Vorrang für Haftungsprävention in der Kassenart – Nein zum Schwellenwert
11 Forderungen der Innungskrankenkassen zum GKV-OrgWG
Bergisch Gladbach, Juni 2008 - Wenn der Bund durch gesetzgeberische Maßnahmen die Länder aus ihrer bisherigen Haftungsverpflichtung entlassen wolle, müsse er auch die Konsequenzen aus dieser Entscheidung tragen und die Haftung selber übernehmen. Es könne nicht sein, dass erneut Lasten von der Öffentlichen Hand auf die Krankenkassen verschoben würden, kritisierte der Verwaltungsrat des IKK-Bundesverbandes anlässlich seiner Diskussion über die geplanten Regelungen des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-OrgWG).
In seinem 11-Punkte-Papier forderte er zudem, die Haftung auf die jeweilige Kassenart zu begrenzen und die Haftungskaskade damit aufzuheben. Sollte dies nicht umsetzbar sein, dann müsse zumindest der Schwellenwert von einem Prozent aufgehoben werden. Sonst würde die bisherige vernünftige kassenartinterne Haftungsprävention ad absurdum geführt, da die Lasten auf die gesamte GKV abgewälzt werden könnten. Richtiger wäre es vielmehr, die Kassenart in die Lage zu versetzen, Haftungsrisiken rechtzeitig zu erkennen, um mit geeigneten Maßnahmen dem Eintritt des Haftungsfalls entgegen wirken zu können. Kassenartinternen Lösungen sei immer der Vorzug zu geben.
"Wenn die Regelung so Gesetz werden sollte, ist sie strategieanfällig. Es kann für eine Kassenart durchaus interessant sein, Haftungsprävention komplett aufzugeben, da die Lasten ja im Wesentlichen auf alle Krankenkassen verteilt werden. Finanzielle Hilfen zur Vermeidung von Insolvenzen müssen aber von der Kassenart getragen werden. Es macht auch wenig Sinn, wenn im Wettbewerb ein Wettbewerber die Insolvenzkosten seines Konkurrenten tragen muss", erklärte der versichertenseitige Vorsitzende des Verwaltungsrates, Hans-Jürgen Müller.
Auch die vorgesehenen neuen Kontroll- sowie Aufsichtsrechte des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen wurden vom Verwaltungsrat abgelehnt, da diese ein unzulässiger Eingriff in die Kassenautonomie seien. Vielmehr forderte der Verwaltungsrat die Bundesregierung auf, den Charakter des Spitzenverbandes Bund als Verband im vorwettbewerblichen Raum zu erhalten und nicht durch wettbewerbsrelevante Aufgaben zu überfrachten.
"Der Spitzenverband Bund darf nicht zur zweiten Aufsichtsbehörde mutieren. Mit den Regelungen wird auch die Selbstverwaltung in den Krankenkassen in ihren Kompetenzen beschnitten", so Rolf Wille, arbeitgeberseitiger Verwaltungsratsvorsitzender des IKK-Bundesverbandes.
11 Forderungen der Innungskrankenkassen zum Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung
1. Vorrang des Schließungsrechtes vor dem Insolvenzrecht
Die sozialrechtlichen Vorschriften zum Schließungsrecht sind nicht bruchfrei mit dem Insolvenzrecht zu verbinden. Daher sollte nach Möglichkeit auf die Einführung insolvenzrechtlicher Normen im Sozialrecht verzichtet werden. Mindestens ist aber sicherzustellen, dass dem Schließungsrecht verlässlich Vorrang vor dem Insolvenzrecht eingeräumt wird.
2. Keine neue Lastenverschiebung von der Öffentlichen Hand auf die Krankenkassen
Die Öffentliche Hand kann sich nicht aus ihrer Verantwortung für die Sicherung der Gesundheitsversorgung als Teil der Daseinsvorsorge einseitig zurückziehen. Wenn der Bund durch gesetzgeberische Maßnahmen die Länder aus ihrer bisherigen Haftungsverpflichtung entlassen will, muss er auch die Konsequenz aus dieser Entscheidung tragen und seinerseits in die Haftung eintreten.
3. Haftungsgemeinschaft ist die Kassenart
Es ist ordnungspolitisch verfehlt, Wettbewerber für die Geschäftspolitik ihrer Konkurrenten in die Haftung zu nehmen. Da der besondere Charakter einer sozialen Krankenversicherung aber ein Haftungsnetz erforderlich macht, sollten Ausfallbürgschaften nur unter den Kassen verpflichtend sein, die auf das Haftungsrisiko auch Einfluss haben.
