Risikoabgrenzungen (Produkt-HV)

Unter der Ziff. 6 werden sowohl nicht versicherte Tatbestände (Ziff. 6.1) als auch Ausschlusstatbestände (Ziff. 6.2) aufgeführt.


Zu Ziff. 6.1: Nach Ziff. 6.1.1 sind Vertragserfüllungssurrogate nicht vom Versicherungsschutz umfasst, soweit sie nicht ausdrücklich mitversichert sind, wie in Ziff. 4.6.3 und 4.6.4.


Zu Ziff. 6.2: Zu Ziff. 6.2.1Garantien Der Ausschluss verdeutlicht zunächst, dass Ansprüche aus Garantien ebenso wenig Gegenstand des Versicherungsschutzes sind wie Ansprüche, die durch vertragliche Haftungserweiterungen Abweichungen vom gesetzlichen Umfang aufweisen. Auch wenn kein selbständiger Garantievertrag zustande kommt, etwa weil eine Garantie vom Verkäufer als Teil des Kaufvertrages abgegeben wird, bleiben Ansprüche, die auf diese Weise keine gesetzlichen Schadenersatzansprüche mehr darstellen, vom Versicherungsschutz ausgeschlossen. Darunter fallen mithin z.B. Haltbarkeitsgarantien, mit denen die gesetzliche Haftung für Mängel durch eine Garantiefrist erweitert wird, in der etwa auch für Mängel gehaftet wird, die nach Gefahrübergang auftreten.

Die genannten Vereinbarungen bestimmter Eigenschaften im Sinne der Ziff. 4.1 (sowie der entsprechenden Formulierungen in Ziff. 4.2 ff.) führen allerdings bei auf Sachmängeln beruhenden Schadenersatzansprüchen Dritter dazu, dass - bei ansonsten gesetzlichem Umfang - hinsichtlich des Maßstabs des Vertretenmüssens die Haftung verschärft wird (verschuldensunabhängig statt verschuldensabhängig). Klargestellt wird, dass der Ausschluss insoweit keine Anwendung findet als diesbezüglich Versicherungsschutz besteht. Deutlich gemacht ist damit auch, dass der Ausschluss nur diese eine Ausnahme aufweist.


Zu Ziff. 6.2.4: Pflichtwidrigkeitsklausel Zentraler Begriff der Bestimmung ist das bewusste Abweichen von Gesetzen etc.. Erforderlich ist danach, dass die betreffende Person um das Abweichen von Vorschriften weiß.

Dabei muss sich die Kenntnis nur auf den Verstoß, nicht auf die Möglichkeit eines späteren Schadeneintrittes beziehen. Neben dem bewussten Abweichen von gesetzlichen oder behördlichen Vorschriften führt auch ein Abweichen von schriftlichen Anweisungen oder Bedingungen des Auftraggebers zur Anwendbarkeit des Ausschlusses. Dem VN sind derartige Anweisungen seines Auftraggebers oftmals eher präsent, als gesetzliche oder behördliche Vorschriften. Der Auftraggeber wird bestimmte Anweisungen, z.B. über Materialstärke, Materialverhalten, Dimensionierung, häufig mit Rücksicht auf bestimmte Verwendungszwecke der von ihm bestellten Erzeugnisse geben.

Den Versicherungsschutz verliert nur derjenige, der bewusst gegen die entsprechenden Vorschriften verstößt, wobei Verstöße der Repräsentanten dem VN zugerechnet werden. Der VN selbst und seine Repräsentanten haben dann Versicherungsschutz, wenn ein sonstiger Mitversicherter ohne ihr Wissen oder gegen ihren Willen bewusst die Vorschriften außer Acht lässt.


Zu Ziff. 6.2.5: Experimentierrisiko Mit dieser Regelung wird das Erprobungsrisiko angesprochen. Der VR will vermeiden, zur Nachfinanzierung herangezogen zu werden, wenn eine ausreichende Erprobung der Erzeugnisse nicht stattgefunden hat. Versicherungsschutz wird daher von vornherein unter Ausschluss des Risikos nicht ausreichend erprobter Erzeugnisse geboten.

Der Maßstab für die ausreichende Erprobung im Sinne der Ziff. 6.2.5 ist der jeweilige Stand der Technik. Nur ausnahmsweise mag einmal kein Stand der Technik für die Erprobung eines Erzeugnisses zu ermitteln sein; in diesem Fall ist ein Erzeugnis als ausreichend erprobt anzusehen, wenn die Erprobung in sonstiger Weise erfolgte und dabei ein dem Stand der Technik vergleichbarer Qualitätsmaßstab beachtet wurde.

