Gemeinsame EU-Anleihen als Milliardengeschäft

Im FONDS professionell Podcast spricht Moritz Schularick, Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, über die deutsche Schuldenpolitik. Der Ökonom erklärt, wie Sondervermögen wirklich funktionieren, warum Europa mit gemeinsamen Anleihen Geld verdienen könnte und weshalb Optimismus jetzt keine Option, sondern Pflicht ist.

Sondervermögen: Mehr als nur ein Euphemismus

Schularick bringt gleich zu Beginn Klarheit in die Debatte: "Das sind letztlich Schulden, aber mit einem sehr spezifischen Zweck." Ein Sondervermögen ist nichts anderes als ein kreditfinanziertes Ausgabenpaket, bei dem der Bund sich für bestimmte Zwecke zusätzlich verschulden darf. Die Bezeichnung sei bewusst gewählt, räumt der Ökonom ein: "Das klingt besser als Schuldenpaket."

Als einer der Ökonomen, die den Kompromiss der aktuellen Koalition mit erdacht haben, nennt Schularick drei zentrale Probleme bei der Umsetzung: Die Zusätzlichkeit der Investitionen, die Fähigkeit des Staates, das Geld überhaupt sinnvoll auszugeben, und die Notwendigkeit begleitender Strukturreformen.

Wie Deutschland an Geld kommt

Auf die Frage, wie die technische Abwicklung funktioniert, erklärt Schularick den Prozess überraschend einfach: Nach Verabschiedung des Haushalts wird das Finanzministerium ermächtigt, entsprechende Kredite aufzunehmen. Eine spezialisierte Abteilung platziert dann Staatsanleihen am privaten Kapitalmarkt, optimiert Laufzeiten und pflegt den Kontakt zu Investoren.

"Bei diesen Beträgen gibt es immer Käufer für deutsche Staatsanleihen", beruhigt Schularick. Deutschland besitze allein drei bis dreieinhalb Billionen Euro an Ersparnissen der privaten Haushalte. Die Verschuldung werde in den nächsten zehn Jahren auf etwa 75 Prozent des Bruttoinlandsprodukts steigen, während die USA bereits bei 120 Prozent lägen.

Europa als neuer sicherer Hafen

Besonders spannend wird es, als Schularick eine Vision für Europa entwickelt. Die USA profitierten seit Jahrzehnten von ihrem Status als Weltleitwährung und sicherer Hafen des Finanzsystems. "Die besten Schätzungen besagen, dass die Amerikaner 40 bis 50 Basispunkte weniger bezahlen, als sie eigentlich müssten."

Dieser Finanzierungsvorteil könne Europa zustehen, wenn man stärker auf gemeinsame europäische Staatsanleihen setze. Bei einem Volumen von zehn Billionen Euro würde das jährlich 50 Milliarden Euro bedeuten. "Damit können wir eine Menge Schulen finanzieren", rechnet Schularick vor.

Die verpasste Chance der Nullzinsphase

Warum man diese Investitionen nicht während der Nullzinsphase getätigt habe, sei eine berechtigte Frage. "Da hat man sicherlich eine Chance verpasst", gibt Schularick zu. Die politische Konstellation und fehlende Notwendigkeit hätten dies verhindert. Insbesondere die FDP habe große Bedenken gehabt, dem Staat mehr finanzielle Mittel anzuvertrauen.

Das Bürokratie-Dilemma

Ein zentrales Problem sieht der Ökonom in der deutschen Überregulierung. "Wir haben ein Land geschaffen, in dem das Nein-sagen und das Bedenkentragen unglaublich einfach ist." Das Beispiel mit dem Halbstundentakt der Deutschen Bahn bis 2070 führt er als absurdes Beispiel an: "2070 ist kein Planungshorizont, den irgendwer in den Mund führen sollte."

Die Lösung sieht Schularick in pragmatischen Regelungen: "Wenn wir sagen, das ist unser politisches Ziel, dann ist jeder, der Bedenken äußert, warum es nicht geht, automatisch der Buhmann." Als positives Beispiel nennt er die Flüssiggasterminals, die innerhalb eines halben Jahres gebaut wurden.

Rente und private Vorsorge

Zum Thema Altersvorsorge plädiert Schularick für mehr Pragmatismus. Statt komplizierter Systeme wie der Riester-Rente sollte man einfach jedem Bürger erlauben, jährlich 20.000 Euro steuerfrei in Altersvorsorgeprodukte oder Aktien zu investieren. Die deutsche Angst vor Aktien sei dabei kontraproduktiv.

Persönlich setzt der Ökonom auf selbstgenutztes Wohneigentum und Aktien. Das Rentensystem der Zukunft werde eine solidarische Basisabsicherung und Krankenversicherung für alle bieten, darüber hinaus aber stark auf private Vorsorge setzen müssen.

Optimismus als einzige Option

Trotz aller Herausforderungen bleibt Schularick optimistisch: "Wir haben ja keine Alternative zum Optimismus." Deutschland habe jetzt eine "Fighting Chance", wie er es nennt, um aus dem Tal herauszukommen. Die Voraussetzung: Der Staat muss handlungsfähig werden und zeigen, dass er Projekte umsetzen kann.

Das Vertrauen der Bürger gewinne man nur durch sichtbare Erfolge. Die LNG Terminals seien so ein Leuchtturm gewesen. "Dieses Mindset brauchen wir mehr", fordert Schularick und appelliert an die Politik, mutige Entscheidungen zu treffen und bürokratische Hürden pragmatisch zu überwinden.

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