Wann besteht Sozialversicherungspflicht? (bAV)

Der sozialversicherungsrechtliche Status eines (Gesellschafter-) Geschäftsführers bzw. dessen mitarbeitenden Angehörigen

Laut dem Deutschen Handwerksinstitut sind etwa 280.000 Ehepartner oder Lebensgefährten sozialversicherungspflichtig beschäftigt.

In der Praxis kommt es immer häufiger vor, dass geschäftsführende Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft bzw. Personengesellschaft und deren mitarbeitende Familienangehörige im Versorgungsfall keine Leistungen von den gesetzlichen Versorgungsträgern erhalten. Obwohl Monat für Monat Beiträge an die gesetzlichen Sozialversicherungsträger (gesetzliche Renten- und Arbeitslosenversicherung) entrichtet worden sind, kommt es bei Eintritt des Versorgungsfalles zu einer bösen Überraschung, wenn die Träger die Leistungen verweigern.

Das liegt daran, dass die Träger von Rentenversicherung und Arbeitslosenversicherung erst bei Eintritt des Versorgungsfalles die Prüfung der Versicherungspflicht vornehmen. Sofern die Versicherungspflicht abgelehnt wird, können trotz Zahlung der Beiträge Leistungen verweigert werden. Dem (Gesellschafter-) Geschäftsführer bzw. dessen mitarbeitenden Angehörigen können dadurch sicher geglaubte Ansprüche auf Erwerbs- oder Berufunfähigkeitsrenten verloren gehen. Außerdem kann die Bundesagentur für Arbeit jegliche Leistungen auf Unterstützung im Falle der Arbeitslosigkeit verweigern.

Um unangenehmen Überraschungen im Versorgungsfall vorzubeugen und dann ohne eine Leistung dazustehen, ist es ratsam, den eigenen Sozialversicherungsstatus rechtzeitig von der jeweiligen Einzugsstelle überprüfen zu lassen und eine evtl. Versicherungsfreiheit durch den Feststellungsbescheid bestätigen zu lassen.

Somit besteht auch noch genügend Zeit, sich eine angemessene individuelle Versorgung aufzubauen und nicht im Versorgungsfall ohne Einkommen zu sein.

Wann besteht nun Sozialversicherungspflicht und wann nicht?

Die zentrale Frage bei der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung eines geschäftsführenden Gesellschafters ist, ob in der Gesamtbetrachtung die Unternehmereigenschaften oder der Charakter einer Arbeitnehmerstellung bei dem zu Beurteilenden überwiegen. Dies gilt im Übrigen auch für nicht beteiligte Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft.

Da es aber bisher leider nicht zu einheitlichen Bewertungsmaßstäben bei den Sozialversicherungsträgern gekommen ist, muss der Versicherungsstatus im Einzelfall anhand verschiedener Kriterien geprüft werden.

Zentrale Kriterien hierfür sind u.a.:

· das Beteiligungsverhältnis

· die Weisungsfreiheit

Das gleiche gilt im Übrigen auch für die Angehörigen (insbesondere die Ehepartner) von Gesellschafter-Geschäftsführern, die im Unternehmen mitarbeiten. Auch sie können gegebenenfalls von der Sozialversicherungspflicht befreit werden, sofern einige wesentliche Merkmale erfüllt sind. Hierzu gehört unter anderem ebenfalls die Weisungsgebundenheit aber auch inwiefern der mitarbeitende Ange-hörige ein unternehmerisches Risiko trägt.

Zur Charakterisierung, ob die Unternehmereigenschaften oder die Arbeitnehmereigenschaften überwiegen, werden zunächst die Gesellschafter- und Dienstverträge herangezogen. Aber auch die im Geschäftsalltag tatsächlich gelebten Verhältnisse sind von entscheidender Bedeutung.

Der rechtsverbindliche Feststellungsbescheid über den sozial-versicherungsrechtlichen Status wird ausschließlich von den entsprechenden Sozialversicherungsträgern bzw. der maßgeblichen Einzugsstelle für Sozialversicherungsbeiträge verschickt. Wird durch diesen die Freiheit von der Sozialversicherungspflicht bescheinigt, können innerhalb bestimmter Verjährungsfristen die zu Unrecht bezahlten Beiträge zurückgefordert werden. Ferner muss der (Gesellschafter-) Geschäftsführer bzw. dessen Familienangehöriger nun auf andere Weise für seine Alters-, Invaliditäts- und Hinterbliebenenversorgung sorgen.

