Besonderheiten (UmweltHG)

Ursachenvermutung

Das UmweltHG beinhaltet auch das Ziel, den einzelnen Anlagenbetreiber zu schadenvermeidenden Verhalten und damit zu umweltschonenden Arbeitsmethoden anzuhalten, indem es das Risiko erhöht, zu Schadenersatzansprüchen herangezogen zu werden.

Dieses Ziel kann nur dann erreicht werden, wenn es den Geschädigten auch tatsächlich gelingt, ihre berechtigten Ansprüche durchzusetzen. Grundsätzlich trägt der Anspruchsteller die Beweislast für das Vorliegen sämtlicher Anspruchsvoraussetzungen einer Schadensersatznorm. Ein besonderes Problem der bisherigen Haftungslage lag darin, dass es dem Geschädigten häufig nicht möglich war, die Ursächlichkeit einer Anlage eines Betriebes für den bei ihm eingetretenen Schaden zu beweisen, weil auch andere Ursachen in Frage kommen konnten und / oder weil der Schaden keinem konkreten Verursacher zugeordnet werden konnte.

Im Bereich von Umweltschäden ist der Nachweis des Zurechnungszusammenhangs zwischen der Umwelteinwirkung und dem eingetretenen Schaden oft nur sehr schwer möglich. So kann in zeitlicher und örtlicher Hinsicht eine große Spanne zwischen der Emissionsquelle und dem Schadeneintritt liegen und die Schädlichkeit eines emittierten Stoffes unklar sein. So musste z.B. der Geschädigte nachweisen, dass die Missbildungen seiner Gemüsepflanzen auf die Emissionen des Nachbarbetriebes zurückzuführen waren. Die dabei entstehenden hohen Gutachterkosten für die Beweisführung machten dem Geschädigten eine Durchsetzung seiner Ansprüche meist unmöglich.

Mit der nunmehr gesetzlich eingeführten Beweiserleichterung in Form der Ursachenvermutung hat der Gesetzgeber versucht, diese Problematik zu Lasten des Anlageninhabers zu lösen. Der Geschädigte braucht jetzt lediglich darzulegen, dass die Anlage nach den Gegebenheiten des Einzelfalles konkret geeignet war, den entstandenen Schaden zu verursachen. Gelingt ihm dieser Nachweis, so wird widerlegbar vermutet, dass der Schaden durch die Anlage verursacht worden ist, d.h. dem Anlageninhaber trifft die Beweislast für seine Entlastung. Es handelt sich somit um eine besondere Form des Anscheinsbeweises.

Die Ursachenvermutung erstreckt sich auf folgende Kausalitätsfragen:

  • Zum einen wird vermutet, dass der geltend gemachte Schaden tatsächlich durch die Umwelteinwirkung entstanden ist, wenn der Geschädigte eine Rechtsgutsverletzung erlitten hat, für die eine Umwelteinwirkung in Betracht kommt.

Beispiel:

  • Der Geschädigte hat eine Atemwegsreizung (=Körper-/ Gesundheitsbeschädigung) erlitten, die durch ärztliche Diagnose auf Chlorgas zurückzuführen ist. Dadurch ist er für drei Tage arbeitsunfähig (Schaden = Heilkosten, entgangener Verdienst).
  • Zum anderen wird vermutet, dass die von der vom Geschädigten genannten Anlage die schadenverursachende Umwelteinwirkung tatsächlich ausgegangen ist, wenn diese Anlage konkret geeignet ist, diese Umwelteinwirkung hervorzurufen.

Beispiel:

  • In der Nachbarschaft des Geschädigten befindet sich die chlorverarbeitende Fabrik F.

Wie sich aus § 6 Abs.1 Satz 2 UmweltHG ergibt, reicht allerdings die bloße Behauptung der Ursächlichkeit nicht aus. Für das Eingreifen der Ursachenvermutung, also für den Nachweis der Eignung der in Anspruch genommenen Anlage zur Schadenverursachung, ist zumindest eine sachkundige Darlegung aller Umstände des Einzelfalles erforderlich. Der Geschädigte trägt hierfür grundsätzlich die Darlegungs- und auch die Beweislast. Die näheren Kriterien dazu werden dort ausdrücklich genannt, sind allerdings nur beispielhaft und nicht abschließend.

Zur Erleichterung dieser Darlegung stehen dem Geschädigten gem. §§ 8-10 UmweltHG Auskunftsansprüche zu.

Ausschluss der Vermutung bei Normalbetrieb

Die Ursachenvermutung des § 6 Abs. 1 UmweltHG gilt zugunsten des Geschädigten nur, wenn eine Störung des Betriebes der Anlage vorliegt, oder wenn deren Inhaber die besonderen Betriebspflichten nicht eingehalten hat. Die Anwendung der Ursachenvermutung ist gem. § 6 Abs. 2 UmweltHG umgekehrt also dann ausgeschlossen, wenn der Anlageninhaber nachweist, dass er die Bedingungen des sog. Normalbetriebes eingehalten hat. Hierfür trägt er, die zu seiner Entlastung notwendige Beweislast.

