Finanzkrise – Wirtschaftskrise – Versicherungskrise? Impressionen von der 9. Handelsblatt Jahrestagung „Assekuranz im Aufbruch“ vom 4.-5. März 2009 in München

Im Gegenteil, verursacht und beim Image gelitten haben andere, dieFeindbilder sind klar definiert. Banken, Wertpapierhändler, Berater undRating-Agenturen. Wir wissen, wer die aktuelle Lage heraufbeschworen hat.Versicherer sind seit dem „Fall Mannheimer“ vorsichtig geworden,wenn sie es nicht vorher schon waren. AIG – gut, das war ja woanders. Yes,we can anders.

Nein, die Versicherungsbranche hat die letzten Jahre vieles gemeistert,zuletzt eine EU-Vermittlerrichtlinie und die VVG-Novelle. Jetzt reden wir überNachhaltigkeit, Wachstumsfelder in Osteuropa, das Geschäft der Zukunft, diebrüchigen Mauerreste der PKV, konsequentes Kostenmanagement.

Ja, Kostenmanagement. Ein Zitat: „Da es die Mitarbeiter schaffen,selbst in Ausnahmesituationen, in Zyklen wie Kyrill oder bei anderenEreignissen alles passabel abzuarbeiten, was machen die eigentlich sonst dasganze Jahr?“ Da ist noch Luft. Eine aktuelle Analyse derArbeitsplatzzufriedenheit an den Arbeitsplätzen der Assekuranz, durchgeführtdurch die deutsche-versicherungsboerse.de, lässt, was die Arbeitsbelastung derMitarbeiter angeht zwar andere Rückschlüsse zu, dennoch müssen wir damitrechnen. Nein, es ist sicher, dass hier noch weiterer Druck auf dieArbeitnehmer der Branche folgt.

Das wird nicht zuletzt durch die immer wieder diskutiertenIndustrialisierungsbemühungen unterstützt. Auch die waren Thema mehrererVorträge. Natürlich macht es Sinn, die Daten über die eigenen Kunden immerbesser zu vernetzen und sie im Sinne eines CRM, eines Customer RelationshipManagement-Ansatzes den Mitarbeitern optimal zugänglich zu machen.

Dazu bedarf es intelligenter Lösungen für die Ein- und Ausgangskanäleder Informationen. Papierpost, Fax, E-Mail und Telefonie müssen einerseitsgebündelt und zugeroutet, archiviert und dokumentiert werden. Sie müssen auchwieder in geeigneter Weise als Antwort zum Kunden oder Geschäftspartner aufeben diesen Kanälen zurück kommen. Das lässt sich mit Automatisierungslösungenverbinden.

Stichwort Dunkelverarbeitung. Ein Teil, am liebsten ein großer Teil dereingehenden Vorgänge und Anträge, soll einer automatisierten Verarbeitungzugeführt werden. Zielgrößen von 80% und mehr sind genannt. Der Rest geht inmehreren Leveln, je nach Komplexität und fachlicher Schwierigkeit, in dieCall-Center und die immer weiter abgeschotteten Fachbereiche der Versicherer.Die richtigen Spezialisten sind für Kunden und Geschäftspartner wie z. B.Makler kaum noch erreichbar.

Dennoch gab es einen Vortrag zum Thema „Serviceorientierung undKundennähe als Erfolgsfaktoren in der Versicherungswirtschaft“. Die BerufsakademieHeidenheim hat im Studiengang Versicherung unter der Leitung von Prof. Dr. Ott123 unterschiedliche Serviceangebote aufgelistet, die einVersicherungsvermittler seinen Kunden bietet. Die Möglichkeiten einesCall-Centers bilden davon in aller Regel nur einen minimalen Ausschnitt ab.Dennoch sind Call-Center bei Versicherern das Mittel der Wahl.

Zum Thema Industrialisierung ein weiterer interessanter Ansatz: DieBranche muss die Produktkomplexität verringern. Sagen z. B. die IT-Fachleute,die berechtigterweise auf die Zusammenhänge von Produktentwicklung, Umsetzungder Produkte in der IT und die Beherrschbarkeit der technischen Lösungenhinweisen. IT als Enabler versus IT als Limitierung der Produkt-Kreativität.

Fachbereiche und Vertrieb sehen die IT als Umsetzer und Enabler. Siekreieren Produkte, wollen sich vom Markt abheben, wollen sich unterscheiden.Jedoch die IT stößt an ihre Grenzen, Entwickler sind ausgelastet, dasChinesenprinzip funktioniert nicht, die Budgets sind ausgelastet, die Priorisierungsverhandlungenätzend für alle Beteiligten. Brauchen wir wirklich Produkte, für die wir trotzam Ende nur kleiner Stückzahlen Bestandssysteme bereithalten müssen, in denendie wenigen Policen 50 Jahre schlummern?

Die Krise? Sie bleibt draußen.

Volker P. Andelfinger