Unverfallbarkeit (bAV)

Unverfallbarkeit dem Grunde nach

Der Gesetzgeber geht bei der arbeitgeberfinanzierten bAV davon aus, dass die bAV als Belohnung für die Betriebstreue des Arbeitnehmers gewährt wird. Wenn ein Arbeitnehmer vorzeitig aus dem Unternehmen ausscheidet und so die Erwartung auf Betriebstreue nicht erfüllt hat, kann ihm das Versorgungsversprechen wieder entzogen werden.

Scheidet ein Arbeitnehmer vor Eintritt eines Versorgungsfalles aus dem Unternehmen aus, ist zum Ausscheidezeitpunkt zu prüfen, ob die gesetzlichen Unverfallbarkeitsvoraussetzungen gemäß § 1b BetrAVG erfüllt sind. Das bedeutet, es wird geprüft unter welchen zeitlichen Rahmenbedingungen der Arbeitnehmer einen unentziehbaren Anspruch auf eine bestimmte Höhe hat. Werden die Unverfallbarkeitsvoraussetzungen erfüllt, ist dem Arbeitnehmer die Anwartschaft aufrechtzuerhalten und der Arbeitgeber muss bei Eintritt eines Versorgungsfalles eine Leistung zahlen.

Arbeitgeber-finanzierte bAV

Für arbeitgeberfinanzierte Versorgungszusagen, die ab dem 01.01.2001 erteilt wurden, gilt der Versorgungsanspruch als unverfallbar, wenn zum Ausscheidezeitpunkt

  • der Arbeitnehmer das 30. Lebensjahr vollendet hat und
  • die Versorgungszusage 5 Jahre bestanden hat.

Für arbeitgeberfinanzierte Versorgungszusagen, die vor dem 01.01.2001 erteilt wurden, ist bei einem Ausscheiden vor dem 01.01.2006 zu prüfen, ob zum Ausscheidezeitpunkt

  • der Arbeitnehmer das 35. Lebensjahr vollendet hat und
  • die Versorgungszusage 10 Jahre bestanden hatoder ob
  • der Arbeitnehmer das 35. Lebensjahr vollendet hat und
  • die Versorgungszusage mindestens 3 Jahre bestanden hat und
  • der Arbeitnehmer mindestens 12 Jahre dem Betrieb angehörte.


Wurde die Versorgungszusage vor dem 01.01.2001 erteilt, liegt bei Ausscheiden nach dem 31.12.2005 die gesetzliche Unverfallbarkeit vor, wenn der Arbeitnehmer das 30. Lebensjahr vollendet hat.

Sind die gesetzlichen Voraussetzungen nicht erfüllt, verfällt die Anwartschaft ersatzlos. Es sei denn, die Anwartschaft wird vertraglich aufrechterhalten.

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Vorschaltzeiten, Wartefristen

Wenn in der Versorgungsordnung vorgesehen ist, dass Arbeitnehmer erst nach einer Mindestdienstzeit oder erst ab einem bestimmten Lebensalter eine Versorgungszusage erhalten sollen, liegt eine sogenannte Vorschaltzeit vor. Diese hat für die gesetzliche Unverfallbarkeit keine Bedeutung, sondern wirkt sich wie eine Wartezeit aus. Das bedeutet, dass die Zusage mit dem Beginn des Arbeitsverhältnisses erteilt ist.

Der 27-jährige Arbeitnehmer Schmidt tritt am 01.01.2002 (DE) in ein Unternehmen ein. Sein Arbeitgeber sagt Herrn Schmidt eine Versorgungszusage zu, die ihm nach Ablauf einer Wartezeit von 10 Jahren eine monatliche Invalidenrente verspricht. Was passiert, wenn Herr Schmidt am 15.10.2009 invalide wird?


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In diesem Fall ist die Anwartschaft am 01.01.2007 unverfallbar. Herr Schmidt ist zu diesem Zeitpunkt 32 Jahre alt und die Zusage bestand 5 Jahre.