Als Normalbetrieb gilt der Betrieb der Anlage, für den diese ihrer Konstruktion nach bestimmt ist und ihrer gewöhnlichen Arbeitsweise im Rahmen ihrer Betriebsgenehmigung entspricht. Zum Nachweis der Einhaltung der besonderen Betriebspflichten wird auf die Vorschriften des öffentlichen Rechts abgestellt. Entscheidend dafür ist also die Beachtung des in ihrer Genehmigung öffentlich rechtlich vorgehenden Rahmens, wie z.B. die Betreiberpflichten nach §§ 6, 5 BImSchG und die Grenzwerte der TA-Luft. Als Normalbetrieb ist also zu bezeichnen, wenn einerseits die verwaltungsrechtlichen Zulassungen, Auflagen und sonstigen behördlichen Vorschriften eingehalten werden und andererseits kein Störfall vorliegt.

Der Störfallbegriff ist nicht im UmweltHG definiert. Er liegt bei Betriebsabweichungen vor, die nicht im Rahmen der technischen Auslegung bleiben und die Toleranzgrenzen überschreiten, auch wenn Sicherheitsvorkehrungen ausgelöst werden.

Beispiel:

  • Aufgrund einer verstopften, giftige Gase führenden Leitung kommt es dort zu einem Überdruck, der ein Sicherheitsventil öffnet. Dadurch werden giftige Gase freigesetzt.

Beide Bereiche überschneiden sich oft, denn die Wahrscheinlichkeit eines Störfalls steigt natürlich mit der Anzahl der Verletzungen der Betriebspflichten, z.B. wenn die behördlich vorgeschriebenen Wartungsintervalle an der Anlage nicht eingehalten werden.

Weiterer Ausschluss der Vermutung

Die Ursachenvermutung des § 6 Abs. 1 UmweltHG greift in weiteren Fällen nicht, die in § 7 UmweltHG geregelt werden und den Nachweis der Eignung eines anderen Umstandes fordern.

Gerade im Umweltbereich ist es an der Tagesordnung, dass mehrere Anlagen die schadenursächliche Gesamtbelastung bewirken, wie z.B. in einem größeren Industriegebiet. In diesem Fall braucht der Geschädigte aber nicht nachzuweisen, welche der Anlagen tatsächlich seinen Schaden verursacht hat. Ausreichend ist vielmehr, dass eine dieser Anlage diesen Schaden verursacht haben kann, um die Haftung der Inhaber aller Anlagen auszulösen (als Gesamtschuld gem. § 421 BGB). Diese müssen dann den Beweis geeigneter Alternativursachen führen. Als ein solcher konkreter anderer Umstand kommen z.B. Handlungen Dritter, wie ein Einleiten von Schadstoffen in ein Gewässer, oder sonstige Anlagen, für die das UmweltHG nicht gilt, in Betracht, wie z.B. WHG-Anlagen iSd § 22 WHG. Auch bereits bestehende Vorbelastungen seitens des Geschädigten oder vorliegende allgemeine Umweltbelastungen können darunter fallen

Auskunftsansprüche

Um den Geschädigten die Durchsetzung seiner Schadenersatzansprüche zu erleichtern, hat ihm das UmweltHG in den §§ 8 ff. weitgehende Auskunftsansprüche gegen den Inhaber einer Anlage bzw. gegen Behörden eingeräumt.

Voraussetzung für derartige Ansprüche ist, dass der Geschädigte zunächst nachweist, dass er einen Schaden erlitten hat, für den der Inhaber der Anlage nach dem UmweltHG zu haften hätte. Dabei genügt weder die bloße Behauptung einer Verursachung, noch eine unspezifizierte Verdächtigung. Der Geschädigte muss vielmehr ganz konkrete Tatsachen vortragen und gegebenenfalls beweisen, welche die ernsthafte Möglichkeit einer Schadenverursachung begründen. Weiterhin ist Voraussetzung, dass die gewünschte Auskunft zur Feststellung eines Anspruchs nach dem UmweltHG erforderlich ist. Der Umfang der Auskunftspflicht wird von vornherein auf bestimmte Angaben begrenzt. Die von den Gegnern einer solchen Regelung befürchtete Gefahr einer Ausforschung der Anlageninhaber ist somit als gering einzuschätzen.

Voraussetzung der Auskunftsansprüche des Geschädigten gegen einen Anlageninhaber, neben einem feststehenden Schaden, ist zunächst das Vorliegen von Tatsachen dafür, dass die Anlage als Schadensverursacher in Betracht kommt.


