Tarifierung Industrie

Industriebetriebe werden in der Feuer- und FBU-Versicherung wesentlich individueller tarifiert als gewerbliche Risiken. Die wichtigsten Tarifierungsmerkmale sind hier hinterlegt.


Bauartklassen

Die Industrieversicherer unterscheiden lediglich in drei Bauartklassen. Während es im einfachen gewerblichen Geschäft fünf Bauartklassen gibt, die sich ausschließlich auf die unterschiedliche Beschaffenheit der Umfassungswände und der Dachung beziehen, wird bei industriellen Gebäuden der gesamte Baukörper in die Beurteilung einbezogen.

Häufigste Bauartklasse des Industriegeschäfts ist die Bauartklasse N (neutrale Klasse). Um in diese Bauartklasse zu gelangen, Muss das Tragwerk des Gebäudes mindestens 30 Minuten lang einem Feuer standhalten (man spricht dann von der Feuerwiderstandsklasse F 30) oder das Gebäude muss ganz aus nichtbrennbaren Baustoffen errichtet worden sein.

Besteht das Tragwerk aus Bauteilen, die mindestens 90 Minuten lang einem Feuer standhalten (F90) und das Dachtragwerk aus Bauteilen, die mindestens 30 Minuten lang einem Feuer standhalten, wird das Gebäude in die Klasse R (Rabattklasse) eingestuft. Gegenüber N-Gebäuden gibt es dann 10 % Rabatt.

Alle Gebäude, die nicht die Anforderungen der Klasse N erfüllen, werden in die Klasse Z (Zuschlag) eingestuft. Z-Gebäude sind gegenüber N-Gebäuden um 25 % teurer.

Anmerkungen zu den Bauartklassen: Massiv errichtete Gebäude mit einer hölzernen Dachkonstruktion erfüllen die Anforderungen zur Bauartklasse N, da die steinerne Umfassung mindestens F 30 entspricht. Stahlträgerhallen erfüllen zwar nicht die F30-Anforderung, bestehen aber i.d.R. ganz aus nichtbrennbaren Baustoffen und kommen so auch in die Bauartklasse N.

In Bauartklasse R kommen eigentlich nur Vollbetonbunker, da die Anforderung F30 an das Dachtragewerk weder von handelsüblichen Holzdachfirsten noch von stählernen Dachträgern erfüllt wird. Holz ist übrigens nicht in allen Fällen der leicht brennbare Baustoff, für den er gerne angesehen wird. Holzleimbinderkonstruktionen oberhalb einer bestimmten Stärke erfüllen die F30-Anforderung. Die Industrieversicherer haben aber erkannt, dass die Bauart keinen sonderlich wesentlichen Einfluss auf die Brandausbruchs- und –ausbreitungswahrscheinlichkeit nimmt, da der Beitragsunterschied zwischen einem Vollbetonbunker und einem Holzschuppen mit Reetdach nicht einmal 40 % beträgt.


Hauptbetriebsarten

Die Industrieversicherer arbeiten aufgrund der nicht ausreichend großen Zahl versicherter Risiken im eigenen Bestand fast alle mit einer Schadenstatistik des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft. Diese Statistik unterscheidet in ca. 200 verschiedene Betriebsarten, die der besseren Übersichtlichkeit halber in 9 sogenannte Bücher unterteilt sind. Jedes Buch entspricht einer gewissen Branche, das zehnte Buch schließlich befasst sich mit reinen Lagerrisiken. Dabei bedeutet


Buch 1 Rohstoffgewinnung, Bergbau (z.B. Steinkohlegewinnung)
Buch 2 Rohstoffweiterverarbeitung (z.B. Glashütten)
Buch 3 Betriebe der Metall- und Elektroindustrie
Buch 4 Betriebe der chemischen Industrie
Buch 5 Betriebe der Textilindustrie
Buch 6 Leder-, Gummi- und Papierverarbeitung
Buch 7 Holzverarbeitung
Buch 8 Lebensmittelherstellung und –verarbeitung
Buch 9 Kommunale und sonstige Risiken wie z.B. Müllverbrennungsanlagen, Elektrizitätswerke, Lackierereien etc.
Buch 0 Lagerrisiken


Jeder Betriebsart ist dabei ein Grundbeitragssatz für die Feuer- und für die FBU-Versicherung zugeordnet. Die Lagerrisiken sind unterschieden nach Feuergefährlichkeit der gelagerten Güter, Größe des Lagers und maximaler Stapelhöhe. Dabei gilt, dass je größer das Lager und je höher die maximale Stapelhöhe ist, desto teurer wird der Grundbeitragssatz.

Brandschutz

Eine Feuerversicherung ist gut, Prävention ist besser. Deswegen finden sich in den AFB (Allgemeine Feuerversicherungsbedingungen) und in den Zusatzbedingungen schon diverse Sicherheitsvorschriften, deren Einhaltung zu den Obliegenheiten vor dem Versicherungsfall gehören. Erinnert sei hier zum Beispiel an die jährliche Überprüfung aller elektrischen Anlagen im Jahresrhythmus durch eine Elektrofachkraft. Stellt diese keine wesentlichen Mängel fest, kann die nächste Prüfung erst in zwei Jahren stattfinden. Hintergrund dieser Vorschrift ist, dass mehr als ein Drittel aller Brände auf fehlerhafte elektrische Anlagen zurückzuführen sind.

