Im Wirtschaftspodcast "Ist das eine Blase?" von ZEIT und ZEIT ONLINE wird vor einer dramatischen Abhängigkeit der deutschen Industrie von chinesischen Rohstofflieferungen gewarnt. Mit dabei: Bertram Kawlath, Präsident des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbauer (VDMA), der einen alarmierenden Paradigmenwechsel im Umgang mit China fordert.
Wenn die Magnete fehlen, steht die Produktion still
Die Zahlen sind erschreckend: 90 Prozent der seltenen Erden, die in Smartphones, Windrädern und Elektromotoren stecken, kommen aus China. Kawlath berichtet von dramatischen Lieferengpässen: "Soweit mir bekannt ist, liegen etwa eine halbe Million Exportanträge für Seltene Erden oder Magnete in China in der Pipeline und werden nicht bearbeitet." Deutsche Maschinenbauer bekommen von ihren chinesischen Lieferanten zu hören: "Sorry, such dir einen anderen Lieferanten!"
Der Grund: Chinas Exportkontrollen als Folge des Handelskonflikts mit den USA treffen auch deutsche Unternehmen hart. Besonders betroffen ist die Herstellung von Elektromotoren, die Magnete aus seltenen Erden benötigen - und die stecken praktisch überall: von E-Autos über Windräder bis hin zur Spülmaschine und Wurstproduktion.
"Foulspiel Chinas" - Der VDMA schlägt zurück
Kawlath macht keinen Hehl aus seiner Kritik am chinesischen Vorgehen und spricht offen vom "Foulspiel Chinas". Ein besonders dreistes Beispiel: Ein chinesischer Anbieter vertrieb Anlagen mit falschen CE-Kennzeichen in Europa. Auf Nachfrage habe der Exporteur gesagt, das CE stehe für "China Exported".
Eine aktuelle VDMA-Umfrage unter 100 Mitgliedsunternehmen zeigt das Ausmaß der Krise: 28 Prozent spüren bereits jetzt Auswirkungen auf ihre Produktion durch exportkontrollierte chinesische Vorprodukte. Weitere 30 Prozent erwarten kurzfristig Probleme.
Paradigmenwechsel: Vom Partner zum Risikofaktor
Jahrelang hielt sich der traditionell freihandelsfreundliche VDMA zurück und setzte auf Eigenverantwortung der Unternehmen. "Wir sind nicht die, die nach dem Staat rufen", betont Kawlath. Doch die jüngsten Ereignisse - von der russischen Gaserpressung bis zu den chinesischen Exportkontrollen - haben ein Umdenken bewirkt.
Kawlath warnt vor den Folgen einer kompletten Abhängigkeit: "Dann können wir in Europa keine Elektromotoren mehr bauen. Der ist in unserem E-Auto drin, der ist in der Spülmaschine drin, ein E-Motor ist im Kompressor eines Kühlschranks drin. Er ist aber auch in der Wurstmaschine, in der unsere Wurst gemacht wird."
Europa als letzte Chance
Die Lösung sieht der VDMA-Präsident nur auf europäischer Ebene: "The only chance we have left is European strength", zitiert er Nico Lange von der Münchner Sicherheitskonferenz. Eine europäische Rohstoffstrategie müsse her, auch wenn der Aufbau eigener Abbaukapazitäten Jahre dauern wird.
Interessant: Während China seine Exportkontrollen verschärft, leiden chinesische Unternehmen selbst unter den Beschränkungen. Ein entsprechender ETF auf seltene Erden-Unternehmen verlor seit 2021 über 57 Prozent seines Wertes - trotz der hohen Nachfrage nach den Rohstoffen.
Zwischen Diplomatie und Konfrontation
Trotz der scharfen Kritik setzt Kawlath weiterhin auf diplomatische Lösungen: "Auch unter Freunden darf man ein offenes Wort sagen. Es hilft ja nichts. Wir müssen den Rücken gerade machen." China bleibt schließlich gleichzeitig zweitgrößter Exportmarkt und wichtiger Lieferant für die deutsche Maschinenbauindustrie.
Verfassen Sie den ersten Kommentar