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10.12.2008 - dvb-Presseservice

RWI Essen senkt BIP-Prognose für 2009 und erwartet tiefe Rezession

Das RWI Essen senkt seine Prognose für das Wachstum des realen Bruttoinlandsprodukts (BIP) in 2009 im Vergleich zu seiner September-Prognose um 2,7 Prozentpunkte auf -2,0%. Grund hierfür ist, dass sich die Finanzmarktkrise weitaus stärker auf die Weltwirtschaft auswirkt als zuvor absehbar. Insbesondere dürfte sich der deutsche Export im kommenden Jahr deutlich abschwächen, gleichzeitig Beschäftigung und Staatseinnahmen sinken.  Allerdings wird von uns erwartet, dass der private Konsum zumindest bis Mitte 2009 stabil bleibt, insbesondere weil die Inflationsrate auf 0,9% im Jahresdurchschnitt zurückgehen wird. Um den drohenden Abschwung im kommenden Jahr zu dämpfen, rät das RWI Essen, die Steuerbelastung der Bundesbürger durch eine Reform des Einkommensteuertarifs zu senken. Dadurch könnte bereits in der zweiten Jahreshälfte 2009 wieder ein positives BIP-Wachstum erreicht werden.

Das RWI Essen revidiert seine Deutschland-Prognose für das Jahr 2009 zum zweiten Mal in Folge kräftig nach unten. Nachdem wir im September noch einen Anstieg des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 0,7% für 2009 erwartet hatten, haben sich inzwischen alle Konjunkturindikatoren in einem Maße verschlechtert, dass wir nun davon ausgehen müssen, dass das reale BIP im Jahresdurchschnitt 2009 um 2,0% zurückgehen wird. Das wäre die niedrigste jährliche Zuwachsrate, die in der Bundesrepublik jemals registriert wurde. Nach drei Quartalen mit rückläufigem BIP in diesem Jahr dürfte die Wirtschaftsleistung auch 2009 weiter zurückgehen. Erst gegen Jahresende deutet sich eine leichte Belebung an, weil die Maßnahmen zur Stabilisierung der Finanzmärkte wohl greifen und die in vielen Ländern beschlossenen expansiven finanz- und geldpolitischen Maßnahmen die Oberhand gewinnen dürften.

Die Konjunktur hat sich in den vergangenen Monaten weltweit und auch in Deutschland deutlich stärker abgeschwächt, als wir dies in unserem am 12. September abgeschlossenen  Konjunkturbericht vom Herbst prognostiziert hatten. Bis dahin hatten viele Indikatoren darauf hingedeutet, dass sich die Lage an den Finanzmärkten beruhigen würde. Die Insolvenz der US-Investmentbank Lehman Brothers am 15. September setzte jedoch eine regelrechte Abwärtsspirale in Gang. Da erstmals eine Großbank in Konkurs gegangen war, litt das Vertrauen innerhalb des Finanzsektors derart, dass die Finanzmarktkrise auch auf Marktsegmente übergriff, die bisher kaum von ihr betroffen waren. Insbesondere sind nunmehr auch die Schwellenländer spürbar tangiert, von denen man vor einigen Monaten noch erwartet hatte, dass sie ein stabilisierendes Element der Weltwirtschaft sein könnten.

