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23.03.2009 - dvb-Presseservice

RWI: Deutschland bleibt zunächst in tiefer Rezession

Das RWI senkt seine Prognose des Wirtschaftswachstums für das Jahr 2009 deutlich auf –4,3%; 2010 geht es wohl wieder leicht – um 0,5% – aufwärts. Damit ist die Finanzkrise entgegen manchen Hoffnungen stärker auf Deutschland durchgeschlagen als auf die meisten übrigen Länder des Euro-Raums. Es wird erwartet, dass trotz deutlich steigender Kurzarbeit die Zahl der Beschäftigten im Verlauf dieses Jahres um rund 1,2 Mill. zurückgeht und die der Arbeitslosen um 1,1 Mill. steigt.

Die deutsche Wirtschaft befindet sich derzeit in einer tiefen Rezession. Im letzten Vierteljahr 2008 sank das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 2,1% gegenüber dem Vorquartal. Das Minus resultiert vor allem aus einer Verschlechterung des Außenbeitrags; die Exporte gingen mit 7,3% doppelt so stark zurück wie die Einfuhren. Die inländische Verwendung war nur leicht rückläufig, weil viele Unternehmen den Nachfragerückgang durch eine Erhöhung ihrer Lagerbestände abfederten. Die Ausrüstungsinvestitionen hingegen sanken deutlich. Damit ist die Finanzkrise stärker auf Deutschland durchgeschlagen als auf die meisten übrigen Länder des Euro-Raums.

Für das erste Quartal lassen die vorliegenden Indikatoren einen erneut kräftigen Rückgang des BIP erwarten. Vor diesem Hintergrund dürfte es 2009 um 4,3% fallen, so stark wie noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik. Dieser Rückgang wäre noch weitaus dramatischer, wäre nicht eine Gegenbewegung im zweiten Quartal 2009 nach unserer Einschätzung wahrscheinlich, unter anderem weil Teile des Konjunkturpakets die Inlandsnachfrage vorübergehend stimulieren und weil der Produktionseinbruch zuletzt wohl auch durch verlängerte Betriebsferien überzeichnet wurde.

Anregend auf die Konjunktur wirkt auch die hauptsächlich aufgrund der gesunkenen Rohstoffpreise rückläufige Teuerung. Die Inflationsrate dürfte 2009 im Jahresdurchschnitt lediglich 0,4% betragen, nach 2,6% im Jahr 2008. Dies stärkt die Kaufkraft der Verbraucher. Zudem steigt eine Reihe von Transfers. Gedämpft wird die Konsumnachfrage dadurch, dass die Beschäftigung voraussichtlich spürbar zurückgeht. Zwar dürfte die Zahl der Kurzarbeiter deutlich stärker steigen als in früheren Rezessionen. Jedoch erwarten wir, dass im Verlauf dieses Jahres rund 1,2 Mill. Arbeitsplätze verloren gehen und die Zahl der Arbeitslosen um 1,1 Mill. steigt.

Die Erfahrung zeigt, dass Wirtschaftkrisen, die ihren Ursprung im Bankensektor haben, besonders zäh sind und lange dauern. Wenn sich die Lage am Finanzmarkt beruhigt, stehen allerdings die Zeichen dafür nicht schlecht, dass sich die Konjunktur im Verlauf von 2010 allmählich beleben wird. Nicht zuletzt dürften die umfangreichen Konjunkturprogramme zahlreicher Länder die Weltwirtschaft stimulieren, und bei den Investitionen könnte es zu einem Umschwung kommen, wenn Unternehmen die noch bis Ende 2010 günstigen Abschreibungsbedingungen nutzen wollen. Alles in allem erwarten wir, dass das BIP 2010 um 0,5% höher sein wird als 2009.

