Anzeige
06.04.2006 - dvb-Presseservice

Vorfahrt für die ambulante Pflege – Pflegebegriff erneuern – Leistungen dynamisieren

Die soziale Pflegeversicherung ist als bewährte Größe aus dem Kanon der Sozialsysteme in Deutschland nicht mehr wegzudenken. Zugleich besteht unter Experten und Politikern Konsens, dass eine grundlegende Reform des jüngsten Zweiges der Sozialversicherung unverzichtbar ist. "Die Regierung wird dafür sorgen, dass die Pflegeversicherung in dieser Legislaturperiode an neue Herausforderungen angepasst und ihre Finanzierung für die Zukunft nachhaltig gesichert wird", so Marion Caspers-Merk, parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium heute auf dem BKK Pflegetag in Berlin.

Schon 2020 wird nach aktuellen Prognosen die Zahl der Pflegefälle von derzeit 1,9 Millionen auf mindestens 2,5 Millionen ansteigen. Die Zahl der Beitragszahler hingegen wird rapide abnehmen. "Wenn die Pflegeversicherung auf Dauer sicher, qualitativ hochwertig und bezahlbar sein soll, müssen Strukturen, Leistungen und Finanzen kritisch hinterfragt werden", fordert K.-Dieter Voß, Vorstand beim BKK Bundesverband in der Eröffnungsrede zum BKK Pflegetag. Eine Abkehr vom reinen Lohnbezug sei nötig.

Demografie verlangt Dynamisierung der Leistungen

Angegangen werden muss die fehlende Dynamisierung der Pflegeleistungen. Seit Einführung der Pflegeversicherung 1995 hat es hier keine Bewegung gegeben. Das heißt, die Pflegeleistungen betragen heute nur noch etwa 87 Prozent der einstigen Ausgangswerte. Bleibt der jetzige Status quo bestehen, werden die Eigenbeiträge der Versicherten durch die allgemeine Inflation erheblich steigen. Ebenfalls zunehmen wird der Bedarf an Pflegeleistungen, da unsere Gesellschaft rapide altert. Schon jetzt müssen Heimbewohner durchschnittlich 50 Prozent der Heimkosten selbst bezahlen. Viele Pflegebedürftige sind deshalb wieder auf Sozialhilfe angewiesen; 2004 waren das rund 328.000 Menschen. Der BKK Bundesverband begrüßt und unterstützt darum die Pläne der Bundesregierung, die Leistungen der Pflegeversicherung zu dynamisieren.

Pflegebegriff muss Wirklichkeit widerspiegeln

Heute gibt es in Deutschland bis zu 2,2 Millionen Menschen mit einer Demenzerkrankung. Bis 2050 prognostizieren Experten einen Anstieg auf etwa 5 Millionen. Bislang fallen Demente und deren pflegende Angehörige jedoch oft durch das soziale Netz, da der Pflegebedürftigkeitsbegriff (§ 14 SGB XI) stark auf Menschen mit eingeschränkten körperlichen Funktionen abhebt. Der hohe zeitliche Aufwand bei der Betreuung von Menschen mit gerontopsychiatrischen Veränderungen (Demenz / Alzheimerkranke) wird dagegen kaum berücksichtigt. So schnell wie möglich ist hier eine Korrektur notwendig. Zugleich warnt der BKK Bundesverband jedoch davor, einen erweiterten Pflegebegriff losgelöst von der Finanzierbarkeit von Leistungen zu diskutieren. "Die Erweiterung des Pflegebegriffs würde die Beurteilung des Pflegebedarfs endlich gerechter gestalten. Einem erweiterten Pflegebedarf müssten aber auch entsprechend angepasste Leistungen folgen. Es wäre problematisch, Erwartungen zu wecken, die am Ende nicht erfüllt werden könnten", so K.-Dieter Voß. 

Weichen stellen für ambulante Pflege

Gute Pflege ist nah am Menschen und hilft Bedürftigen idealerweise so lange wie möglich eigenständig im heimischen Umfeld zu leben. Seit Jahren verschiebt sich die Leistungsinanspruchnahme jedoch stetig zu Gunsten der Heimpflege mit Folgen für Versicherte und Kassen. Das Problem bei Heimpflege ist, dass Versicherte ihre vertraute Umgebung, ihre sozialen Bindungen und – zumindest partiell – ihre Autonomie verlieren. Die Pflegekassen werden finanziell belastet, da die Heimpflege je nach Pflegestufe bis zu fünf Mal teurer ist als das Pflegegeld in der häuslichen Pflege. Eine Reform sollte den einstigen Ansatz im Sinne der Versicherten – ambulant vor stationär – wieder ins Zentrum rücken.

Neben den ambulanten Leistungen der gesetzlichen Pflegekassen richtet der BKK Bundesverband seine zusätzlichen Projekte bereits seit Jahren verstärkt an der Forderung "ambulant vor stationär" aus:

  • ISA – Individuelle Schulung Angehöriger in fünf Bundesländern (Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt, Niedersachsen, Bremen, Baden-Württemberg); Start war 2004, mittelfristig soll es bundesweit angeboten werden.
  • Weiterbildung zum BKK Pflegeberater: Seit 2003 erhalten BKK Mitarbeiter theoretischen und praktischen (Praktikum in einer Pflegeeinrichtung) Einblick in den Komplex Pflege. Nach der Weiterbildung entscheiden die Berater problemorientierter.
  • Alter und Pflege werden als Themen bei der Ausbildung von Mentoren für die Migrantenberatung im Rahmen der BKK-Präventionsinitiative "Mehr Gesundheit für alle" etabliert.
  • Modellprojekt zum persönlichen Pflegebudget zusammen mit anderen Pflegekassen bis 2007 in verschiedenen Bundesländern.

Der diesjährige BKK Pflegetag am 5. April 2006 stellte die ambulante Versorgung ins Zentrum. In Berlin diskutierten namhafte Pflege-Experten über die Zukunft der Pflegeversicherung und mögliche Reformschritte.

Derzeit gibt es 198 BKK-Pflegekassen für rund 14 Millionen Versicherte. Mit der Entscheidung für eine gesetzliche Krankenkasse ist der Versicherte automatisch Mitglied der jeweiligen Pflegekasse. Im Unterschied zu den Krankenkassen beträgt der Beitrag zur Pflegeversicherung einheitlich 1,7 Prozent für Beitragszahler mit Kindern bzw.1,95 Prozent für kinderlose – egal, in welcher Pflegekasse man versichert ist.



Presse und Öffentlichkeitsarbeit
Frau Ann Hörath
Tel.: 030/22312-123
Fax: 030/2231219
E-Mail: presse@bkk-bv.de

BKK Bundesverband
Kronprinzenstraße 6
45128 Essen
Deutschland
www.bkk.de