Der Begriff Stand der Technik ist ein verbreiteter technischer Bewertungsmaßstab, der auch in verschiedenen Gesetzen Anwendung findet. Bezogen auf die Ausschlussklausel ist dies der aktuelle Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen zur Erprobung, der die praktische Eignung des Erzeugnisses für den konkreten Verwendungszweck gesichert erscheinen lässt. In dem aktuellen Entwicklungsstand sind gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse umgesetzt.

Das Erzeugnis muss dabei eine Erprobung im Hinblick auf den konkreten, d.h. den vorgesehenen oder besonders angegebenen Verwendungszweck erfahren haben. Der Anwendungsbereich der Ziff. 6.2.5 ist nicht auf neue Erzeugnisse beschränkt, sondern erstreckt sich auch auf in der Zusammensetzung geänderte oder weiterentwickelte Erzeugnisse.

Durch Abs. 2 wird diese Bestimmung dahingehend eingeschränkt, dass sie nicht gilt, wenn durch nicht ausreichend erprobte Erzeugnisse „unbeteiligte“, also zufällig beeinträchtige Drittsachen beschädigt werden.

Auf Personenschäden findet Ziff. 6.2.5 keine Anwendung.


Zu Ziff. 6.2.6: Luftprodukthaftpflicht Durch diese Modifizierung der Bestimmung wird das gesamte Luftprodukthaftpflichtrisiko mit Rücksicht auf die hierfür gegebenen speziellen Versicherungsnotwendigkeiten und –mög-lichkeiten ausgeschlossen. Hierdurch ist auch Austauschkostenrisiko bezüglich Luftfahrzeugteile erfasst.

Versicherungsschutz ist jedoch dann gegeben, wenn sich aus den gesamten Umständen - Art der Produkte, Person des Bestellers oder Weiterverarbeiters, Verhandlung mit dem Besteller, Auftragserteilung etc. - nicht ergab, dass die Teile für den Bau von Luft- oder Raumfahrzeugen oder den Einbau in Luft- oder Raumfahrzeuge bestimmt waren, die Notwendigkeit bzw. Möglichkeit des Abschlusses einer Luftprodukthaftpflichtversicherung also nicht erkannt werden konnte.


Beispiele:

  • VN erhält von einem Flugzeughersteller den Auftrag zur Lieferung von Höhenmessern: Weder für Austauschkosten noch für Personen- und Sachschäden besteht Deckung.
  • VN erhält von einem Unternehmen zur Herstellung elektrischer Präzisionsgeräte aller Art den Auftrag zur Lieferung einer größeren Menge standardisierter Leitungen, die vielseitig verwendbar sind. Es war nicht ersichtlich, dass diese Leitungen für die Herstellung von Höhenmessern verwendet werden sollten: Sowohl für Austauschkosten als auch für Personen- und Sachschäden besteht Deckung.


Ziff. 6.2.7: Konzernklausel Es kommt heutzutage häufig vor, dass in Unternehmen Produktionszweige oder Abteilungen verselbständigt werden und den Status einer eigenständigen juristischen Person erhalten.

Bei der Deckung für Vermögensschäden gem. Ziff. 4.2 ff. wäre die Folge, dass nur wegen dieser Strukturänderung Schäden als Drittschäden relevant würden, die bei einheitlicher Betrachtung des Herstellungsablaufes (oder innerhalb eines Unternehmens ohne diese Strukturen) als interne Wertschöpfung innerhalb einer Produktionskette Eigenschäden wären.

Vor dem Hintergrund der oben geschilderten Situation ist es üblich, in Haftpflichtverträgen, die mehrere Unternehmen einer Firmengruppe / eines Konzerns in einem einheitlichen Versicherungsvertrag absichern, bei der ggf. vorgesehenen Mitversicherung von Haftpflichtansprüchen der mitversicherten Unternehmen untereinander, den Bereich der Vermögensschäden gem. Ziff. 4.2.ff. von der Deckung auszuklammern.

In der Praxis ist jedoch auch der Fall zu beobachten, dass die verschiedenen Unternehmen einer Firmengruppe / eines Konzerns jeweils eigenständige Haftpflichtverträge unterhalten. Die Konzernklausel verhindert bei derartigen Fallkonstellationen, dass ohne weiteres Deckung für die interne Wertschöpfung innerhalb der Produktionskette geboten wird.

Bei der Prüfung des individuellen Risikos ist es deshalb angeraten, zu prüfen, inwieweit oben genannte Fallkonstellationen vorliegen. Soweit die Absicherung in eigenständigen Versicherungsverträgen der wirtschaftlichen Eigenständigkeit der jeweiligen Konzernunternehmen entspricht und sich einzelne Konzernunternehmen am Markt gleichsam wie unabhängige Dritte begegnen, ist die Streichung der Konzernklausel denkbar. Der partielle Ausschluss von Vermögensschäden i.S. von Ziff. 4.2 ff. für Konzernunternehmen ist ebenso wie die Mitversicherung bei der Prämiengestaltung zu berücksichtigen.