Da Herr Schmidt noch vor Ablauf der Wartezeit von insgesamt 10 Jahren berufsunfähig wird, hat er keinen Anspruch auf Invalidenrente.

Scheidet ein Arbeitnehmer vor Ablauf der Wartezeit mit unverfallbaren Anwartschaften aus dem Unternehmen aus, so können die Wartezeiten auch nach dem Ausscheiden noch erfüllt werden. Herr Schmidt scheidet am 01.01.2009 (DA) aus dem Unternehmen aus und wird am 10.06.2012 berufsunfähig.


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In diesem Fall hat Herr Schmidt Anspruch auf den unverfallbaren Teil seiner ursprünglich zugesagten Invalidenrente.

Direktversicherung, Pensionskasse und Pensionsfonds

Gemäß § 1b Abs. 2 und Abs. 3 BetrAVG gilt als Zeitpunkt der Zusageerteilung der Versicherungsbeginn, der nicht vor dem Beginn der Betriebszugehörigkeit liegen kann. So kann daraus abgeleitet werden, dass auch nach Beginn der Betriebszugehörigkeit eine Zusage erteilt werden kann und damit der Zusagezeitpunkt hinausgeschoben wird.

Ruhendes Arbeitsverhältnis

Während eines ruhenden Arbeitsverhältnisses (z.B. Elternzeit, Wehrdienst, lang anhaltende Krankheit) wird dieser Zeitraum auf die Fristen der gesetzlichen Unverfallbarkeit angerechnet.

Änderung der Versorgungszusage

Gemäß § 1b Abs. 1 Satz 4 BetrAVG unterbricht die Änderung der Versorgungszusage nicht die Unverfallbarkeit. Es ist immer der erstmalige Zeitpunkt der Zusageerteilung maßgebend.

Unverfallbarkeit bei Entgeltumwandlung

Eine besondere Regelung gilt für die durch Entgeltumwandlung finanzierte bAV. Mit Wirkung zum 01.01.2001 ist die Entgeltumwandlung gemäß § 1b Abs. 5 BetrAVG sofort gesetzlich unverfallbar.

Scheidet ein Arbeitnehmer aus dem Unternehmen aus, wird ihm unabhängig seines Alters und Zusagebestands seine Anwartschaft nicht entzogen.

Für Versorgungszusagen, die vor dem 01.01.2001 erteilt und durch eine Entgeltumwandlung finanziert wurden, gelten die Unverfallbarkeitsvoraussetzungen wie für arbeitgeberfinanzierte Versorgungszusagen.

versicherungsförmige Durchführungswege

Für Direktversicherungen, Pensionskassen und Pensionsfonds wurden gemäß § 1b Abs. 5 BetrAVG besondere Voraussetzungen formuliert. Dem Arbeitnehmer muss ein unwiderrufliches Bezugsrecht eingeräumt werden, und die Überschussanteile müssen zur Leistungserhöhung verwendet werden. Des Weiteren muss dem Arbeitnehmer das Recht eingeräumt sein, die Versicherung bzw. die Versorgung mit eigenen Beiträgen fortzuführen, wenn der Arbeitnehmer aus dem Unternehmen ausscheidet.

Unverfallbarkeit der Höhe nach

Scheidet ein Arbeitnehmer mit unverfallbaren Anwartschaften aus dem Unternehmen aus, hat er Anspruch auf den Teil der Versorgung, den er bereits "erdient" hat.

Die Höhe der unverfallbaren Anwartschaft wird über bestimmte Berechnungsvorschriften gemäß § 2 BetrAVG ermittelt, die je nach dem gewählten Durchführungsweg und der gewählten Zusageform unterschiedlich hoch ist.

Ratierliches Verfahren bei Leistungszusagen

Bei Leistungszusagen ist das ratierliche Verfahren, alternative Bezeichnung Quotierungsverfahren oder m/n-tel-Verfahren, anzuwenden.

Es ist eine zeitratierliche Berechnung des unverfallbaren Anspruches der bei arbeitgeberfinanzierten Versorgungszusagen für vorzeitig ausgeschiedene Arbeitnehmer anzuwenden ist.

