Wie die älteste Privatbank Deutschlands zur KI-Bank wird

Im Podcast "The Portfolio People" spricht Nico Baum, Leiter Innovation und Data Driven Investments bei Berenberg, über die KI-Transformation der 1590 gegründeten Privatbank. Wie ein traditionsreiches Haus zum digitalen Vorreiter wird und welche Herausforderungen dabei zu meistern sind.

Das älteste Start-up der Welt

Berenberg mag 435 Jahre alt sein, doch Nico Baum sieht das Haus als "das älteste Start-up der Welt". Die Bank zeige eine bemerkenswerte Fähigkeit, sich schnell neu zu erfinden und an neue Marktumfelder anzupassen. Seit 2018 treibt Baum die KI-Transformation voran und ist überrascht, wie schnell technologische Innovationen in Business-Mehrwert umgewandelt werden konnten.

Die zweistufige KI-Strategie

Berenberg verfolgt einen strukturierten Ansatz mit zwei Ebenen: Die "Base AI" stellt allen Mitarbeitern Standard-KI-Anwendungen in einer sicheren Private Cloud zur Verfügung, praktisch ein eigenes ChatGPT für die Bank. Darauf aufbauend entwickelt die "Tailored AI" maßgeschneiderte Lösungen für spezifische Geschäftsprobleme. "Die wirklichen Herausforderungen liegen aktuell bei dem Thema KI gar nicht so stark auf der technischen Seite", erklärt Baum, "sondern auf der sozialen Seite, auf der Adoption-Seite."

80 Prozent schneller im Research

Das interne Research-LLM verkürzt die Analysezeit der Portfolio-Manager um bis zu 80 Prozent. Das System aggregiert Equity-Reports, Investor Relations und Broker Research auf einer breiten Datenbasis. Dabei gilt eine klare rote Linie: "Es wird nichts an Kunden gehen oder in die Prozesse gehen, was nicht vorher durch einen Menschen noch mal gecheckt wurde." Die KI bleibt Assistent, nie alleiniger Entscheidungsträger.

Menschen verzeihen Maschinen keine Fehler

Eine zentrale Beobachtung Baums betrifft die menschliche Psychologie: "Wir Menschen haben ja extreme Toleranz, dass Menschen Fehler machen. Aber wir haben de facto keine Toleranz, dass Maschinen Fehler machen." Diese Asymmetrie in der Fehlertoleranz stelle eine der größten Herausforderungen bei der KI-Einführung dar. Das Problem der Halluzinationen löst Berenberg durch die ausschließliche Nutzung vertrauenswürdiger Datenquellen und menschliche Kontrolle.

Mit KI Geld verdienen

Im Gegensatz zu vielen Wettbewerbern verdient Berenberg bereits seit 2019 mit KI-basierten Machine-Learning-Strategien im FX-Overlay Geld. "Wir generieren da Umsätze, wir sind da profitabel mit KI", betont Baum. Diese Profitabilität ermöglicht Reinvestitionen und erleichtert die Argumentation gegenüber dem Management.

Kooperation mit Google und die Zukunft

Berenberg arbeitet eng mit Google als Cloud- und Modellanbieter zusammen. Der Trend gehe von Large Language Models zu spezialisierten KI-Agenten. Baums Vision: Eine Plattform der Plattformen, wo Master-Agenten verschiedene spezialisierte Agenten orchestrieren.

Der Portfolio-Manager der Zukunft

Wird KI den Menschen ersetzen? Baums Antwort ist differenziert: "KI wird den Portfolio-Manager nicht ablösen, aber KI wird den Portfolio-Manager ablösen, der keine KI nutzt." Menschen bleiben unverzichtbar für soziale Themen, Empathie und das Lesen zwischen den Zeilen. KI übernimmt die analytische Komplexität.

Zeit als Geschenk

Baums Schlussbotschaft ist optimistisch: "KI schenkt uns an der Stelle Zeit." Die Automatisierung administrativer Aufgaben schaffe Raum für kreative und strategische Arbeit. Seine Regel für alle Banken: Jeden einzelnen Prozess mit der Frage betrachten, wie KI helfen kann. Denn: "Das würde ja unterstellen, dass wir alles, was wir erfinden können, schon erfunden haben."

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