Die Redaktion des Versicherungsmonitors diskutiert über die jüngsten Entwicklungen in der Managerhaftpflicht. Chefredakteurin Friederike Krieger und Katrin Berkenkopf gehen ins Detail dieser Sparte: Der Bundesgerichtshof (BGH) hat einen spektakulären Vergleich bei VW gekippt. Und der Schadenfall des Handels- und Touristikkonzerns Arcandor findet nach 16 Jahren und der Zahlung von 76,5 Millionen Euro ein Ende. Ausgerechnet die USA könnten nun für Unruhe im D&O-Markt sorgen.
BGH kippt Jahrhundertvergleich bei VW
Das Bundesgerichtshof-Urteil zum VW-Dieselskandal sorgt für Aufruhr in der Branche. Der ursprüngliche Vergleich über 288 Millionen Euro, davon 270 Millionen von den D&O-Versicherern und nur 18 Millionen von den VW-Managern, wurde für unwirksam erklärt. "Einige Aktionäre waren mit diesem Vergleich unzufrieden, weil sie nicht richtig informiert worden sind", erklärt Krieger. Die Kritik: Es fehlte an Transparenz über die tatsächlichen Vermögensverhältnisse der Manager. Besonders brisant bei Martin Winterkorn, der zu seinen Zeiten deutscher Topverdiener war.
Für die Versicherer ist das Urteil alles andere als erfreulich. "Sie müssen das halt jetzt nochmal aufmachen. Mit der Gefahr, dass dieser Vergleich denn noch kostspieliger wird", so Krieger. Der Fall geht zurück an die Vorinstanz, quasi alles wieder auf Null beim größten D&O-Vergleich der Geschichte.
Arcandor: Nach 16 Jahren endlich Schluss
Dass D&O-Fälle langwierig sein können, zeigt das Beispiel Arcandor. Nach 16 Jahren haben sich die D&O-Versicherer nun mit dem Insolvenzverwalter auf 76,5 Millionen Euro geeinigt. Ursprünglich hatte dieser 170 Millionen gefordert. Es ging um den Verkauf von Immobilien an den Oppenheim-Esch-Fonds zu angeblich zu niedrigen Preisen und deren überteuerte Rückvermietung. "Das hatte ich auch gar nicht mehr auf dem Schirm, dass das auch immer noch am Schwelen war", gibt Berkenkopf zu.
Begehrlichkeiten geweckt
Das VW-Urteil könnte Schule machen. "Das weckt natürlich Begehrlichkeiten, dass vielleicht auch andere nochmal gucken, ob bei anderweitigen D&O-Vergleichen die Aktionäre richtig zugestimmt haben", warnt Krieger. Künftige Vergleiche werden komplizierter und tendenziell teurer. Das wird ein Arbeitsbeschaffungsprogramm für Juristen.
Deckungssummen auf dem Prüfstand
Die Diskussion dreht sich auch um die Angemessenheit der Deckungssummen. Bei VW lag die Deckungssumme bei 500 Millionen, gezahlt wurden aber nur 270 Millionen. "Da könnte man eigentlich kaum einen größeren Schadenfall ausmalen, der hätte passieren können", merkt Krieger an. Die Konsequenz: Es könnte verstärkt Bedarf nach höherer Deckung geben.
Auch persönliche D&O-Versicherungen, mit denen Manager ihre Eigenbeteiligung absichern, könnten einen Schub erfahren. Bislang waren diese Policen kaum gefragt, doch das könnte sich ändern, wenn Manager merken, dass ihr Vermögen gefährdet ist.
Wann steigen die Prämien?
Derzeit ist der D&O-Markt relativ weich, man bekommt für geringe Preise Deckung, die Versicherer konkurrieren stark. "Es ist halt die Frage, wie lange das denn so wirklich so bleiben kann, wenn jetzt der größte D&O-Schaden aller Zeiten nochmal neu aufgerollt wird", gibt Krieger zu bedenken. Zumal weitere große Fälle in der Schadenregulierung noch ausstehen.
Regulierung: Fluch oder Segen?
Eine interessante These: Mehr Regulierung könnte D&O-Risiken sogar senken. "Die unternehmerischen Freiräume werden kleiner, wenn halt einfach die Regeln mehr werden und die meisten D&O-Fälle kommen halt aus dem unternehmerischen Freiraum", fasst Krieger zusammen. Allerdings gibt es auch die Gegenmeinung: Mehr Regeln bedeuten mehr Möglichkeiten, etwas falsch zu machen. Und beim Dieselskandal haben die Regeln offenbar auch nicht geholfen.
Risikofaktor USA für die D&O
Aus den USA kommt eine weitere potenzielle Unsicherheit: Die USA wollen möglicherweise die vierteljährlichen Finanzberichte für börsennotierte Unternehmen abschaffen. "Die Versicherer haben dann einfach weniger Möglichkeit zu erkennen, wann was schiefläuft", erklärt Krieger. Das erschwert das Underwriting und könnte zu höheren Prämien und strikteren Deckungen führen. Allerdings merkt Berkenkopf an, dass es ja das Instrument der Ad-hoc-Meldung gibt, bestimmte Ereignisse sind sofort publizitätspflichtig. "Weniger Information ist trotzdem etwas, das die D&O-Versicherer nicht gut finden können", hält Krieger dagegen.
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