insbesondere auf die Stärkung der ambulanten Pflege ab: von einer Erhöhung und Dynamisierung der Leistungen insbesondere in der Pflegestufe II sowie der Bereitstellung zusätzlicher Betreuungsleistungen für Demenzerkrankte bis hin zu einer verbesserten steuerlichen Abzugsfähigkeit für Dienstleistungen in Privathaushalten zur Erleichterung der Anstellung von qualifiziertem Personal und damit auch zur Eindämmung der Schwarzarbeit. Prof. Schieren: „Die Marktteilnehmer können sich darauf verlassen, dass die Leistungen aus der Pflegeversicherung angepasst werden und es aufgrund der Inflation nicht mehr so leicht zu einer realen Leistungskürzung kommen wird.“ Dies gelte, wenn auch in geringerem Umfang, auch für die stationären Sachleistungsbeträge in der Stufe III und in Härtefällen der Stufe III. 

Eine der maßgeblichen Unsicherheiten bei der Ermittlung zuverlässiger Bestimmungsgrößen für das Marktgeschehen in der Pflege ist laut dem Bericht das un-klare Entscheidungsverhalten der Nachfrager, also der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen. Entscheidend ist somit die Beantwortung der Frage, aus welchen Motiven heraus sich hilfebedürftige Menschen für bestimmte Angebote entscheiden. Hier spiele eine Verschiebung der Interessen und Prioritäten im Alter (die auch das Entscheidungsverhalten beeinflusse) ebenso eine Rolle wie die Entwicklung der Einkommens- und Vermögenslage (auch hierzu legt die Untersuchung konkrete Zahlen vor) sowie in besonderem Maße ein Rückgang des privaten Unterstützerumfeldes. Prof. Schieren: „Als Folge rückläufiger Geburtenzahlen und eines weiterhin steigenden Anteils berufstätiger Frauen wird es zunächst schleichend, ab 2025/30 zu einem merklichen Rückgang des privaten Unterstützerumfeldes kommen. Mit einer erhöhten Nachfrage nach professionellen Dienstleistungen ist somit zu rechnen.“

Dabei ließe sich die Tendenz erkennen, dass für die Angehörigen der  Pflegebedürftigen die realen Kosten, gefolgt von den Opportunitätskosten (Zeitaufwand, Verfügbarkeit) den stärksten Einfluss haben. Von nachrangiger Bedeutung seien dagegen die Fachlichkeit und die Sprachkenntnisse der Betreuungsperson. bpa-Präsident Bernd Meurer: „Diese düsteren Erkenntnisse bestätigen unsere Annahme eines mangelnden Unrechtsbewusstseins bei der Schwarzarbeit: Weder die privaten Haushalte noch die dort illegal Beschäftigten sind ernsthaft besorgt. Offenbar sind der Kostendruck auf der einen und der finanzielle Anreiz auf der anderen Seite groß genug, um über erwartbare Schäden und Sanktionen hinweg zu sehen.“ 

Welchen Einflüssen die Leistungsanbieter unterworfen sind, bringt die Studie im Zusammenhang mit einer Abschätzung der Marktentwicklungen auf den Punkt. Die Wahrscheinlichkeit, dass man pflegebedürftigen alten Menschen ein passgenaues Angebot unterbreiten kann, sei von bestimmten Voraussetzungen abhängig, so Prof. Schieren. „Sie wird maßgeblich durch qualitative Markteintrittsbarrieren, durch Substitutionsmöglichkeiten einzelner Leistungen, durch die Rentabilitätserwartungen und -chancen kommerzieller Anbieter sowie durch die eigenen Erwartungen an die spezifische Leistung bestimmt.“

Bei einem generell stark wachsenden Bedarf an Pflege und Betreuung werde sich die Nachfrage regional sehr unterschiedlich entwickeln: Hohe Steigerungsraten seien in Regionen mit hoher Abwanderung zu erwarten, weil die pflegenden Angehörigen fehlen. Auch deute die zunehmende Entscheidung für einen spätmöglichsten Umzug in ein Heim bereits heute auf vermehrte Fälle von Schwerstpflegebedürftigkeit in der Häuslichkeit hin. Prof. Schieren: „Auch wegen der finanziellen Anreize im ambulanten Bereich wird der Gang ins Heim tendenziell so spät wie möglich angetreten. Den Heimbetreibern ist zu empfehlen, sich personell und organisatorisch auf die steigende Last in der Intensivpflege einzustellen. Das stellt hohe Anforderungen vor allem an das Personal.“

Auch in der ambulanten Pflege sei zu erwarten, dass der Anteil Demenzkranker steigt; die diesbezüglichen deutlichen Verbesserungen durch die Pflegereform 2008 dürften den Pflegediensten daher in besonderer Weise zugute kommen. Weitere Wegweiser seien der wachsende Bedarf an einfachen Haushaltsdienstleistungen sowie eine Nachfrage nach Beratungsdienstleistungen, die sich laut der Studie sogar überproportional dynamisch entwickelt. Ziel sei es, ein Beratungsangebot nach § 45 SGB XI aufzubauen, das zum Beispiel dem der Schwangeren- oder Erziehungsberatung vergleichbar wäre.




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