Druckversion
Anzeige
16.04.2008 -
dvb-Presseservice
Umfrage: Schlechte Noten für den Gesundheitsfonds
Berlin, April 2008. Der Gesundheitsfonds schneidet in den Augen
der Bevölkerung schlecht ab: Zwei Drittel der Menschen lehnen es ab,
dass künftig die Regierung den Beitragssatz festlegt, 71 Prozent
befürchten, dass das System dadurch auf eine Einheitskasse zusteuert.
Drei Viertel der Bevölkerung gehen davon aus, dass der Fonds mehr statt
weniger Bürokratie mit sich bringt. Die Mehrheit hat kein Vertrauen in
die Zuverlässigkeit der staatlichen Steuerzuschüsse für
das Gesundheitssystem: Acht von zehn Menschen erwarten Einschnitte zu
Lasten der medizinischen Versorgung in Zeiten knapper Staatshaushalte.
Das zeigt der aktuelle "Meinungspuls Gesundheit" eine
bevölkerungsrepräsentative Meinungsumfrage, die das Institut Forsa im
Auftrag der Techniker Krankenkasse (TK) durchgeführt
hat.
Professor Manfred Güllner, Forsa-Geschäftsführer: "Welche
Seite des Fonds man auch beleuchtet: In der Bevölkerung überwiegt die
Ablehnung bemerkenswert für ein derart zentrales Reformelement."
Insgesamt glauben zwei Drittel der Menschen nicht, dass die jüngste
Reform positive Auswirkungen auf das Gesundheitssystem hat, und sogar 95
Prozent erwarten nicht, dass sie langfristig wirkt, sondern gehen von
baldigen Nachbesserungen aus. Ebenfalls zwei Drittel bezweifeln, dass die
Reform die Finanzierung des Systems langfristig sichert, und sogar drei
Viertel bezweifeln, dass sie das Gesundheitswesen sozial gerechter
oder durchschaubarer macht. Güllner: "Das ist ein Blauer Brief,
der üblicherweise signalisiert, dass die Versetzung gefährdet ist.
Ein ausreichendes oder gar befriedigendes Zeugnis sieht anders aus.
Nacharbeit wäre somit eigentlich
erforderlich."
Politischer Einfluss
Die Ergebnisse auf die
Fragen, wie stark der Einfluss der unterschiedlichen Gruppierungen auf
gesundheitspolitische Reformen ist und ob dabei auch das Richtige
herauskommt, sind bemerkenswert: 54 Prozent der Befragten attestieren der
Pharmaindustrie den größten Einfluss – gefolgt von der Bundesregierung
mit 33 Prozent. Schlusslichter bilden Patientenverbände
und Gewerkschaften mit je vier Prozent. Die Opposition rangiert in der
Frage des Einflusses mit acht Prozent noch hinter den
Arbeitgeberverbänden und der eigenen Krankenkasse des Befragten (je 9
Prozent). Der gesetzlichen Krankenversicherung insgesamt messen 19
Prozent einen großen Einfluss zu.
Allerdings: Glaube an Einfluss
ist nicht gleichzusetzen mit dem Vertrauen, dass der jeweilige Akteur das
Richtige tut: Die größte Diskrepanz (44 Prozentpunkte) zeigt sich bei der
pharmazeutischen Industrie so hoch der angenommene Einfluss, so niedrig
das Vertrauen in die Richtigkeit der Ziele: magere zehn Prozent. Die
Bundesregierung rangiert beim Glauben, ob sie das Richtige tut, bei acht
Prozent.
Zeitreihen im "TK-Meinungspuls Gesundheit"
Der
"TK-Meinungspuls Gesundheit" hat inzwischen eine fast
fünfjährige Geschichte, und eine Reihe von Fragen wird jedes Jahr aufs
Neue gestellt. Professor Dr. Norbert Klusen, Vorsitzender des
TK-Vorstandes: "Wir befragen nicht nur regelmäßig unsere eigenen Kunden,
sondern wollen natürlich auch erfahren, was die Bevölkerung insgesamt
über das Gesundheitssystem denkt, was sie befürwortet und was sie
ablehnt. Das ergibt mittlerweile aufschlussreiche Zeitreihen. Wir wollen
damit auch Impulse für die gesundheitspolitische Debatte in Deutschland
liefern."
