Digitaler Euro: EZB setzt Banken mit 18-Milliarden-Projekt unter Druck

Im aktuellen "Finanz-Szene - Der Podcast" kommt EZB-Experte Jochen Siegert zu Wort und zeichnet ein brisantes Bild zur Zukunft des digitalen Euros. Die Entscheidung über dessen Einführung steht unmittelbar bevor - und die Fronten verhärten sich.

Die EZB spielt mit der Macht

Siegert, der von 2021 bis 2023 der EZB-Advisory Group zum digitalen Euro angehörte, macht deutlich: "Denen ist das wirklich ernst!" - so klang die Reaktion eines führenden deutschen Payment-Managers zur Entschlossenheit der Europäischen Zentralbank. Die Vorbereitungsphase endet im Oktober, dann entscheidet das Europaparlament über das weitere Mandat.

Die Motive der EZB sind vielschichtig: Der schwindende Einfluss durch den Bargeld-Rückgang, die Abhängigkeit von US-Infrastrukturen und die Lehren aus der Finanzkrise treiben die Notenbank an. "Wenn keiner mehr Bargeld will, dann schwindet natürlich der Einfluss", erklärt Siegert die Grundproblematik.

Besonders brisant: Die EZB denkt in Extremszenarien. "Man hat aus der Finanzkrise gelernt und wir alle kennen ja noch die Schlangen vor den Geldautomaten", so der Experte. Der digitale Euro soll als Fallback-System dienen, falls Großbanken ausfallen.

Banken schlagen zurück: 18 Milliarden Euro Kampfansage

Die Kreditwirtschaft mobilisiert ihre Lobby-Maschine mit voller Kraft. Eine aktuelle Studie beziffert die Kosten für deutsche Banken auf 18 bis 30 Milliarden Euro. Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband warnt dramatisch: "Die Umsetzung würde fast die Hälfte der verfügbaren Fachkräfte für IT und Zahlungsverkehr binden - bei gleichzeitig fehlender Nachfrage."

Siegert bleibt skeptisch gegenüber den Banken-Argumenten: "Das Argument kaufe ich gar nicht. Ich habe da eine durchaus unpopuläre Meinung." Seine Begründung ist vernichtend: Die meisten Innovationen der letzten Jahrzehnte - von SEPA über Instant Payment bis hin zu NFC - wurden den Banken "per Zwangsbeglückung" auferlegt, nicht aus eigenem Antrieb entwickelt.

Das Kernproblem: Niemand wartet auf den digitalen Euro

Die größte Herausforderung liegt paradoxerweise in der aktuellen Zufriedenheit der Verbraucher. "Die Bürger haben heute kein Problem mit dem Bezahlen", stellt Siegert nüchtern fest. "Niemand hat auf ein neues Zahlverfahren gewartet." Selbst in China, wo der digitale Yuan mit staatlicher Macht vorangetrieben wurde, blieb der Durchbruch aus.

Stablecoins als Katalysator

Die Entwicklung privater digitaler Währungen verstärkt den Druck auf die EZB. Der kürzlich verabschiedete GENIUS Act in den USA für Stablecoins zeigt die Richtung. "Die Entwicklung rund um Libra damals war ja einer der Hauptgründe, warum Zentralbanken weltweit sich mit dem Thema beschäftigen", erklärt Siegert. Libra war ein gescheitertes Kryptowährungsprojekt von Facebook (heute Meta), das 2019 angekündigt wurde. Obwohl das Projekt nie startete, hatte es enormen Einfluss: Es alarmierte Zentralbanken weltweit und war einer der Hauptgründe, warum viele Länder eigene digitale Zentralbankwährungen (CBDCs) wie den digitalen Euro entwickeln. Der GENIUS Act ist ein US-Gesetz zur Regulierung von Stablecoins, das im Juni 2025 vom US-Senat verabschiedet wurde.

Die Prognose: Er kommt - aber anders als geplant

Trotz aller Widerstände sieht Siegert den digitalen Euro kommen. "Der politische Wunsch nach einer souveränen Infrastruktur in Europa ist sehr stark gegeben." Die entscheidende Frage sei nicht das "Ob", sondern das "Wie": "Wird es eine so umfangreiche, große Lösung oder eher eine schlanke Lösung?"

Die geplante Zwei-Jahres-Umsetzung hält der Experte für unrealistisch: "Der Teufel liegt häufig im Detail. Ich glaube nicht, dass wir nur zwei Jahre brauchen." Erste Pilot-Tests seien realistisch, eine Volleinführung dauere deutlich länger.

Ausblick: Innovation oder Stillstand?

Der digitale Euro könnte zum Katalysator für echte Zahlungsinnovationen werden - sofern die EZB bereit ist, das System über APIs und Developer-Ökosysteme zu öffnen. "Ich sehe eher die Innovation der 2030er Jahre, wie ein Zahlverfahren da sein muss, als im Grunde ein Status Quo eines Zahlverfahrens."

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