Wer mehr tun möchte, den belohnen die industriellen Feuerversicherer mit zum Teil deutlichen Rabatten. Wer neue Betriebsgebäude plant, tut gut daran, sich über die Einsparungsmöglichkeiten beim Einbau von Brandschutzmaßnahmen zu informieren.

Oftmals kommt eine bauliche Brandschutzmaßnahme auf keine nennenswerten Mehrkosten, wenn sie gleich mit berücksichtigt wird, so dass sich diese Kosten durch die Einsparungen beim Feuer- und FBU-Beitrag schnell amortisieren. Zu wichtigen baulichen Brandschutzmaßnahmen zählen z.B.

Der nachträgliche Einbau derartiger Anlagen in bereits vorhandene Gebäude wird sich in der Regel nicht lohnen. Aber auch hier lassen sich Maßnahmen treffen, die Rabatt erzeugen. Hierzu zählen z.B.

Für einen Punkt des Brandschutzes bekommen Sie übrigens ganz automatisch Rabatt: Je nach Ausrüstung und Art der öffentlichen Feuerwehr des Betriebsstandortes gibt es einen Ortslöschrabatt von bis zu 10 %. Betriebe in Großstädten mit einer Berufsfeuerwehr haben hier Vorteile vor Betrieben in Hintertupfingen, wo ein Acht-Kubikmeter-Löschfahrzeug von 1980 der ganze Stolz der freiwilligen Feuerwehr ist.


Bedarfs- und Bezugsprämien

Aus dem Grundbeitrag gemäß dem Betriebsartenverzeichnis, den Zu- und Abschlägen aufgrund der Bauart, den Rabatten für den Brandschutz und einem Zu- bzw. Abschlag für den Schadenverlauf des einzelnen Betriebs ermittelt der Versicherer die so genannte Bedarfsprämie. Bedarfsprämie heißt das Ganze deswegen, weil es aufgrund der Schadenstatistik und der Verwaltungskosten des Versicherers eine auskömmliche Prämie sichern würde. Diese Bedarfsprämie kann in der Feuer- und FBU-Versicherung zwischen 0,4 %o für einen Getränkeherstellungsbetrieb mit gutem Brandschutz bis weit über 10 %o für einen Schaumkunststoffhersteller mit schlechten Risikoverhältnissen reichen. Da die Tarifierungsrichtlinien der industriellen Feuerversicherung einen gewissen Ermessensspielraum lassen, kommen insbesondere bei größeren Betrieben mit mehreren feuertechnisch getrennten Bereichen (der Versicherer spricht hier von Komplexen) bei zehn Besichtigungen mindestens acht verschiedene Bedarfsprämiensätze heraus.

Zum Glück ist für den Kunden der industrielle Feuerversicherungsmarkt noch immer ein polypolistischer Markt mit vielen Anbietern. Aus diesem Grund weicht der Beitragssatz, den Sie für Ihre Feuer- und FBU-Versicherung bezahlen müssen, erheblich nach unten vom sogenannten Bedarfsprämiensatz ab. Der Beitragssatz, den Sie bezahlen müssen, heißt Bezugsprämiensatz, er drückt das aus, was der Versicherer von Ihnen tatsächlich für die Gewährung des Versicherungsschutzes an Geld bezieht. Diese Bezugsprämiensätze unterliegen zyklischen Schwankungen mit der langfristigen Tendenz nach unten. Momentan betragen die marktüblichen Bezugsprämiensätze ca. 50 % der Bedarfsprämiensätze.

Der Grund für diese niedrigen Sätze liegt darin, dass die Versicherer hasardieren, um ihre Marktanteile auf diesem Prestigemarkt mindestens zu halten. Wenn nichts passiert oder nur hin und wieder eine Feuerlöscherfüllung bezahlt werden muss, verdient der Versicherer auch mit der halben Bedarfsprämien mehr als genug. Wenn Ihr Betrieb abbrennt und ein Totalschaden bzw. der wahrscheinliche Höchstschaden (im Versicherungschinesisch Probable Maximal Loss oder PML genannt) eintritt, macht der Versicherer auch riesige Verluste, wenn er von Ihnen die doppelte Bedarfsprämie kassieren könnte. Für eine große versicherte Zahl von Risiken geht diese Rechnung des Versicherers natürlich nicht auf und die Versicherer machen auf diesem Markt enorme Verluste, aber sie verhalten sich ähnlich wie der Raucher, der denkt, ihn wird der Lungenkrebs schon nicht treffen.

Unser Tipp: Lassen Sie sich von Ihrem industriellen Feuerversicherer auch die kalkulierte Bedarfsprämie geben und vergleichen Sie diesen Satz mit dem Beitragssatz, den Sie bezahlen müssen. Holen Sie sich gegebenenfalls ein oder mehrere Vergleichsangebote ein.