Ziff. 6.2.8: Rückrufkostenausschluss Außer in den Ziff. 4.2.2.3, 4.3.2.2, 4.4.4.3 und 4.6.5 ist zur Vermeidung eines Kumuls mit einer gleichzeitig bestehenden Rückrufkostenversicherung auch in den Ziff. 4.2.2.4 und 4.3.2.3 ein Rückrufkostenausschluss erforderlich.

Bei allen diesen Kostentatbeständen ist eine Überschneidung mit solchen der Rückrufkostenhaftpflichtversicherung zu befürchten.

Die Formulierung stellt nicht darauf ab, ob die entsprechende, an sich durch das Produkthaftpflicht-Modell versicherte Maßnahme zur Erfüllung einer gesetzlichen Rückrufpflicht durchgeführt wird, sondern ob ein (auf gesetzlicher Verpflichtung beruhender) Rückruf tatsächlich durchgeführt wurde. Damit wird vermieden, dass man sich im Nachhinein bei der Beurteilung der Frage, ob der Ausschluss eingreift, über die Rechtsfrage streiten muss, ob eine gesetzliche Rückrufpflicht des VN bestand oder nicht. Dies kann schwierig zu beurteilen sein, zumal Rückrufpflichten zum Teil auf relativ neuem Richterrecht beruhen und damit zwangsläufig noch nicht klar umrissen sind. Die neue Formulierung, die nur tatsächlich durchgeführte Rückrufe betrifft, grenzt dieses Problem ein, denn bei einem Rückruf, der wirklich stattgefunden hat, lässt sich die Frage, ob er auf gesetzlicher Verpflichtung beruhte, leichter prüfen als im hypothetischen Fall eines (möglicherweise pflichtwidrig) unterlassenen Rückrufes.

Die Austauschkostendeckung ist sicherlich der Baustein des Produkthaftpflicht-Modells, der am meisten Überschneidungspotential mit der Rückrufkosten-Haftpflichtversicherung aufweist.

Beispiele:

  • VN stellt Elektromotoren für Dunstabzugshauben her. Im Rahmen einer Rückrufaktion des Herstellers der Dunstabzugshauben müssen die Elektromotoren wegen Kurzschluss- und damit verbundener Brandgefahr ausgetauscht werden. Versicherungsschutz besteht wegen nur über eine gesondert zu vereinbarende Rückrufkosten-Haftpflichtversicherung.
  • VN stellt Steuerungschips für Elektromotoren her, die in verschiedene Haushaltsgeräte eingebaut werden. Im Rahmen von Rückrufaktionen der Haushaltsgerätehersteller müssen die Elektromotoren wegen Kurzschluss- und damit verbundener Brandgefahr ausgetauscht werden. Der Hersteller der Elektromotoren regressiert beim VN nicht nur die bei den Haushaltsgeräteherstellern angefallenen Rückrufkosten, sondern macht auch die Kosten für die Herstellung der Elektromotoren, in welche die Steuerungschips untrennbar eingearbeitet worden waren, geltend. Für die Rückrufkosten einschließlich der Kosten für den Austausch der Elektromotoren besteht wegen Ziff. 6.2.8 Versicherungsschutz nur über eine gesondert zu vereinbarende Rückrufkosten-Haftpflichtversicherung. Die Herstellungskosten der Elektromotoren sind jedoch über Ziff. 4.2.2.2 gedeckt.


Eine Streichung der Ziff. 6.2.8 bewirkt keinen adäquaten Versicherungsschutz für Rückrufkostenrisiken. Insbesondere dem für Rückrufaktionen risikotypischen Austausch bei nur vermuteten Mängeln wird keine Rechnung getragen, weil der Versicherungsschutz gemäß Ziff. 4.4 die tatsächliche Mangelhaftigkeit des auszutauschenden Erzeugnisses voraussetzt. Dies gilt auch dann, wenn der fakultative Deckungsbaustein Ziff. 4.6 „Prüf- und Sortierkosten“ vereinbart wurde. Zwar werden nach Ziff. 4.6.3 Austauschkosten auch bei begründetem Mangelverdacht gedeckt, jedoch nur als kostengünstigere Ersatzmaßnahme anstelle der Prüf- und Sortierkosten. Im Rahmen einer Rückrufkostenversicherung sind hingegen sowohl die Prüf- und Sortierkosten als auch die Kosten des Austausches (auch von Einzelteilen) bei begründetem Mangelverdacht standardmäßig versichert. Zusätzlich deckt die Rückrufkostenversicherung über Ziff. 4.4 hinausgehende Kostenpositionen (z.B. Benachrichtigungs-, Zwischenlagerungs- und Vernichtungskosten) ab.

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