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24.02.2011 - dvb-Presseservice

Qualitätsoffensive Verbraucherfinanzen

BdV legt verbraucherpolitische Forderungen vor

Der Bund der Versicherten (BdV) begrüßt die „Qualitätsoffensive Verbraucherfinanzen“ durch das Bundesministerium für Verbraucherschutz. Anlässlich des morgigen dritten Fachgesprächs des Ministeriums, bei dem auch Bundesministerin Frau Ilse Aigner anwesend sein wird, stellt der BdV seine verbraucherpolitischen Positionen für ein verbessertes Versicherungswesens vor. Diese betreffen alle Versicherungssparten, wie der BdV aus seiner Beratungspraxis weiß.

BdV-Experte Dr. Christian Gülich nennt die wichtigsten „Versicherersünden“ beim Kundenkontakt:

  • Umsatzorientierter Verkauf statt langfristiger Kundenbindung als weiterhin gültiges Hauptziel des Vertriebs (schlimmster Auswuchs: gezielte „Umdeckungen“ bei privater Altersvorsorge und Krankenversicherung)
  • Mangelhafte Information der Kunden über vorvertragliche Anzeigepflichten bzw. Obliegenheiten nach Vertragsabschluss (Gesundheitsfragen, Gefahrerhöhung u.a.)
  • Ungenügende Bedarfsermittlung für Kunden (vorherrschende Orientierung am einzelnen „Finanzprodukt“ statt ganzheitlicher Betrachtung vor allem bei Altersvorsorge und Personenversicherungen)
  • Ungenügende Kostentransparenz (vor allem in der Lebens- und Rentenversicherung bei den Folgen eines vorzeitigen Vertragsabbruchs)
  • Mangelhafte Transparenz der Vertragsbedingungen: schwer bis unverständliches Juristendeutsch (Verbesserung der allgemeinen Verständlichkeit)

Hieraus ergeben sich folgende verbraucherpolitische Forderungen des Bundes der Versicherten (in Kurzfassung):

  • Allgemeine Forderungen:

- Brancheneinheitliches verständliches und gut lesbares Produktinformationsblatt (PIB) je Sparte mit den wichtigsten Punkten auf zwei Seiten

- Gut strukturierte, verständliche und lesbare Versicherungsbedingungen einschließlich eines Glossars mit erläuterungsbedürftigen Fachbegriffen je Versicherungssparte

- Risikoabsicherung vor Altersvorsorge (Priorität in der Beratung für Privathaftpflicht, Risikolebensversicherung für Familien, finanzielle Mindestreserve von drei Monatsgehältern)

- Standardisierte und strukturierte ganzheitliche Beratung

- Bausteinsystem: Festlegung eines brancheneinheitlichen Grundversicherungsschutzes je Versicherungssparte unter Beteiligung des Verbraucherschutzes (Grundbaustein pro Sparte). Zusätzlich kann der Verbraucher weitere Bausteine dazu wählen, wenn er darüberhinausgehenden Schutz möchte.

  • Altersvorsorge: 

- Generelle Beitragsgarantie von Altersvorsorgeprodukten zum Ablauf (wie bei Riester-Produkten)

- Als Altersvorsorgeprodukt dürfen nur Produkte bezeichnet werden, die bestimmte Kriterien erfüllen, wie z. B. eine garantierte lebenslange Rente und keinen Bezug vor dem 60. Geburtstag. Die Kriterien sind unter Beteiligung von Verbraucherschutzorganisationen festzulegen. Als Anhaltspunkt kann die Begriffsbestimmung des Altersvorsorgevertrages im Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz (AltZertG) zu Riester- und Rürup-Verträgen dienen

- Produktübergreifend ist ein Vergleichsparameter ähnlich dem effektiven Jahreszins bei Krediten zu schaffen (z. B. effektive Rendite unter Berücksichtigung der Kosten)

  • Lebensversicherungen / Privatrenten / Fondspolicen:

- Verbot des Stornoabzuges bei Kündigung

- Bei Vertragsablauf: Ablaufleistung muss dem Versicherungsnehmer verständlich und nachvollziehbar einschließlich der Bewertungsreserven aufgeschlüsselt und erklärt werden

- Bei Kündigung: Rückkaufswert wie Ablaufleistung

- Verteilung der Abschlusskosten auf die ganze Laufzeit

  • Private Krankenversicherung (PKV):

- Vollständige Mitnahme der Alterungsrückstellung bei Wechsel des PKV-Versicherers; Entwicklung eines umsetzbaren Konzepts innerhalb von zwölf Monaten durch Expertenkommission unter Beteiligung des Verbraucherschutzes mit der Vorgabe: Es ist eine praktikable Lösung zu finden!