Dabei wird im ersten Schritt die Leistung festgestellt, die der Arbeitnehmer ohne Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei Eintritt eines Versorgungsfalles erhalten hätte (auch ruhende Arbeitsverhältnisse werden mitgezählt).

Im zweiten Schritt wird die tatsächliche Betriebszugehörigkeit zur möglichen Betriebszugehörigkeit ins Verhältnis gesetzt. Unter Betriebszugehörigkeit versteht man die Zeit, in der ein Arbeitsverhältnis besteht.

Das ratierliche Verfahren ist bei allen Durchführungswegen anzuwenden, sofern eine Leistungszusage erteilt wurde.

Formel m/n-tel Verfahren

Die Formel für das ratierliche Verfahren lautet:


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v = Versorgungsleistung nach Leistungsplan, die ohne Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei Eintritt eines Versorgungsfalles zu erbringen ist.

m = tatsächliche Betriebszugehörigkeit, gerechnet nach Tagen oder angefangenen Monaten.

n = bis zur festen Altersgrenze möglichen Betriebszugehörigkeit, gerechnet nach Tagen oder vollendeten Monaten.

Erhält ein Arbeitnehmer erst einige Jahre später nach dem Diensteintritt eine Zusage, werden bei dem ratierlichen Verfahren auch die Jahre mitgewertet, in denen die Zusage noch nicht bestand. Insbesondere für dienstältere Arbeitnehmer, die spät eine Zusage erteilt bekommen haben, führt dies für den Arbeitgeber ggf. zu einem hohen Nachfinanzierungsrisiko.

Herr Marc Wolf ist am 02.04.1968 geboren und am 15.06.1991 in das Unternehmen eingetreten und erhält sofort von seinem Arbeitgeber eine Versorgungszusage auf Altersrente in Höhe von monatlich 200 EUR ab Vollendung des 65. Lebensjahres. Herr Wolf scheidet am 30.06.2006 aus dem Unternehmen aus. Am 02.04.2033 vollendet Herr Wolf das 65. Lebensjahr. Insgesamt beträgt seine Betriebszugehörigkeit 181 angefangene Monate, bis zur festen Altersgrenze wären 501 volle Monate möglich gewesen. Der Unverfallbarkeitsquotient beträgt 181/501, das sind 36,13 %. Auf eine zugesagte Altersrente in Höhe von monatlich 200 EUR stehen Herrn Wolf bei Erreichen der Altersgrenze nun 72,26 EUR zu.


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Wenn im Leistungsplan andere Leistungsarten vorgesehen sind, z.B. Invalidenrente und/oder Todesfallleistung, dann ist bei Eintritt des entsprechenden Versorgungsfalles immer neu zu rechnen.

Erreichte Anwartschaft

beitragsorientierte Leistungszusage und Entgeltumwandlung

Anstelle des ratierlichen Verfahrens hat der Gesetzgeber gemäß § 2 Abs. 5a BetrAVG für beitragsorientierte Leistungszusagen und Entgeltumwandlungen, die ab dem 01.01.2001 erteilt werden, vorgegeben, dass dem Arbeitnehmer die Versorgungsleistung zusteht, die vom Zeitpunkt der Versorgungszusage bis zum Ausscheiden aus den bis dahin zugeteilten Beiträgen erdient wurde. Dabei wird eine vor Zusageerteilung liegende Dienstzeit des Arbeitnehmers nicht berücksichtigt. Das hat zur Folge, dass das Nachfinanzierungsrisiko für den Arbeitgeber nicht besteht.

Diese Berechnungsmethode gilt für unmittelbare Versorgungszusagen, für Unterstützungskassen, für Pensionsfonds und für Entgeltumwandlungen.

Zusagen, die vor dem 01.01.2001 erteilt wurden, müssen nach dieser Berechnungsmethode, anstelle des ratierlichen Verfahrens, zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbart werden.

Susanne Sonntag ist eine beitragsorientierte Leistungszusage analog dem Beispiel aus dem Kapitel 3.6 erteilt worden (zugesagtes Alterskapital in Höhe von 45.100 EUR ab der Altersgrenze 65 Jahre).

