Anlagenhaftung (§ 22 II WHG)

Mit § 22 Abs. 2 WHG wird die Haftung für Schäden durch Stoffe geregelt, die aus wassergefährdenden Anlagen in ein Gewässer gelangen. Der Begriff einer Anlage wird vom Gesetzgeber dabei weit ausgelegt.

Er erfasst nicht nur bekannte Risiken, wie z.B. Heizöl-, Diesel-, Benzin- und Chemikalientanks, sondern auch sämtliche Formen kleinerer Gebinde, die gewässerschädliche Stoffe enthalten, wie z.B. Kanister und Dosen in Farben, Lösungsmitteln, Ölen etc..

Auch die Lagerung fester Stoffe, die durch Wasserzutritt verflüssigt werden können, wie z.B. Dünge- und Pflanzenschutzmittel, und Produktionsanlagen, Lackierstraßen und ölhaltige Maschinen, sogar Tankfahrzeuge fallen unter den Anlagenbegriff des WHG.

Es ist also gleichgültig, ob diese Anlagen ortsfest oder beweglich sind und welche Größe oder Kapazität die Anlage hat. Jeweilige Voraussetzung ist jedoch, dass die Anlage dazu bestimmt ist, wassergefährdende Stoffe herzustellen, zu verarbeiten, zu lagern o.ä..

Nicht als Anlagen im Sinne des § 22 Abs. 2 WHG gelten die Lagerstätten, deren Inhalte erst durch eine chemische Umwandlung wassergefährdend werden, wie z.B. bei Kunststoffen, die nach einem Brand der Lagerhalle mit dem Löschwasser in die Kanalisation gelangen.

Der genannte Anlagenbegriff gilt sowohl im Gewerbe als auch im privaten Bereich.

In § 22 Abs. 2 WHG ist die Gefahr erfasst, dass Stoffe unbeabsichtigt aus der Anlage, aber nicht notwendig auch unmittelbar, in das Gewässer gelangen, z.B. undichter Abwasserkanal, umstürzender Tankwagen. Er erfasst damit den Störfall.

Beispiel:

  • Aus der innerhalb des Betriebsgeländes verlegten Ölpipeline vom Rohölsammeltank zur Raffinerie gelangen unbemerkt große Mengen Rohöl in den Boden und von dort in das Grundwasser. Durch die eintretende Verunreinigung des Grundwassers muss das Wasserwerk die Entnahme einstellen.

Wird in § 22 Abs. 1 WHG die Haftung für Handlungen geregelt, so betrifft § 22 Abs. 2 WHG die Haftung für potentiell gefährliche Anlagen. Hier wird, anders als bei § 22 Abs. 1 WHG und bei § 823 BGB, die Haftung allein an die Wirkung einer Anlage geknüpft, losgelöst von einem menschlichen Verhalten. Dementsprechend haftet auch nur der Anlageninhaber, also das Unternehmen selbst. Direkte Schadenersatzansprüche gegen die für den Schaden verantwortlichen Unternehmensmitarbeiter sind dagegen bei § 22 Abs. 2 WHG im Gegensatz zu § 22 Abs. 1 WHG nicht möglich.

Der Inhaberbegriff ist im WHG nicht definiert, er wurde deshalb von der Rechtsprechung näher beschrieben. Danach gilt als Inhaber der Anlage, wer die tatsächliche Verfügungsgewalt besitzt und auf ihren Betrieb Einfluss nimmt oder nehmen kann. In den meisten Fällen wird dies der Eigentümer sein. Daneben kommen Pächter und Leasingnehmer in Betracht. In Zweifelsfällen kann zur Bestimmung des Inhabers auch auf die gewerberechtliche Anlagengenehmigung (z.B. nach §§ 4, 15 BImSchG) zurückgegriffen werden.

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