Die Psychologie des Milliardenbluffs

Im ZEIT Podcast Club diskutieren Anne Kunze und Zacharias Zacharakis über spektakuläre Betrugsfälle und die Mechanismen, die selbst erfahrene Geschäftsleute zu Opfern werden lassen. Im Zentrum steht René Benko, dessen Immobilienimperium mit einem Schaden von 25 Milliarden Euro kollabierte, die größte Immobilienpleite Europas.

Der Wunderwuzzi und sein Kartenhaus

René Benko, 1977 in Innsbruck geboren, stieg vom Sohn eines Gemeindebediensteten zum schillernden Immobilienmogul auf. Seine Signa-Gruppe besaß Prestigeobjekte wie das Kaufhaus Tirol, Teile von Karstadt, das Chrysler Building in Manhattan und baute am Hamburger Elbtower. Zacharias Zacharakis erklärt das Erfolgsrezept: "Er war auch ständig in seinem Privatjet unterwegs. Wie er den finanziert hat, dazu kommen wir gleich."

Der österreichische "Wunderwuzzi", ein Alleskönner auf österreichisch, inszenierte sich als Milliardär, bevor er einer war. Privatjets, Megayachten und Luxusvillen gehörten zum Repertoire. Das Fatale: Diese Statussymbole wurden nicht aus Unternehmensgewinnen, sondern aus Investorengeldern finanziert, ein klassisches Merkmal eines Schneeballsystems.

Die Kunst der Verführung

Benkos Opfer waren keine Naivlinge, sondern gestandene Unternehmer: Roland Berger, Klaus-Michael Kühne, Porsche-Chefs und andere Wirtschaftsgrößen. Kühne allein verlor eine halbe Milliarde Euro. Zacharakis beschreibt Benkos Methode: "Er hat gerne zum Beispiel die Leute gefragt, also seine Geldgeber, diese älteren Herren, wie hast du denn das gemacht, als du so alt warst wie ich?"

Diese scheinbar harmlose Frage weckte väterliche Instinkte und machte die erfahrenen Manager blind für die Warnsignale. Bernie Madoff, der größte Schneeballbetrüger aller Zeiten mit 65 Milliarden Dollar Schaden, brachte es auf den Punkt: "Eines müssen Sie über die Finanzbranche wissen, alle sind gierig."

Die sechs Stufen des perfekten Betrugs

Anne Kunze analysiert anhand eines italienischen Betrügers, der sich als EU-Beauftragter ausgab und deutsche Unternehmer um Millionen brachte, die universelle Anatomie eines Scams:

  1. Setup: Genaue Recherche und Vorbereitung
  2. The Hook: Der Köder wird ausgeworfen
  3. The Tale: Eine überzeugende Geschichte
  4. The Wire: Die Leine wird gespannt
  5. Shutout: Der Ausschluss anderer Optionen
  6. The Sting: Der finale Stich

Der vermeintliche EU-Prüfer ließ sich von Privatpiloten zu Terminen fliegen und empfing deutsche Unternehmer in Luxushotels. "Die Autorität funktioniert über Status und Uniform, die man nicht mal selbst tragen muss", erklärt Kunze.

Das Ende der Illusion

Benkos System kollabierte 2022, als die Zinsen stiegen und Investoren genauer hinschauten. Die verschachtelten Eigentümerstrukturen und Stiftungen entpuppten sich als Verschleierungstaktik. Im November 2023 meldete die Signa-Gruppe Insolvenz an. Die österreichische Justiz ermittelt wegen Betrugs, Insolvenzverschleppung und Vermögensverschiebung.

Die Psychologie dahinter

Erfolgreiche Betrüger sind laut Psychiatern oft narzisstisch gestört. Kunze fasst zusammen: "Diese Scammer sind wie berauscht von der Wirksamkeit ihrer eigenen Lügen, ihrer Täuschungen, von der Kraft ihrer eigenen Märchen."

Die Autorin Gia Tolentino sieht in der Faszination für Betrugsgeschichten ein Generationenphänomen: Die nach 1980 Geborenen erlebten die Finanzkrise, bei der Verantwortliche ungestraft davonkamen, und das Silicon Valley mit seinem "Fake it till you make it". Scams seien Kristallisationspunkte einer Generation, die sich selbst betrogen fühlt.

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