Das Oberlandesgericht Braunschweig hat entschieden, dass der unbefugte Zugriff auf Kryptowährungen nicht als Diebstahl im Sinne des § 242 StGB strafbar ist. Das Urteil basiert auf einem Fall, in dem ein IT-Administrator A-Coins im Wert von 2,5 Millionen Euro ohne Berechtigung auf eigene Wallets übertragen hatte.
Körperlichkeit als entscheidender Faktor
Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass digitale Token nicht unter den klassischen Diebstahlbegriff fallen, da ihnen die erforderliche Körperlichkeit fehlt. § 242 StGB setzt die Wegnahme einer beweglichen Sache voraus. Auch alternative Straftatbestände wie Betrug (§ 263 StGB), Ausspähen von Daten (§ 202a StGB) oder Datenveränderung (§ 303a StGB) sah das Gericht als nicht anwendbar an.
Im konkreten Fall hatte ein IT-Administrator im Rahmen eines Projekts legitimierten Zugang zu einer fremden Wallet. Nach der Übertragung der Kryptowährungen in diese Wallet transferierte er die Coins ohne Erlaubnis auf eigene Wallets.
Alternative Straftatbestände im Fokus
Rechtsexperten sehen durchaus andere Ansätze für die strafrechtliche Verfolgung. Rechtsanwalt István Cocron von der auf Cybercrime spezialisierten Kanzlei Cocron weist in einem Artikel auf mögliche Anwendung des § 266 StGB (Untreue) hin, sofern dem Täter eine Vermögensverwaltungsbefugnis eingeräumt wurde. Auch § 274 StGB (Urkundenunterdrückung) könnte greifen, wenn beweiserhebliche Daten manipuliert werden.
Cocron betont: "Das Strafrecht ist derzeit nicht in der Lage, Eigentumsrechte im digitalen Raum effektiv zu schützen." Die Entscheidung verdeutliche eine systematische Schutzlücke bei digitalen Vermögenswerten.
Rechtsunsicherheit für Krypto-Bestände
Die Rechtsunsicherheit betrifft insbesondere Unternehmen mit Krypto-Beständen und IT-Dienstleister. Da strafrechtlicher Schutz nicht gewährleistet ist, müssen technische und organisatorische Sicherheitsmaßnahmen verstärkt werden. Dies umfasst die strikte Kontrolle von Zugriffsrechten, Implementierung von Multi-Signatur-Verfahren und regelmäßige Sicherheitsaudits.
Für Geschäftsbeziehungen entstehen neue Haftungsrisiken, wenn Vertragspartner Zugang zu Krypto-Wallets erhalten. Klare vertragliche Regelungen und technische Absicherungen werden zur Notwendigkeit
Reformbedarf im Strafrecht
Das Urteil zeigt den Anpassungsbedarf des deutschen Strafrechts an digitale Vermögenswerte. Während andere Rechtsordnungen bereits spezifische Regelungen für Kryptowährungen entwickelt haben, hinkt die deutsche Gesetzgebung der technologischen Entwicklung hinterher.
Eine Reform müsste digitale Token explizit in den Schutzbereich des Eigentumsdelikts einbeziehen oder eigenständige Straftatbestände schaffen. Bis dahin bleibt die zivilrechtliche Verfolgung die einzige juristische Option für Geschädigte.
Auch Kryptowährungen erfordern Sicherheit
Unternehmen und Privatpersonen müssen ihre Sicherheitsstrategie für Kryptowährungen überdenken. Empfohlen werden Hardware-Wallets, Offline-Backup-Strategien und die strikte Trennung von Zugangsberechtigungen. Private Schlüssel sollten niemals an Dritte weitergegeben werden.
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