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02.10.2012 - dvb-Presseservice

Wirth-Rechtsanwälte: Urteil - Ist die Vermittlung von privaten Krankenzusatzversicherungen durch gesetzliche Krankenversicherungen zulässig?

Richtlinienkonforme Umsetzung der Versicherungsvermittlerrichtlinie auf dem Prüfstand – BGH ist gefragt

 Mit Urteil vom 04.09.2012 entschied das Brandenburgische Oberlandesgericht (Az. 6 U 20/11) in einem von der Rechtsanwaltskanzlei “Wirth-Rechtsanwälte” für den AfW – Bundesverband Finanzdienstleistung e.V. geführten Rechtsstreit gegen die AOK Nordost.

 

Der Verband will im Rahmen eines Wettbewerbsprozesses durchsetzen, dass die AOK Nordost es zukünftig unterlässt, private Krankenzusatzversicherungen anzubieten, zu ermöglichen und/oder mit einem derartigen Angebot zu werben.

 

Die Klage wurde auch in zweiter Instanz abgewiesen. Die Revision zum Bundesgerichtshof wurde wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Angelegenheit zugelassen.

 

Der Hintergrund dieses Rechtsstreits ist folgender: Der AfW – Bundesverband Finanzdienstleistung e.V. ist der Berufsverband unabhängiger Finanzdienstleister. Seine Mitglieder sind qualifizierte und registrierte Versicherungs- und Finanzanlagenvermittler. Der Verband sieht in der Vermittlung von Versicherungen durch Mitarbeiter der gesetzlichen Krankenkasse AOK Nordost einen Verstoß gegen Paragraf 34 d Gewerbeordnung (GewO). Der § 34 d GewO wurde insbesondere eingeführt, damit den Verbrauchern nur noch qualifizierte, registrierte und mit einer Berufshaftpflichtversicherung ausgestattete Versicherungsvermittler gegenüber stehen. Nach dieser im Zuge der EU-Versicherungsvermittlerrichtlinie mit Wirkung zum 22.05.2007 neu eingeführten Vorschrift bedarf es zur gewerblichen Vermittlung von Versicherungsverträgen einer gewerberechtlichen Erlaubnis und einer Registrierung bei der zuständigen IHK. Weder die AOK Nordost noch die einzelnen Mitarbeiter haben eine solche Erlaubnis und Registrierung.

 

„Die Versicherungsvermittlung durch die AOK Nordost halten wir für eine grundsätzlich nach § 34 d Gewerbeordnung erlaubnispflichtige Versicherungsvermittlung. Da die für alle Versicherungsvermittler notwendige Erlaubnis nicht vorliegt - und insofern auch die entsprechenden Voraussetzungen nicht erfüllt sind -, verschafft sich die AOK Nordost unserer Meinung nach einen unlauteren Wettbewerbsvorteil.“ so der prozessführende Rechtsanwalt und Fachanwalt für Versicherungsrecht Tobias Strübing von der Kanzlei Wirth-Rechtsanwälte.

 

Das OLG Brandenburg sieht das mit seinem aktuellen Urteil anders. Die Klage wurde letztlich als unbegründet abgewiesen. Das Gericht ist der Auffassung, dass die AOK Nordost nicht der Erlaubnispflicht des 34 d GewO unterliegt. Zwar ist das Gericht der Meinung, dass das Handeln der AOK grundsätzlich ein Wettbewerbsverstoß sein könnte. Jedoch sei – so das Gericht – der AOK die Vermittlung privater Zusatzversicherungen mit dem bereits seit 2003 existierenden § 194 Abs. 1a SGB V als spezialgesetzliche Regelung gestattet, welche den erst 2007 eingeführten § 34d GewO verdrängt. Diese Vorschrift aus dem Sozialgesetzbuch gestattet den gesetzlichen Krankenkassen die Vermittlung privater Zusatzversicherungen, wenn die Satzung dies vorsieht – wie bei der AOK Nordost geschehen. „Nicht hinreichend gewürdigt wurde nach unserer Auffassung durch das Gericht der Umstand, dass die gewerberechtliche Regulierung der Versicherungsvermittlung erst später erfolgte. Wir sind der Meinung, dass die 2007 eingeführte, verbraucherschützende Regulierung selbstverständlich auch schon bestehende Regelungen für die Sozialversicherungen mit einbezog.“ kommentiert Rechtsanwalt Strübing.

 

Der Geschäftsführende Vorstand des klagenden Berufsverbandes AfW, Rechtsanwalt Norman Wirth, hierzu: „Das damit der mit Einführung des Paragraf 34 d Gewerbeordnung beabsichtigte Verbraucherschutz - im Sinne einer Beratung durch qualifizierte Versicherungsvermittler der potentiellen Versicherungskunden - völlig auf der Strecke bleibt, ist scheinbar für die beteiligte private Versicherungsgesellschaft, die AOK Nordost aber wohl auch für die untätigen Aufsichtsbehörden, wie z.B. die BaFin, nicht von Bedeutung.“

 

Die Entscheidung des BGH in der Angelegenheit dürfte spannend werden. Sollte die Begründung des OLG Brandenburg – wider Erwarten – Bestand haben, steht zur Diskussion, ob der deutsche Gesetzgeber die EU-Versicherungsvermittlerrichtlinie unzureichend umgesetzt hat. Eine Vorlage beim europäischen Gerichtshof zwecks Klärung dieser Frage ist denkbar. Eine Befassung mit der Problematik im Rahmen der aktuell diskutierten IMD 2 (Insurance Mediation Directive 2, Revision der EU-Vermittlerrichtlinie) ist zu erwarten.

 

 

 



Herr Norman Wirth
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E-Mail: kanzlei@wirth-rechtsanwaelte.com

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Über „Wirth-Rechtsanwälte“:



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