- PKV-Ombudsmann erhält eine verbindliche Entscheidungskompetenz in gleicher Höhe wie der Versicherungsombudsmann

- In die Prämie sind von vornherein der medizinische Fortschritt und die höhere Lebenserwartung mit einem zusätzlichen pauschalen Prozentsatz (Sicherheitszuschlag) einzukalkulieren

- Privatversicherte müssen vor einer notwendigen Anschlussheilbehandlung (AHB) in einer gemischten Krankenanstalt die schriftliche Zusage Ihres PKV-Unternehmens einholen. In einer gemischten Krankenanstalt werden sowohl stationäre Krankenhausbehandlungen als auch Kuren und Sanatoriumsbehandlungen durchgeführt. Wird das Einholen der Zusage versäumt, besteht keine Leistungspflicht des Versicherers. Diese Regelung ist den Privatversicherten nicht bekannt und auch nicht zumutbar. Die Bestimmung in den Versicherungsbedingungen ist so zu ändern, dass der Privatversicherte immer die Kosten der medizinisch notwendigen stationären Heilbehandlung (mit Ausnahme der Kuranwendungen) tariflich erstattet bekommt.

- Tarifwechsel: Viele PKV-Unternehmen legen ihren Versicherten beim Tarifwechsel VVG Steine in den Weg. Deshalb ist unbedingt klar zu regeln, in welchen Fällen Mehrleistungen vorliegen, die dem Versicherer erlauben, einen Risikozuschlag oder Leistungsausschluss zu verlangen. Darüber hinaus ist klarzustellen, dass ein Wechsel aus einem Tarif mit höherer Selbstbeteiligung in einen Tarif mit geringerem Selbstbehalt keine Mehrleistung darstellt. Denn die Selbstbeteiligung ist ein reines Beitragskriterium.

  • Personenversicherungen allgemein (Berufsunfähigkeit, private Krankenversicherung, Pflege, Lebensversicherung …):

Die Gesundheitsfragen sollten im Antrag

- für ambulante Behandlungen auf drei Jahre,

- für stationäre Behandlungen auf fünf Jahre sowie

- für generelle Fragen (z. B. AIDS-Test) auf drei Jahre rückwirkend begrenzt werden.

- Der Versicherer darf nicht mehr nach subjektiven Beschwerden / Empfindlichkeiten fragen, sondern nur danach, ob Beratungen, Behandlungen und Untersuchungen durch Heilbehandler, wie Ärzte, in den abgefragten Zeiträumen stattgefunden haben.

- Die Gesundheitsfragen für die abgefragten rückwirkenden Zeiträume sind nur noch vom Arzt oder anderen Heilbehandlern und nicht mehr vom Versicherungsnehmer (VN) zu beantworten. Dafür erhält der VN einen Untersuchungsbogen, den der Arzt ausfüllen muss.

- Beabsichtigte Beratungen, Behandlungen und Untersuchungen bei Ärzten und anderen Heilbehandlern muss weiterhin der VN selber im Antrag angeben.

  • Private Haftpflichtversicherung: Pflichtversicherung für alle!
  • Elementarschadenversicherung: Ungehinderter Zugang für alle Wohngebäude- und Hausratversicherungsnehmer!
  • Berufsunfähigkeitsversicherung (BU):

- Jeder muss die Möglichkeit haben, eine Berufsunfähigkeitsversicherung zu bekommen. In Betracht kann eine Pflichtversicherung mit Kontrahierungszwang kommen, vorzuziehen ist aber eine freiwillige BU mit Kontrahierungszwang.

- Beweiserleichterung für den Verbraucher zur Durchsetzung seiner Ansprüche aus einem Berufsunfähigkeitsvertrag im Fall der Beantragung einer Berufsunfähigkeitsrente.

- Schaffung einer unabhängigen Institution mit flächendeckenden Beratungsstellen, die den Versicherungsnehmer im Fall der BU bei Beantragung der BU-Rente und Durchsetzung seiner Ansprüche gegenüber dem Versicherer unterstützen. Als Vorbild kann hier die Unabhängige Patientenberatung (UPD) dienen, die bisher von den Kassen finanziert wird. Die Finanzierung sollte die Versicherungswirtschaft wie beim Ombudsmann übernehmen.

  • Rechtsschutzversicherung: Gesetzliche Regelung, dass keine Versicherungslücke durch einen Wechsel des Versicherers entstehen darf, wenn der neue Rechtsschutzvertrag nahtlos an den bisherigen Rechtsschutzvertrag anschließt (Nachhaftung).
  • Rechtsschutz- / Wohngebäude- / Hausratversicherung: Einschränkung der Kündigungsmöglichkeit des Versicherers im Schadensfall – Festlegung transparenter Kriterien, nur in welchen Fällen der Versicherer kündigen kann, beispielsweise:

- ab einer bestimmten Anzahl von Versicherungsfällen und Schadenhöhen;

- wenn der Versicherungsnehmer die Sanierung eines sanierungsbedürftigen Hauses unterlässt (Wohngebäudeversicherung).

Der BdV hofft, dass die Qualitätsoffensive Verbraucherfinanzen des Bundesministeriums für Verbraucherschutz einen wichtigen Beitrag dafür leistet, dass es endlich zur Umsetzung dieser notwendigen Reformen im Versicherungswesen kommt.

Durch Musterprozesse und Öffentlichkeitsarbeit wird deshalb der Bund der Versicherten weiterhin offensiv Stellung beziehen – gegen den „legalen Betrug“ und für die Belange der Versicherten!



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