Wie groß die Gefahr von Altersarmut wirklich ist

Das Bundesarbeitsministerium (BMAS) wollte die Rentenreform möglichst geräuschlos durchbringen. Eine Zuschussrente für Geringverdiener, Mehrleistung für Erwerbsgeminderte sowie bessere Hinzuverdienst-Chancen für Frührentner sollten ab 2013 Gesetz werden (siehe früherer Artikel). Doch das Paket kommt nicht ans Ziel.  

Nun entzündet sich der Streit an Zahlen zur Altersarmut, die das BMAS gestreut hat, um Zustimmung für die Zuschussrente zu bekommen. Danach sollen auch langjährig Versicherte von Altersarmut bedroht sein. So bekämen Arbeitnehmer mit 2.500 Euro Bruttoeinkommen im Jahr 2030 lediglich 688 Rente – nicht mehr als die heutige Grundsicherung.

Fakten-Check für Vermittler

Die Zahlenbeispiele basieren auf fragwürdigen Berechnungsmethoden. So werden zum Beispiel stagnierende Löhne und ebenfalls stagnierende Rentenwerte unterstellt. Zudem werfen sie die Frage auf, die jeder Makler für seinen Kunden individuell beantworten können sollte: Wie groß ist die Gefahr von Armut im Alter tatsächlich. Das DIA hat dazu Fakten zusammengestellt, die Vermittler kennen und nutzen sollten.  

Erstens: Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hatte bereits 2011 Altersarmut in Deutschland thematisiert. Ergebnis: Für ältere Menschen ist das generelle Armutsrisiko in den vergangenen zehn Jahren etwa gleich geblieben, obwohl das Armutsrisiko für die Gesamtbevölkerung anstieg.

Zweitens: Seit dem Jahr 2000 sinken die von der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) ausgezahlten individuellen Beträge für männliche Neurentner: Wer 2011 in Rente ging, erhielt im Schnitt sieben Prozent weniger Rente als jemand, der 2001 in den Ruhestand ging.

Drittens: Die Auswirkungen sinkender GRV-Zahlbeträge werden durch einen gegenläufigen Trend abgefedert: Immer mehr alte Menschen leben in Paarhaushalten. Dadurch können sie individuelle Einkommensdefizite besser ausgleichen, da fixe Kosten auf zwei Personen verteilt werden.

Selbstständige besser gestellt als wahrgenommen

Viertens: Die Hälfte der Beispiele, die das BMAS vorgerechnet hat, beziehen sich auf Fälle, in denen Beschäftigte 35 Jahre Vollzeit gearbeitet haben, keine Erwerbsunterbrechung hatten und keine Kindererziehungszeiten oder Pflegezeiten aufweisen. Bei einer Regelaltersgrenze von mehr als 65 Jahren werden so mindestens zehn Jahre Erwerbsbiographie  nicht berücksichtigt.

Das wäre so, als ob diese Menschen in den verbleibenden Jahren arbeitslos oder selbstständig waren. Einige Selbständige sind bereits gesetzlich rentenversichert – zum Beispiel jene mit nur einem Auftraggeber (siehe früherer Artikel). Zahlreiche Freiberufler sind ebenfalls pflichtversichert (siehe früherer Artikel). Die allermeisten Selbständigen haben Geld, fürs Alter vorzusorgen (siehe früherer Artikel).

Fünftens: Derzeit sind vor allem Alleinstehende im Rentenalter häufiger von Armut bedroht als die Gesamtbevölkerung. Darunter befinden sich laut DIW überdurchschnittlich viele Frauen. Da zwei Drittel der ausschließlich geringfügig Beschäftigten Frauen sind, könnte sich dieser Zustand auch in der Zukunft zementieren. Allerdings lebt die große Mehrheit in Paarhaushalten und kann damit später auch die Alterseinkünfte der Partner nutzen.

Sechstens: Laut Rentenversicherungsbericht 2011 der Bundesregierung sinkt das Rentenniveau vor Steuern zwar im Zeitraum von 2008 bis 2025 von 50,5 auf 46,2 Prozent des Durchschnitts-Nettolohnniveaus, das Versorgungsniveau vor Steuern einschließlich Riester-Rente steige aber auf 61,3 Prozent. Voraussetzung: „Es wird tatsächlich Riester-Vorsorge betrieben“, sagt Klaus Morgenstern, neuer Sprecher des DIA.

Zuschussrente vor dem Aus

Zur Erinnerung: Mit der Zuschussrente sollte ab 2013 ein Aufschlag für jene Rentner eingeführt werden, deren Altersrente trotz jahrzehntelanger Arbeit die staatliche Grundsicherung nicht übersteigt. Sie soll bis zu 850 Euro betragen – annähernd 200 Euro mehr als die Grundsicherung. Den Zuschuss erhält nach den Planungen, wer 35 Jahre Beitragszahlung (mit Kindererziehungs- und Pflegezeiten) vorweisen kann und dennoch auf weniger als einen Entgeltpunkt pro Jahr kommt. Andere Einkommen sollen auf die Zuschussrente angerechnet werden – außer Einkünfte aus privater oder betrieblicher Altersvorsorge.