Hintergrund

Zahlreiche GGF zahlen regelmäßig und seit Jahren Beiträge in die gesetzliche Sozialversicherung in dem Glauben, dass ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis besteht, obwohl ein solches de facto nicht vorliegt. Dies kann gravierende Folgen haben:

Der Sozialversicherungsträger prüft Beitragspflicht bzw. -freiheit von sich aus erst dann, wenn ein Antrag auf Leistungen gestellt wird. D.h., stellt der GGF nun einen Antrag auf Arbeitslosengeld, und die Bundesagentur für Arbeit ist der Meinung, hier liegt keine Sozialversicherungspflicht vor, verweigert sie schlichtweg die Leistung, obwohl der GGF jahrelang Beiträge entrichtet hat. Hinzu kommt, dass lediglich die Beiträge der letzten vier Jahre zurückerstattet werden.

Darüber hinaus kann es passieren, dass bestimmte Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung nicht gezahlt werden. Denn wird z.B. ein Antrag auf Erwerbsminderungsrente gestellt (die 60monatige Wartezeit ist erfüllt), und die Behörde erachtet den GGF als versicherungsfrei, hat er die Voraussetzung von 36 Pflichtbeiträgen innerhalb der letzten 60 Monate nicht erfüllt, denn er hat als nicht versicherungspflichtiges Mitglied ja freiwillige Beiträge geleistet...

Bei der gesetzlichen Rentenversicherung können allerdings - im Gegensatz zur Arbeitslosenversicherung - die gesamten in der Vergangenheit geleisteten Beiträge zurückgefordert werden.

Darüber hinaus kann es sogar zu Steuernachzahlungen kommen! Denn der GGF, der sich fälschlicherweise als sozialversicherungspflichtig betrachtet hatte, hat seine Arbeitnehmeranteile an den Beiträgen zur Sozialversicherung aus seinem versteuerten Einkommen entrichtet - soweit so gut. Die Arbeitgeberanteile jedoch wurden von der Firma als Betriebsausgaben abgesetzt, d.h. steuerfrei abgeführt. Dies darf die Firma aber nur für sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer tun, der GGF allerdings gilt ja im Sinne der Sozialversicherung nicht als Arbeitnehmer - mit der Folge, dass die Arbeitgeberbeiträge ihm zugeflossen sind, d.h. er die in der Vergangenheit geleisteten Beiträge des Arbeitgebers versteuern muss.

Kommt es zur Insolvenz der Firma, kann der Insolvenzverwalter von den Sozialversicherungsträgern die zu Unrecht geleisteten Arbeitgeberbeiträge zurückfordern. Mit der Folge, dass die Altersrentenansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung mit einem Schlag um die Hälfte reduziert werden. Weiter wird die Krankenkasse die für das laufende Jahr und die vier vergangenen Jahre zurückbezahlten Beiträge natürlich vom Betroffenen wiederhaben wollen – denn die Krankenkassen kennen keine Rückerstattung von Beiträgen und außerdem wurden ja auch Leistungen erbracht.

Bei staatlich geförderten Altersvorsorge-Verträgen kann es weiter dazu kommen, dass die Zulagen bzw. Vergünstigungen zurückbezahlt werden müssen, da die Person gar nicht förderfähig gewesen ist, denn dies sind nur sozialversicherungspflichtig tätige Personen.

Bei der Frage, ob ein GGF sozialversicherungsfrei oder -pflichtig ist, werden verschiedene Kriterien betrachtet. Einfach zu prüfendes Kriterium ist die Kapitalbeteiligung.

Hat ein GGF mindestens 50 % an der GmbH, ist er automatisch sozialversicherungsfrei. Weiter ist die Weisungsfreiheit des GGF maßgeblich. Entscheidend ist jeweils die gelebte Praxis. Es kommt auf familienhafte Einflussnahme, das unternehmerische Risiko, Branchenkenntnisse etc. an.

Mit den zurückerstatteten und zukünftig einzusparenden Beiträgen lässt sich eine attraktive betriebliche Altersversorgung, z.B. über eine rückgedeckte Pensionszusage oder eine Unterstützungskasse installieren. Dort kommen sie als Berater zum Zuge!

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