Wirtschaftspolitik reagierte angemessen

Die Wirtschaftspolitik versucht, zum einen die Finanzmärkte, zum anderen die Konjunktur zu stabilisieren, um eine Abwärtsspirale zu verhindern. Derzeit ist eine expansive Finanzpolitik durchaus angebracht, zumal zu befürchten ist, dass die Geldpolitik aufgrund der Probleme des Bankensektors nicht in der gewohnten Weise wirkt. In Deutschland gibt die Finanzpolitik einen kräftigen Impuls. So schätzen wir, dass der Rückgang des BIP durch das Konjunkturpaket II in diesem Jahr um lediglich um 0,5%-Punkte und 2010 um 0,3%-Punkte gebremst wird.

Durch die beiden Konjunkturpakete, weitere diskretionäre Maßnahmen, aber auch aufgrund der automatischen Stabilisatoren erwarten wir einen Anstieg der Defizitquote auf 3,5% im laufenden und 4,7% im kommenden Jahr. Dadurch werden die Handlungsspielräume für die Finanzpolitik kleiner. Die Politik muss deshalb dafür Sorge tragen, dass die Staatsverschuldung nach Überwindung der Krise nicht weiter steigt und die Haushaltskonsolidierung wieder in Angriff genommen wird. Die vorgeschlagene Schuldenbremse weist in die richtige Richtung, wenngleich sie sich im Haushaltsvollzug erst beweisen muss.

Weltwirtschaftlicher Rahmen

Wie in Deutschland ist die Konjunktur in nahezu allen Ländern der Welt eingebrochen. Besonders hart traf es die exportabhängigen Volkswirtschaften, also neben Deutschland auch Japan, die asiatischen Schwellenländer und Osteuropa. Da sich die Wirtschaftsleistung fast überall im Gleichschritt nach unten bewegt, gibt es keinerlei Risikoausgleich zwischen den Ländern und Märkten.

Damit ist auch die Nachfrage nach Rohstoffen spürbar gesunken, so dass deren Preise kräftig fielen. Dies wirkt für sich genommen zwar stabilisierend in den Rohstoffe importierenden Ländern, in denen die Teuerung merklich zurückging. Zugleich verschärft der Preisverfall aber die Probleme in den Rohstoffe exportierenden Ländern. Per saldo dürfte dies die internationale Konjunktur sogar eher dämpfen.

Zwar hat die Geldpolitik ihren Leitzins in den meisten Ländern deutlich gesenkt. Da die Funktionsfähigkeit des Bankensektors aber immer noch gestört ist, dürfte sie derzeit jedoch nicht in der gewohnten Weise wirken und zur Stabilisierung der Konjunktur beitragen. In dieser außergewöhnlichen Lage ist die Finanzpolitik zu Recht in den meisten Ländern auf deutlichen Expansionskurs gegangen.

Ungeachtet dessen ist es wenig wahrscheinlich, dass der Produktionsrückgang rasch zu Ende geht. Wir gehen davon aus, dass die gesamtwirtschaftliche Produktion in den meisten Ländern bis Ende 2009 rückläufig sein wird. Allerdings dürfte die Abwärtsspirale aus Investitionszurückhaltung und Importrückgang im Verlauf des Jahres allmählich auslaufen, sofern sich die Lage an den Finanzmärkten stabilisiert. Für den Jahresdurchschnitt rechnen wir mit einem kräftigen Rückgang des Weltsozialprodukts um 2,6%. Im kommenden Jahr dürfte sich die Konjunktur nur allmählich erholen und die Belebung mit 1% vorerst schwach bleiben.

Die Abwärtsrisiken bleiben beträchtlich. Je tiefer der Einbruch ist und je länger er dauert, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich Verhaltensweisen ändern und dass die Krise weitere Kreise zieht. Vergrößern würden sich die Probleme der Weltwirtschaft, falls sich angesichts der stark unterausgelasteten Kapazitäten unerwartet Deflationstendenzen breit machten. Zudem besteht die große Gefahr, dass manche Länder protektionistische Maßnahmen ergreifen. Der Welthandel könnte dann weiter sinken, und dies würde die Wirtschaftskrise weiter verschärfen.




Herr Dr. Roland Döhrn

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