Jüngster europäischer Produktivitätszuwachs fast doppelt so hoch wie in den USA – Höhere Infrastrukturinvestitionen könnten wesentlich zu fortgesetztem Wirtschaftswachstum beitragen
Bislang trotzt die europäische Wirtschaft den Belastungen der Subprime-Krise und bleibt auf dem Weg, die ehrgeizigen Ziele der Lissabon-Strategie bis 2010 zu erreichen oder gar zu übertreffen. Das
zeigt das Herbst 2007-Update des europäischen Wachstums- und Beschäftigungsmonitors, eines wichtigen gemeinsam durch den Lisbon Council und die Allianz SE veröffentlichten Indikators der europäischen
Wettbewerbsfähigkeit.
Auf der Basis eines komplexen Gesamtindikators, der die durch die Europäische Union erzielten Fortschritte auf wichtigen Wirtschaftsgebieten wie der Schaffung neuer Arbeitsplätze, dem
Produktivitätswachstum, zukunftsweisenden Investitionen sowie der Nachhaltigkeit der Staatsfinanzen aufzeigt, kommt die Studie zu dem Ergebnis, dass sich die europäische Wirtschaft im Jahre 2007 dank
des jüngsten starken Wirtschaftswachstums auf dem Pfad zur Erreichung der Lissabon-Ziele befindet. Gelingt es, diese Dynamik aufrechtzuerhalten, werden die Lissabon-Ziele 2010 in greifbare Nähe
rücken. Bis zum Jahr 2010 hatten sich die Staats- und Regierungschefs der EU verpflichtet, die Union zum "wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt" zu
machen.
Bemerkenswerte Entwicklung der europäischen Wirtschaft
Insbesondere stellt das Herbst 2007-Update des europäischen Wachstums- und Beschäftigungsmonitors fest, dass der Gesamtindikator nach zwei weiteren Quartalen starken Wachstums einen Wert von 1,1
anzeigt – den höchsten, der bislang gemessen wurde. Ein Stand von 1,1 bedeutet, dass sich die europäische Wirtschaft etwas besser entwickelt, als zur Erreichung der ehrgeizigen Lissabon-Ziele
notwendig wäre. Trotz dieser Entwicklung sowie der fundamentalen Verbesserung auf dem Arbeitsmarkt kommt die Studie zu dem Ergebnis, dass Europa das in der Lissabon-Strategie vorgesehene Ziel einer
Erwerbsquote von 70 Prozent bis 2010 verfehlen dürfte.
Das bemerkenswert starke Abschneiden Europas liegt zum Teil daran, dass der gegenwärtige europäische Produktivitätszuwachs erstaunlicherweise fast doppelt so hoch wie der amerikanische ist. Laut
Studie dürfte zwar ein wesentlicher Teil der gesteigerten Produktivität in Europa dem Konjunkturzyklus zu verdanken sein, doch weist sie auch auf Strukturveränderungen hin, wie den Ausbau des
Binnenmarktes für Waren und Dienstleistungen, die fortschreitende Finanzmarktintegration, die Restrukturierungen im Unternehmenssektor sowie die Umsetzung von Reformen im Rahmen der
Lissabon-Strategie.
Beim Wirtschaftswachstum wurde der Lissabon-Zielwert von drei Prozent in der ersten Hälfte 2007 erreicht. Im Zuge der günstigen gesamteuropäischen Konjunkturentwicklung haben sich auch die
Staatsfinanzen verbessert, doch sowohl im Vergleich zu den Jahren 2000/2001 als auch im Hinblick auf die zukünftigen demografischen Herausforderungen sollte die Haushaltskonsolidierung stärker
vorangetrieben werden.
Gezieltere Investitionen in Infrastruktur notwendig
Vor diesem Hintergrund beinhaltet das Herbst 2007-Update des europäischen Wachstums- und Beschäftigungsmonitors einen Sonderteil über Wachstumstreiber. Darin wird die Notwendigkeit höherer und
gezielterer Investitionen in die Infrastruktur unterstrichen. Da indessen die Staatsverschuldung aufgrund der zunehmenden Bedürfnisse einer alternden und auch zahlenmäßig schrumpfenden Bevölkerung
steigen dürfte, müssen innovative Lösungen gefunden werden, um die Investitionslücke zu schließen. Laut Studie können sogenannte "Public-Private Partnerships" (PPPs) – beziehungsweise
Öffentlich-Private Partnerschaften (ÖPP) – zu höheren Investitionen im Allgemeinen und größeren Effizienzgewinnen im Besonderen führen. In Großbritannien, das seit 1992 bereits über 800 Projekte im
Rahmen von PPP realisiert hat, lagen die Effizienzgewinne, verglichen mit der Projektdurchführung durch die öffentliche Hand, zwischen zehn und 25 Prozent. Ähnliche Untersuchungen in Deutschland
kommen zu demselben Schluss.
Darüber hinaus fordert die Studie eine veränderte statistische Erfassung des Bildungswesens als dringende Maßnahme im Streben nach dem Aufbau eines wissensbasierten Wirtschaftsraums in Europa.
In den meisten Ländern wird der Löwenanteil der staatlichen Bildungsausgaben zur Zeit als "Konsumausgaben" verbucht. Da sich Humankapital zum wichtigsten Wachstums- und Produktivitätstreiber
entwickelt, sollte diese Definitionsabgrenzung daraufhin überprüft werden. Bei einer Gesamthöhe der staatlichen Investitionen in das Bildungswesen von 94 Milliarden Euro im Jahr 2006 allein in
Deutschland würde eine Umklassifizerung von konsumtiven Bildungsausgaben zu investiven Posten ein starkes Signal im Hinblick auf die Bedeutung der Bildung von Humankapital für das Wirtschaftswachstum
und für die Beschäftigung an die Politiker senden.
Heise: "Gute Grundlage für künftiges Wachstum"
Michael Heise, Chefvolkswirt der Allianz und Hauptautor des Berichts: "Die Studie zeigt, dass Europa trotz der jüngsten Turbulenzen auf dem Weg ist, die meisten zentralen Lissabon-Ziele zu
erreichen – unter der Voraussetzung, dass es gelingt, auch in künftigen Quartalen gute Ergebnisse vorzulegen. Wir sind stark in wichtigen Bereichen, die eine gute Grundlage für künftiges Wachstum
bilden. Von großer Bedeutung indessen ist die Fortsetzung der Politik, die dieses feste wirtschaftliche Fundament gelegt hat. Das heißt also, dass wir in unseren Anstrengungen keinesfalls nachlassen
dürfen; im Gegenteil, die Studie gibt ein klares und überzeugendes Zeichen, dass die heutige Politik wirkt. Wir müssen die Strukturreformen und Haushaltskonsolidierungsmaßnahmen fortsetzen, die uns
diese Erfolge überhaupt erst beschert haben. Außerdem sollten wir den Binnenmarkt für Waren und Dienstleistungen stärken und vertiefen, wie es die EU-Kommission in dieser Woche vorhat, um die
Fortschritte der letzten Jahre zu konsolidieren."
Herr Nicolai Tewes
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