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09.10.2006 - dvb-Presseservice

Politik organisiert Altersarmut!

Pflegeversicherung darf nicht 350.000 Heimbewohnerinnen und Heimbewohner zu Sozialhilfeempfängern machen

Werden Heimbewohnerinnen und Heimbewohner die Leidtragenden der nun zügig auf die Gesundheitsreform folgenden Pflegereform sein? Nach einem Eckpunktepapier, das dem Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste e. V. (bpa) vorliegt, sollen die Zuschüsse der Pflegeversicherung für 80 % der künftigen Heimbewohnerinnen und Heimbewohner um bis zu 323 Euro pro Monat gekürzt werden. „Die Pläne der Politik bedeuten im Klartext, dass künftig 350.000 Menschen in die Sozialhilfeabhängigkeit abrutschen. Das ist nichts anderes als organisierte Altersarmut.“

Mit diesen klaren Worten positioniert sich bpa-Präsident Bernd Meurer in seinem Editorial zur aktuellen Ausgabe des bpa magazins (Leseprobe im Internet unter http://www.bpa.de/5399.html), das im Folgenden wiedergegeben wird.

„In den letzten Wochen tauchten vermehrt konkrete Überlegungen zur Reform der Pflegeversicherung auf. Neben den Positionspapieren einiger Parteien sickerten auch konkrete Überlegungen aus dem Ministerium und den Fraktionen durch. Es überrascht uns nicht, dass trotz der die öffentliche Wahrnehmung dominierenden Debatte um die Gesundheitsreform parallel der inhaltliche Reformbedarf der Pflegeversicherung aufgearbeitet wird. Wir reiben uns verwundert die Augen darüber, mit welcher Selbstverständlichkeit bei allem Streit um die Gesundheitsreform ohne nennenswerte Diskussion in Kauf genommen wird, dass die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung steigen. Gründe hierfür gibt es genug.

Mindestens so dramatisch wie bei der gesetzlichen Krankenversicherung ist aber der Finanzbedarf der Pflegeversicherung. Es ist eine Binsenweisheit, dass es nicht aufgeht, wenn einer deutlich steigenden Zahl an Leistungsempfängern eine bestenfalls stagnierende Zahl an Beitragszahlern gegenübersteht. Bereits jetzt, auch wenn die Zahlen etwas besser als befürchtet zu sein scheinen, ist klar, dass die finanziellen Reserven der Pflegeversicherung in naher Zukunft aufgebraucht sind.

Doch was macht die Politik? Sie gibt eine maximale Beitragshöhe vor mit 1,7 Prozent, an der sich anschließend die Leistungen zu orientieren haben. Der Auftrag an das Bundesgesundheitsministerium scheint dann nur noch darin zu bestehen, zu berechnen, was wir uns mit der Vorgabe der Beitragsstabilität an Leistungsbeträgen erlauben können. Klipp und klar: Damit produziert die Politik Altersarmut!

Selbstverständlich begrüßen wir die angekündigten Verbesserungen in der ambulanten Pflege, die bessere Berücksichtigung der Situation der dementiell erkrankten Menschen und den überfälligen Bürokratieabbau. Aber: Ganz entschieden wehren wir uns dagegen, einen Leistungsbereich gegen den anderen auszuspielen. Niemand wird sich gegen den vernünftigen Vorrang der ambulanten Pflege aussprechen. Hier gilt es schlichtweg zu sehen, dass die gesellschaftliche Realität genau diesen widerspiegelt: Über 70 Prozent aller Pflegebedürftigen werden in der eigenen Häuslichkeit gepflegt.

Eine Stärkung der häuslichen Versorgung ist aber keine überzeugende Begründung für drastische Leistungskürzungen in der stationären Versorgung. Hier wird eine Kürzung von mehr als 30 Prozent der Sachleistungsbeträge für 80 Prozent der Heimbewohnerinnen und Heimbewohner vorbereitet! Dies geschieht ausschließlich, um das politisch vorgegebene Ziel der Beitragssatzstabilität umzusetzen. Für alle künftigen Heimbewohnerinnen und Heimbewohner bedeutet diese Planung, dass sie die direkte Folge der Kürzung zu tragen haben. Eine zusätzliche Belastung von 300 Euro jeden Monat ist der Schritt in die organisierte Altersarmut als Sozialhilfeempfänger. Genau das sollte mit der Pflegeversicherung verhindert werden. Es kann doch nicht politisches Ziel sein, künftig 350.000 Heimbewohnerinnen und Heimbewohner zu Sozialhilfeempfängern zu machen. Aber nichts anderes bedeuten die Pläne der Politik.

Niemand darf sich beruhigen lassen von der eiligen Verlautbarung, dass keine Heimbewohnerin und kein Heimbewohner sich Sorgen machen müsse um steigende finanzielle Belastung. Das ist schlichtweg nur die halbe Wahrheit, weil es nur die jetzt in den Heimen lebenden Menschen betrifft. Wir weisen mit aller Deutlichkeit darauf hin, dass bewusst in Kauf genommen wird, dass die künftigen Heimbewohnerinnen und Heimbewohner diese Last selbstverständlich zu tragen haben. Genau das ist organisierte Altersarmut!“



Herr Bernd Tews
Tel.: 030 / 30 87 88 60
Fax: 030 / 30 87 88 89
E-Mail: bund@bpa.de

bpa - Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste e.V.
Hannoversche Straße 19
10115 Berlin
Deutschland
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