4. Aufhebung des Schwellenwertes von 1 v. H.
Sollte die Haftungskaskade nicht aufgehoben und die Haftung auf die Kassenarten begrenzt werden, ist zumindest der Schwellenwert für die Kassenarthaftung aufzuheben. Nach seiner derzeitigen Konstruktion führt er nur dazu, vernünftige kassenartinterne Haftungsprävention zu Lasten der Gesamt-GKV zu unterlassen und damit die Risiken zu sozialisieren.
5. Haftungsprävention innerhalb der Kassenarten
ermöglichen
Haftungsvermeidung sollte immer
Vorrang haben. Daher ist die Haftungsgemeinschaft (Kassenart) in die Lage zu
versetzen, Haftungsrisiken rechtzeitig zu erkennen, um mit geeigneten Maßnahmen
dem Eintritt des Haftungsfalls entgegen wirken zu können.
6. Kassenartinterne finanzielle Hilfen sachgerecht
organisiert
Kassenartinterne finanzielle
Hilfen können ein entscheidendes Instrument zur Haftungsvermeidung sein. Die
Haftungsgemeinschaft muss sich darauf verlassen können, dass alle Mitglieder
ihren Beitrag leisten. Dazu sind die Vorschriften des § 265 b verbindlich zu
machen.
7. Auf verpflichtende finanzielle Hilfen über den
Spitzenverband Bund verzichten
Kassenartinternen Lösungen, sowohl für die Haftungsprävention als
auch für das Instrument der finanziellen Hilfen, ist aus den vorstehenden
Gründen der Vorzug zu geben. Der ordnungspolitisch verfehlte Ansatz, die
Wettbewerber zur Finanzierung möglicher Fusionsvoraussetzungen für ihre
Konkurrenten heranzuziehen, kann aufgegeben werden.
8. Harmonisierung des Aufsichtshandelns
Unterschiede im Aufsichtshandeln führen im Wettbewerb zu spürbaren
Konsequenzen. Bei der Feststellung der nicht dauerhaft gesicherten
Leistungsfähigkeit einer Kasse als Schließungs- und damit Haftungsgrund gibt es
erhebliche Beurteilungsspielräume. Auch im Hinblick auf die Drei-Monats-Frist,
innerhalb derer die Aufsicht einen Insolvenzantrag stellen kann, kann es zu
unterschiedlichem Herangehen mit Konsequenzen nicht nur für die Kassenart,
sondern die gesamte GKV kommen. Da es nicht vom Zufall der
Aufsichtszuständigkeit abhängen darf, ob und wie es zu einer Kassenschließung
kommt, ist eine verpflichtende Harmonisierung im Aufsichtshandeln
geboten
9. Verzicht auf den Ausbau
des Spitzenverbandes Bund zur zweiten
Aufsichtsbehörde
Die
vorgesehenen neuen Kontroll- sowie Aufsichtsrechte durch den Spitzenverband Bund
werden als unzulässiger Eingriff in die Kassenautonomie abgelehnt.
Die
Bundesregierung wird aufgefordert, den Charakter des Spitzenverbandes Bund als
Verband im vorwettbewerblichen Raum zu erhalten und nicht durch
wettbewerbsrelevante Aufgaben oder die Entwicklung zu einer zweiten
Aufsichtsbehörde zu überfrachten.
10. Rechte der Selbstverwaltung
wahren
Mit dem GKV-WSG ist die
Selbstverwaltung bereits empfindlich in ihren souveränen Rechten beschnitten
worden. Sowohl die Übertragung der Kompetenz Zwangsfusionen herbeizuführen auf
die Aufsichten zusammen mit dem Spitzenverband Bund als auch die Entscheidungen
über die verpflichtenden finanziellen Hilfen nach § 265 a greifen der
Selbstverwaltungssouveränität unzulässig vor.
11. Verwaltungskostenzuweisung aus dem
Gesundheitsfonds im Verhältnis 50 zu 50 belassen
Die Zuweisung der Verwaltungskosten muss einen angemessenen Finanzierungsanteil für die regelmäßig anfallenden Standardverwaltungsaufwände (Fixaufwände), die unabhängig von der Morbidität der Versicherten anfallen, berücksichtigen.
Herr Joachim Odenbach
Pressesprechen
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IKK-Bundesverband
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