Exporte dürften zunächst weiter zurückgehen, privater Konsum stabil bleiben

Wesentlich geprägt wurde der Abschwung in Deutschland bisher von der Abschwächung der Weltwirtschaft und den daher rückläufigen Exporten. Da in immer mehr Ländern wirtschaftliche Probleme sichtbar werden, dürfte der Exportrückgang vorerst anhalten. Damit bleiben die Absatzerwartungen der deutschen Unternehmen ungünstig, so dass – ähnlich wie in früheren Konjunkturzyklen – die Investitionen das Tempo des Abschwungs bestimmen. Dies gilt umso mehr, als die Finanzierungskosten gestiegen sind und bereits erteilte Aufträge nicht mehr oder mit Verzögerung ausgeführt werden, weil die Abnehmer in Finanzierungsprobleme geraten. Solange sich die Absatz- und Ertragserwartungen nicht verbessern, dürften auch die günstigeren Abschreibungsbedingungen, die die Bundesregierung zur Stabilisierung der Konjunktur beschlossen hat, wenig bewirken. Alles in allem erwarten wir, dass die Ausrüstungsinvestitionen im Durchschnitt des kommenden Jahres um 10% sinken. Dies zieht auch die Bauinvestitionen nach unten, zumal dort ebenfalls Großprojekte zurückgestellt werden. Zwar stellt die Bundesregierung für dieses Jahr eine Milliarde Euro zusätzlich für öffentliche Investitionen bereit, dies ist jedoch nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Das einzige stabilisierende Element sind derzeit die privaten Konsumausgaben, wozu mehrere Faktoren beitragen. So steigen die Tariflöhne, da viele Abschlüsse bereits 2008 getätigt wurden, nochmals recht deutlich. Die Renten dürften, da sie der Lohnentwicklung mit Verzögerung folgen, 2009 um gut 2,5% zunehmen und einige Transfers wie das Kindergeld wurden erhöht. Vor allem aber dürfte sich die Inflation weiter zurückbilden, insbesondere in Folge der gesunkenen Weltmarktpreise für Rohstoffe und Energie. Wir erwarten für 2009 einen Anstieg der Verbraucherpreise um lediglich 0,9%. Die verfügbaren Realeinkommen werden sich daher voraussichtlich bis Mitte 2009 verbessern und den privaten Konsum stützen. Allerdings dürfte die sich im Jahresverlauf verschlechternde Lage am Arbeitsmarkt sich in zunehmendem Maße negativ bemerkbar machen.

Beschäftigung und Staatseinnahmen werden  im nächsten Jahr sinken

Bisher zeigte sich der Arbeitsmarkt angesichts der bereits seit einiger Zeit rückläufigen Produktion erstaunlich robust. Jedoch dürfte die schwache Konjunktur von nun an auf den Arbeitsmarkt durchschlagen, so dass die Beschäftigung sinken und die Arbeitslosigkeit zunehmen wird. Zwar werden viele Unternehmen wohl versuchen, zunächst Entlassungen zu vermeiden und stattdessen Kurzarbeit anmelden oder Guthaben auf Arbeitszeitkonten nutzen. Gleichwohl dürfte die Zahl der Erwerbstätigen bis zu Jahresende 2009 um rund 700 000 sinken und die Zahl der Arbeitslosen um fast 600 000 zunehmen.

Auch die Lage der öffentlichen Haushalte wird sich infolge der Rezession verschlechtern. Zum einen wurden zur Stabilisierung der Konjunktur unter anderem höhere staatliche Ausgaben beschlossen und neue Subventionen eingeführt. Zum anderen dürfte das Aufkommen insbesondere der gewinnabhängigen Steuern rückläufig sein. Alles in allem erwarten wir nach einem annähernd ausgeglichenen Haushalt 2008 für 2009 einen Fehlbetrag von 1,1% in Relation zum BIP. Dabei sind Belastungen aus dem Finanzmarkstabilisierungsgesetz noch nicht berücksichtigt, weil sich diese derzeit, da nur ein Teil der Mittel überhaupt in Anspruch genommen wurde, nicht beziffern lassen.

Reform der Einkommensteuer könnte Rezession dämpfen

Deutschland befindet sich nach unserer Einschätzung in einer tiefen Rezession. Die bisher beschlossenen Stabilisierungsmaßnahmen dürften keine Wende zum Besseren bewirken. Zwar beziffert die Regierung den Umfang dieser Maßnahmen mit 32 Milliarden Euro. Allerdings laufen diese Programme zum Teil über mehrere Jahre, und es müssen die restriktiven Wirkungen steigender Beiträge zur Krankenversicherung gegengerechnet werden. Wir schätzen den expansiven Impuls der Finanzpolitik im kommenden Jahr auf knapp 10 Milliarden Euro.

Allerdings hätte es die Politik durchaus in der Hand, den Abschwung im kommenden Jahr zu begrenzen und die deutsche Wirtschaft wieder rascher auf einen aufwärts gerichteten Expansionspfad zu führen. Würde, wie von uns empfohlen, rasch eine Reform des Einkommensteuertarifs beschlossen, die noch im Jahr 2009 die Steuerbelastung der Bürger um etwa 25 Milliarden Euro (1% des BIP) reduziert, könnte das BIP um 0,7% höher ausfallen als hier prognostiziert. Damit wäre das Ausmaß der Rezession deutlich geringer, insbesondere könnten in der zweiten Jahreshälfte bereits wieder positive Raten erzielt werden.




Frau Sabine Weiler
Pressestelle RWI Essen
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Herr Dr. Roland Döhrn

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Rheinisch-Westfälisches
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Hohenzollernstraße 1-3
45128 Essen
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