Auf ein Bier: Garagengold, Camping und Toby von OCC

Henning Plagemann: OCC versichert jetzt auch Campingfahrzeuge. Die Nachricht ging durch alle Medien, wurde zur Kenntnis genommen und... ist doch irgendwie eine stromlinienförmige Geschichte. Steckt da nicht eine Fuckup-Story dahinter? Wieviel Blut, Schweiß und Tränen sind geflossen? Und was bedeutet eigentlich „Community-Versicherung“?

„Hamburg als Station zwischen München und Lübeck.“

Tobias Haff
OCC Assekuradeur GmbH

Tobias Haff: Ich war nicht so tief in das Projekt involviert, meine Aufgabe ist der Vertrieb für OCC. Campingfahrzeuge versichern wir ja über unsere Tochtergesellschaft Campingfreunde. Aber ich denke, die Umsetzung ist für ein Projekt dieser Größe sehr gut gelaufen, natürlich mit dem erforderlichen Anteil an Blut, Schweiß und Tränen. Interessant waren die Überlegungen im Vorfeld: Oldtimer und ihre Besitzer sind ein sehr spezielles Segment, die Leute lieben ihre Fahrzeuge, können stundenlang darüber reden und tauschen untereinander Tipps+Tricks aus. Unsere These ist, dass Camper genau so sind. Sie helfen sich gegenseitig, sie halten zusammen, sie bilden eine Community. Genau das ist eine ideale Zielgruppe für das Versicherungsgeschäft. Weniger interessant ist natürlich der Nomade, der in einen Camper einzieht und damit auch täglich in die Arbeit fährt - aber das gilt auch für klassische Oldtimer.

HP: Das mit den Oldtimern kenne ich aus dem Freundeskreis und habe es auch auf der Kieler Woche erlebt, wo OCC bei bestem Wetter einen Auftritt hatte. Hat dich der Oldtimer-Virus inzwischen gepackt?

TH: Ich fahre ein praktisches Auto mit Plastik drum herum, aber ich habe schon viele fantastische Autos gesehen. Und wenn wir von Oldtimern sprechen: Der Daimler W124 oder der BMW E30 - das sind gute Autos, die fahren ewig und die kann jeder reparieren, zur Not mit dem Schraubenzieher. Aber versicherungstechnisch sind sie ein Riesenproblem, wenn sie als Alltagsfahrzeug jeden Tag unterwegs sind. Wenn so ein Auto in einen Auffahrunfall gerät, dann hast du vorne einen kaputten "Joghurtbecher" aus Plastik mit 10.000 Euro Schaden. Die richtigen Autos aus Blech dahinter brauchen dagegen vielleicht nur eine Lackpolitur.

HP: Ein immer wiederkehrendes Thema sind die Konzentrationsprozesse auf dem Markt. Seid ihr davon betroffen?

TH: Ja, mei. Unabhängig von Zukäufen und Übernahmen haben wir in der Branche folgendes Problem: Der Kundenbestand bleibt stabil, aber die Zahl der Vermittler nimmt aufgrund des demografischen Wandels ab. Wenn nur 20 bis 30 Prozent der Vermittler aus dem Markt ausscheiden, dann hat der einzelne Vermittler nicht 500 Kunden im Bestand, sondern 700. Bei 50 Prozent Vermittlerschwund hat jeder danach doppelt so viele Kunden zu betreuen. Wie soll er das ohne Technik und ohne Qualitätsverlust in der Beratung bewältigen? Man muss sich auch ehrlich machen: Man merkt schon, ob jemand sein Handwerk gelernt hat oder nicht - die Professionalität des Beraters kann die Technik nicht ersetzen.

HP: Stichwort Technik: OCC hatte es früher ja nie „eilig“, die Kunden waren geduldsam, eine sorgfältige Risikobewertung dauert halt seine Zeit. Ihr habt ordentlich aufgerüstet – nutzt ihr schon KI?

TH: Wir haben die Grundlagen geschaffen. Ergänzend zu unserem Bestandsführungssystem haben wir mit BSI die CRM-Funktionalität ergänzt und darüber auch viele Analysemöglichkeiten. Ich betreue mit sechs Mitarbeitern zigtausende Makler und Vermittler, da muss natürlich automatisiert werden. Beispiel: Wie erkenne ich den nächsten Top-Makler, das kann ein Pool oder ein Einzelmakler sein. Da haben wir statistische Modelle, die uns ein bisschen helfen. Und BSI selbst baut auch interessante Sachen, nur eine Kleinigkeit: Die zeigen auf einen Blick die Kundensituation: Ehepartner, Kinder, Auto, Motorrad, Hund und Haus oder Wohnung: Das System zeichnet ein Bild und schon ist die Stimmung im Telefonat oder Webmeeting direkt auf die Kundensituation bezogen. Ist nur ein Gimmick und für allem für die Beratung in Richtung Endkunde, aber dieser optische Ansatz hat mich schon gepackt irgendwie.

Je nach Lebenssituation des Kunden erstellt BSI ein Kundenbild.

Was Vermittler angeht: Vor zehn Jahren gab es "Big Data", heute heißt viel davon KI. Dahinter steckt aber viel Statistik. Die erkennt Ähnlichkeiten und macht keine Annahmen, zu denen wir Menschen immer neigen. Nehmen wir Hamburg: Hier gibt es viele Menschen mit Geld, also sollte es auch viele Vermittler für Oldtimer geben. Vielleicht aber auch nicht, vielleicht sitzen sie im Speckgürtel. Das ist eine Annahme. Die KI ermittelt mir ganz neutral die konkreten Regionen.

HP: Und du persönlich, nutzt du KI-Systeme?

TH: Im geschäftlichen Bereich eher nicht. Meine E-Mails schreibe ich jedenfalls selbst. Oldtimer eignen sich auch nicht für Dunkelverarbeitung, das ist Grauverarbeitung. Man muss sich das Risiko anschauen. Es ist ja keine digitale Hausrat- oder Haftpflichtdeckung, das ist ein individuelles Risiko. Das kann die KI nicht erkennen, das sind Spezialitäten, die man begutachten muss. Wir wollen ja auch etwas über den Kunden erfahren. Und es ist schon interessant, unter welchen Umständen er die Fotos für sein Auto gemacht hat. Auch die Gutachten müssen inhaltlich verstanden werden. Privat spiele ich gerade mit KI, und trainiere sie um in meinem Stil Comiczeichnungen zu erstellen. Das nimmt zwar immer noch fast so viel Zeit in Anspruch wie das Zeichnen selbst, aber ich werde immer besser im Umgang mit der KI.

HP: Du zeichnest Comics?

TH: Ja, klar (lacht). Wie soll man sonst den ganzen Wahnsinn um sich herum verarbeiten? Schau mal hier...

Ein original Tobias Haff.
Das unbearbeitete Ergebnis aus der von Tobias trainierten KI (Basismodell war hier Stable Diffusion V 1.5).