Frau Sonntag ist am 01.01.1964 geboren und ist am 01.01.1989 in das Unternehmen eingetreten und verlässt das Unternehmen zum 30.06.2006. Die Zusage besteht seit dem 01.01.2001.


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Würde das ratierliche Verfahren angewendet werden, würde Frau Sonntag von den zugesagten 45.100 EUR ab 65 Jahre einen Betrag von 19.731,25 EUR erhalten. Der Umwandlungsquotient beträgt 43,75 %.Bei der Berechnungsmethode für beitragsorientierte Leistungszusagen stehen Frau Sonntag 7.876 EUR ab Erreichen der Altersgrenze zur Verfügung.

Gezahlte Beiträge zuzüglich Erträge

Beitragszusage mit Mindestleistung

Gemäß § 2 Abs. 5b BetrAVG ist bei Ausscheiden des Arbeitnehmers die Anwartschaft bei einer Beitragszusage mit Mindestleistung aufrechtzuerhalten. Die Anwartschaft errechnet sich aus der Summe der zugesagten Beiträge (zzgl. aufgelaufener Erträge) abzüglich der Risikoanteile bei Eintritt des Versorgungsfalls. Diese Berechnungsmethode kann seit dem 01.01.2002 angewandt werden und gilt für die Durchführungswege Direktversicherung, Pensionskasse und Pensionsfonds.

Versicherungsvertragliches Verfahren

Diese Regelung gemäß § 2 Abs. 2 und 3 BetrAVG kann ausschließlich für die Durchführungswege Direktversicherung und Pensionskasse für Leistungszusagen und beitragsorientierte Leistungszusagen angewendet werden. Das erwirtschaftete Guthaben im Direktversicherungs- oder Pensionskassenvertrag wird als ausreichend für die erdiente Anwartschaft gewertet.

Da das Deckungskapital oftmals niedriger ist als die erdiente Anwartschaft nach dem ratierlichen Verfahren, ist ein Arbeitgeber daran interessiert, das versicherungsvertragliche Verfahren anzuwenden. Der Arbeitgeber bestimmt allein, ob das ratierliche oder versicherungsvertragliche Verfahren genutzt werden soll. Der Arbeitnehmer hat darauf keinen Einfluss. Für den Arbeitgeber bedeutet das versicherungsvertragliche Verfahren, dass er mit schuldbefreiender Wirkung aus dem Vertrag genommen wird und dadurch kein Nachfinanzierungsrisiko trägt.

Vorteil des versicherungs-vertraglichen Verfahrens

Bei der Durchführung des versicherungsvertraglichen Verfahrens wird dem Arbeitnehmer die Versicherungsnehmereigenschaft übertragen. Er kann entscheiden, ob er den Vertrag auf einen neuen Arbeitgeber übertragen möchte, den Vertrag beitragsfrei stellen oder mit eigenen Beiträgen fortführen will.

In der Praxis ist dieses Verfahren die einfachste Möglichkeit, den Arbeitgeber von seiner Verpflichtung zu entbinden.


Voraussetzung für die Anwendung des versicherungsvertraglichen Verfahrens ist,

  • dass spätestens 3 Monate nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers das Bezugsrecht unwiderruflich ist.
  • dass keine Abtretung oder Beleihung bestehen darf.
  • dass kein Beitragsrückstand vorhanden sein darf.
  • dass von Beginn der Versicherung, frühestens jedoch vom Beginn der Betriebszugehörigkeit, alle Überschussanteile zur Erhöhung der Leistung zu verwenden sind.
  • dass dem Arbeitnehmer das Recht zusteht, die Versicherung mit eigenen Beiträgen fortzuführen.

Der Arbeitgeber muss seine Entscheidung für die Anwendung des versicherungsvertraglichen Verfahrens innerhalb von 3 Monaten seit dem Ausscheiden des Arbeitnehmers dem Arbeitnehmer und dem Versicherer mitteilen.


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