Im FONDS professionell Podcast kommt der streitbare Ökonom Dr. Daniel Stelter zu Wort. Das Gespräch entwickelt sich zu einer schonungslosen Analyse der deutschen Wirtschaftspolitik, bei der Stelter kein Blatt vor den Mund nimmt: Von der Rentenkrise über verpasste Chancen in der Nullzinsphase bis hin zu konkreten Lösungsvorschlägen für private Altersvorsorge.
Politik: Erkenntnis vorhanden, Umsetzung mangelhaft
Stelter sieht Deutschlands Hauptproblem nicht in mangelnder Erkenntnis, sondern in der fehlenden Umsetzung notwendiger Reformen. "Es mangelt ja nicht an mahnenden Stimmen, die sagen, wir bräuchten Reformen, wir bräuchten Entbürokratisierung", erklärt der Ökonom. Das Problem liege vielmehr darin, dass Politiker das machen, "was die Bürger von ihnen wollen" - und viele Bürger merkten schlichtweg nicht, "wie eigentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Landes erodiert".
Die Rentenfalle: Konstruktionsfehler Umlageverfahren
Besonders scharf kritisiert Stelter das deutsche Rentensystem. Den "größten Konstruktionsfehler" sieht er bereits in Konrad Adenauers Entscheidung, vom Kapitaldeckungsverfahren auf das Umlageverfahren umzustellen. "Nach dem Motto 'Kinder haben die Leute immer'", so Stelter ironisch, "wenige Jahre später gab es die Pille und noch kurze Zeit später gab es den sogenannten Pillenknick".
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Bereits jetzt fließen rund 120 Milliarden Euro vom Bundeshaushalt als Zuschuss in die Rentenkasse - etwa ein Drittel des gesamten Bundeshaushalts. Stelter, Jahrgang 1964, prophezeit: "Ich bin fest davon überzeugt, spätestens wenn die 64er in Rente sind, ist eine Reform unmöglich".
Private Vorsorge als einziger Ausweg
Angesichts der düsteren Rentenprognose sieht Stelter nur einen Ausweg: "Private Altersvorsorge zu betreiben. Und zwar so früh wie möglich und so viel wie möglich". Der Vorteil: "Wenn man natürlich selber vorsorgt, dann kann man eben global diversifiziert vorsorgen" und damit an der weltweiten Wohlstandsentwicklung partizipieren.
Radikaler Vorschlag: 10.000 Euro für jeden Deutschen
Stelter präsentiert einen radikalen Reformvorschlag: "Wir sollten jedem Deutschen unter 65 Jahren 10.000 Euro schenken, der Staat, entsprechend anlegt wie der norwegische Staatsfonds". Die Kosten von etwa 1.000 Milliarden Euro - rund 25 Prozent des Bruttoinlandsprodukts - hält er für verkraftbar: "Wer in Deutschland auf einen Schlag so viel Schulden machen würde, wäre immer noch geringer verschuldet als die anderen Staaten, mit denen wir unsere Währung teilen".
Deutsche Vermögensarmut im europäischen Vergleich
Ein besonders brisanter Punkt: "Die Deutschen sind mit die Ärmsten in der Eurozone. Die Italiener haben mehr Vermögen, die Spanier haben mehr Vermögen, die Franzosen haben mehr Vermögen". Das Problem sei nicht die Vermögensverteilung an sich, sondern dass "die Masse der Bevölkerung kein Privatvermögen hat". Die Politik verhindere systematisch private Vermögensbildung, kritisiert Stelter scharf.
Verpasste Chancen in der Nullzinsphase
Besonders frustriert zeigt sich der Ökonom über die verpassten Chancen während der Null- und Minuszinsphase: "Ich kann es nur auf komplette Inkompetenz im Finanzministerium zurückführen". Während andere Länder wie Österreich 100-jährige Anleihen ausgaben, habe Deutschland die historische Chance verpasst, sich langfristig günstig zu finanzieren.
Klimapolitik: Teure Symbolpolitik statt globaler Effizienz
Auch die deutsche Klimapolitik bekommt ihr Fett weg. Die Kosten des Heizungsgesetzes pro eingesparte Tonne CO2 lägen "bei 1.000 Euro, in einer Welt, wo Sie global 80 Prozent des CO2-Ausstoßes zu Jahreskosten von unter 200 Dollar die Tonne einsparen" können. Stelters Fazit: "Wer glaubt, beim Elektroauto das Weltklima zu retten, dem kann ich auch nicht helfen".
Ein Funken Hoffnung trotz allem
Trotz aller Kritik endet Stelter mit einem vorsichtig optimistischen Appell: "Der Fortschritt der Menschheit wird gigantisch sein", auch wenn er befürchtet, dass die Fortschritte "überwiegend außerhalb Deutschlands und Europas stattfinden" werden. Seine Hoffnung ruht auf einem Bewusstseinswandel in der Bevölkerung, der Politiker zum Handeln zwingen könnte.
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