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10.05.2006 - dvb-Presseservice

Plädoyer für ein von überflüssigen Fesseln befreites Gesundheitswesen

"Diskussionsdokumente": Unabhängiges Consilium der Bundeszahnärztekammer liefert Anregungen und Impulse zur Gesundheitsreform in Buchform

Als Plädoyer für ein von überflüssigen bürokratischen Fesseln befreites Gesundheitswesen und Impulse für die aktuellen Diskussionen zur Gesundheitsreform verstehen sich die interdisziplinären Anregungen, die die Mitglieder des Consiliums der Bundeszahnärztekammer (BZÄK) mit ihrem ersten Band zur Schriftenreihe "Diskussionsdokumente" heute vorlegen. "Dabei geht es nicht nur um Reformvorschläge zur Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung, sondern auch um die erforderliche Vereinfachung der Organisationsstrukturen sowie des Leistungsrechts im Versicherungssystem oder die Zukunftsperspektiven freiberuflicher Selbstverwaltung unter Berücksichtigung der europapolitischen Dimension", fasst der Koordinator des Consiliums, Prof. Dr. Burkhard Tiemann (Köln), die Bandbreite der Beiträge zusammen.

Das Consilium als wissenschaftlicher Beirat der BZÄK setzt sich aus fünf namhaften und unabhängigen Experten unterschiedlicher Fachrichtungen zusammen, darunter der Vorsitzende des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen, Prof. Dr. Eberhard Wille (Mannheim), sowie der frühere Staatssekretär Prof. Dr. Johann Eekhoff (Köln). Das Gremium tagt seit fünf Jahren regelmäßig und berät den Vorstand der BZÄK bei seinen politischen Entscheidungen.

Die Grenzen nationaler Gestaltungsfreiheit im Gesundheitswesen durch die Vorgaben der EU könnte die Bundesregierung zum Jahresende recht drastisch aufgezeigt bekommen: Die Altersgrenze für Vertragsärzte von 68 Jahren verstößt nach Auffassung von Prof. Dr. Winfried Boecken (Konstanz) eindeutig gegen die Richtlinie zum Verbot der Altersdiskriminierung (2000/78/EG). Ist diese Regelung nicht bis zum 02. Dezember 2006 außer Kraft gesetzt, drohen Regressansprüche der durch den Entzug der Kassenzulassung betroffenen Ärzte und Zahnärzte.

Nicht zuletzt die den Patienten und seinen freien Zugang zu den Gesundheitsmärkten innerhalb der EU in den Vordergrund rückenden aktuellen Urteile des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) haben den nationalen Gestaltungsrahmen bereits verengt. Umso wichtiger sei es, bei den anstehenden Reformen in Deutschland nicht die Vorgaben außer acht zu lassen, die in Brüssel gemacht werden, mahnt der Kölner Sozial- und Verwaltungsrechtler Prof. Tiemann. Vorbildcharakter innerhalb der EU traut Tiemann dem deutschen Gesundheitswesen wegen seines Subsidiaritätsprinzips und den staatsentlastenden Synergien einer funktionalen Selbstverwaltung bei gleichzeitiger Bürgerbeteiligung zu. Diese Aspekte gelte es auch bei einer nationalen Neuordnung des Gesundheitswesens zu berücksichtigen.

Die seit knapp eineinhalb Jahren gültigen befundorientierten Festzuschüsse beim Zahnersatz haben sich bewährt. Sie sollten nach Auffassung von Prof. Dr. Wilfried Wagner (Mainz) als ideale Verknüpfung sozialer und solidarischer Versorgung und Finanzierung bei eingebundener Möglichkeit zu individueller Einzelleistung auch auf die restaurative Zahnheilkunde und Parodontologie ausgeweitet werden. Die Festzuschüsse halten die Balance zwischen drohender Unter- oder Überversorgung.

Unter Ausweitung des echten Wettbewerbs aller Leistungserbringer am Gesundheitsmarkt sowie der gesetzlichen und privaten Krankenkassen sieht Prof. Eekhoff in einer "Privatversicherung für Alle" die Zukunftslösung des deutschen Gesundheitswesens. Eine feste, an der Versicherungsleistung orientierte Prämie für jedes Mitglied auf Basis einer allgemeinen Versicherungspflicht bildet den Finanzsockel. Dabei zahlt der Versicherte in jüngeren Lebensjahren mehr in die Versicherung ein, als er an Leistung beansprucht. Diese angesparten Beträge tragen später zur Beitragsstabilität bei. Wer diese Prämie nicht aufbringen kann, wird aus Steuermitteln unterstützt.

Prof. Wille vergleicht die aktuellen Reformansätze und empfiehlt ebenfalls eine Verstärkung des Wettbewerbs unter Leistungsträgern und Kassen. Einen Wechsel weg von der in den meisten Konzepten bevorzugten Umlagefinanzierung hin zu einer Kapitaldeckung sieht Wille nicht als Allheilmittel für Finanzstabilität. Auch die Kapitaldeckung, der Wille Vorteile gegenüber dem herrschenden System einräumt, kann der verlängerten Lebenszeit nur mit entsprechender Anpassung der Prämien Rechnung tragen.

Das im vergangenen Herbst überraschend verstorbene Consiliumsmitglied Prof. Dr. Peter Tettinger (Köln) hat in einer seiner letzten Arbeiten die verfassungsrechtlichen Vorgaben einer Umgestaltung des Gesundheitswesens anhand der Modelle Bürgerversicherung und Kopfpauschale untersucht. Erhebliche verfassungsrechtliche Vorbehalte meldet er gegenüber Bürgerversicherungsmodellen unter Zugrundelegung aller Einkommensquellen bzw. Ausweitung der Pflichtmitgliedschaft in der Gesetzlichen Krankenversicherung an. Auch Tettinger empfiehlt dringend, das europäische Gemeinschaftsrecht bei der Gestaltung des deutschen Gesundheitswesens immer im Blick zu halten.



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