Beispiel:

  • Der durch Chlorgas Geschädigte kann einen Zeugen dafür benennen, dass am Tag seines erlittenen Schadens aus der Anlage eine Gaswolke ausgetreten ist.

Weiterhin muss die gewünschte Auskunft zur Feststellung eines Anspruchs nach dem UmweltHG erforderlich sein.

Beispiel:

  • Der Geschädigte muss in o.a. Beispiel darüber Auskunft erlangen, ob es sich bei der ausgetretenen Wolke um Chlorgas handelte und in welcher Konzentration das der Fall war.

Nicht erforderlich wäre eine Auskunft z.B. dann, wenn der Geschädigte lediglich einen reinen Vermögensschaden geltend macht, oder die in Anspruch genommene Anlage überhaupt nicht unter das UmweltHG fällt.

Auskunftsrecht gegenüber Behörden

Der Auskunftsanspruch des Geschädigten besteht gem. § 9 UmweltHG auch gegenüber den Behörden, die die Anlage genehmigt haben, überwachen müssen oder deren Aufgabe es ist, Einwirkungen auf die Umwelt zu erfassen. Der Anspruch ist ebenso wie der gegen den Anlageninhaber beschränkt; er darf nicht Belange der Behörde, des Landes oder des Bundes beeinträchtigen.

Dieser Auskunftsanspruch unterliegt den gleichen Voraussetzungen wie der des § 8 Abs. 1 UmweltHG; zu Inhalt, Form und Kostentragung gilt dies entsprechend.

Auskunftsansprüche des Anlageninhabers

Diese Ansprüche gem. § 10 UmweltHG stehen dem Inhaber einer Anlage quasi als Ausgleich zu den Rechten des Geschädigten zu. Es soll damit quasi eine Art Waffengleichheit der Parteien eingeführt und die Gefahr des Missbrauchs von Schadensersatzansprüchen vermindert werden.

Danach kann der Anlageninhaber zum einen vom Geschädigten Auskunfts- und Einsichtsgewährung verlangen, soweit dies zur Feststellung des Umfanges seiner Ersatzpflicht erforderlich ist.

Im Falle einer gesamtschuldnerischen Inanspruchnahme kann der vom Geschädigten in Anspruch genommene Anlageninhaber zum anderen seinerseits auch Ausgleichsansprüche gegen die anderen Anlageninhaber geltend machen. Zur Feststellung des Umfanges dieser Ausgleichsansprüche kann er gegen die anderen betroffenen Anlageninhaber die gleichen Auskunftsansprüche wie der Geschädigte selbst geltend machen.

Parallel zu den Ansprüchen des Geschädigten hat auch der Anlageninhaber darüber hinaus auch einen Auskunftsanspruch gegen die Behörden.

§ 10 Abs. 2 UmweltHG verweist auf die entsprechenden im umgekehrter Richtung geltenden Bestimmungen. Es ergeben sich daher daraus keine inhaltlichen oder formalen Besonderheiten.

Deckungsvorsorge

Für Inhaber von Anlagen mit besonders hohem Gefährdungspotential, die im Anhang 2 zu § 19 UmweltHG aufgelistet sind, begründet § 19 die Pflicht, eine sog. Deckungsvorsorge zu treffen. Betroffen davon sind Anlagen für die gemäß § 1, 7 Störfallverordnung eine Sicherheitsanalyse zu fertigen ist, z.B. bestimmte Recycling-Anlagen, bestimmte Pflanzenschutzmittellager. Die Deckungsvorsorge, die in einer noch zu erlassenen Rechtsverordnung (vgl.§ 20 UmweltHG) näherer Ausgestaltung bedarf, soll gewährleisten, dass die Inhaber von Anhang 2-Anlagen ihren gesetzlichen Verpflichtungen zum Ersatz von Schäden nachkommen können, die von ihren Anlagen aus entstehen. Erfasst werden damit sämtliche in Betracht kommenden Haftungsgrundlagen.

Die Deckungsvorsorge kann durch Abschluss einer Haftpflichtversicherung oder durch andere gleichwertige Deckungsvorsorgemaßnahmen erbracht werden (vgl. § 19 Abs.2). Auf diese Weise soll den Geschädigten das Insolvenzrisiko der Anlagenbetreiber abgenommen und die Befriedigung seiner berechtigten Schadensersatzansprüche erleichtert werden. Eine solche Lösung entspricht den Regelungen einiger anderer Gefährdungshaftungstatbestände, wie z.B. § 94 Arzneimittelgesetz und § 13 Atomgesetz.

Kommt der Inhaber seiner Verpflichtung zur Deckungsvorsorge nicht nach, so kann die Behörde den Betrieb der Anlage stilllegen (vgl. Abs.4). Der Inhaber macht sich darüber hinaus gemäß § 21 UmweltHG strafbar.

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