Zahlungsbereitschaft der Bevölkerung
Seit Jahren
fragt die TK nach dem "kleineren Übel": Was würden die Menschen eher in
Kauf nehmen? Höhere Beiträge und Zuzahlungen bei
gleichbleibendem Leistungsumfang? Oder stabile Beiträge um den Preis
geringerer Leistungen? Heute erklären 40 Prozent, dass sie für gleiche
Leistungen lieber mehr bezahlen als auf Leistungen verzichten würden.
Dies deckt sich in etwa mit den Ergebnissen seit Juni 2004. Aber: Im
Dezember 2003 bejahten dies noch 54 Prozent einen Monat später
trat ein Reformgesetz in Kraft, das die Zuzahlungen der Versicherten
deutlich erhöhte. Um am medizinischen Fortschritt teilnehmen zu können,
würden laut der aktuellen Forsa-Umfrage zwei Drittel der Menschen höhere
Beiträge in Kauf nehmen.
Gerechtigkeit und Solidarität
Das
Urteil über die Reformpolitik der vergangenen Jahre fällt auch in
einem größeren Blickwinkel nicht allzu gut aus: Die Frage, ob
das Gesundheitssystem gerecht ist, beantworten die Menschen seit 2004
nahezu unverändert: Rund zwei Drittel halten das System für eher
ungerecht, etwa ein Drittel empfindet es als gerecht. Güllner: "Offenbar
haben alle politischen und reformerischen Aktivitäten der letzten Jahre
nicht dazu geführt, dass das deutsche Gesundheitssystem in der
Wahrnehmung der Bevölkerung gerechter geworden ist."
Zur
Frage, ob der Solidargedanke im jetzigen System gut umgesetzt ist,
sind die Meinungen geteilt: Seit vier Jahren verneint dies eine knappe
Mehrheit, zwischen 42 Prozent und 47 Prozent bejahen es. Allerdings:
Heute glauben mehr Menschen als in den vergangenen Jahren daran, dass das
Solidarsystem auch weiterhin im jetzigen Umfang finanzierbar ist. Waren
es im September 2006 und im August 2005 noch 36 bzw. 35 Prozent, so stieg
die Zustimmung aktuell auf 45 Prozent an. Die Quote der Skeptiker sank
von 59 auf 49 Prozent.
Arzneimittel-Rabattverträge und
Wahltarife
Die Arzneimittel-Rabattverträge, die durch die jüngste Reform
möglich geworden sind, begrüßen 62 Prozent der Menschen: Dies trage
zur Kostendämpfung bei, dafür nehme man auch den Wechsel zu einem
anderen, aber wirkstoffgleichen Präparat in Kauf. Einem Drittel der
Befragten ist dies jedoch zu unsicher. Die Mehrheit (54 Prozent) ist
allerdings noch gar nicht mit den Auswirkungen der Rabattverträge in
Berührung gekommen. Ein Drittel gibt an, in der Apotheke statt des
verordneten ein anderes Medikament mit gleichem Wirkstoff erhalten zu
haben, und jeder Vierte hat erlebt, dass der Arzt das Arzneimittel direkt
bei der Verordnung ausgetauscht hat. Zu den neuen Wahltarifen gehen die
Meinungen auseinander: 53 Prozent der befragten GKV-Versicherten sehen in
ihnen die Auslagerung früherer Krankenkassenleistungen. 43 Prozent
begrüßen sie, weil sie eine individuellere Gestaltung des
Versicherungsschutzes erlauben.
URL: www.deutsche-versicherungsboerse.de/pressespiegel/Umfrage-Schlechte-Noten-f%FCr-den-Gesundheitsfonds-ps_8904.html