Henning Plagemann: Hannes, meine Standardfrage an Digitalisierungs-Dienstleister lautet: Was muss ein Makler tun, der sich bisher nicht mit digitaler Automatisierung beschäftigt hat und sich dieses Nachholbedarfs bewusst wird?
Hannes Heilenkötter: Ganz spontan: Wie alt ist der Makler? Ab einem gewissen Alter würde ich sagen, quäle dich nicht, verkaufe den Laden. Die Frage ist wirklich, ob er noch Lust und Interesse für die Digitalisierung hat. Oder ob er das nicht lieber anderen überlassen sollte. Im Moment haben wir noch einen Verkäufermarkt für Bestandsverkäufe.
HP: blau direkt ist als Bestandsaufkäufer sehr aktiv. Steht das nicht im Widerspruch zu dem Dienstleistungsangebot für Makler?
HH: Im Gegenteil, die Makler haben aufgrund der Nachfolgeproblematik genau nach einem solchen Angebot gefragt. Wir unterscheiden zwischen Asset Deal und Share Deal. Beim Asset-Deal kaufen wir die Bestände, beim Share-Deal das gesamte Unternehmen. Die Digitalisierung findet in jedem Fall statt, die Mitarbeiter vor Ort werden auf die Ameise geschult und die operativen Prozesse digitalisiert. Einige Makler kommen mit dem Ziel zu uns, ihren Bestand in einigen Jahren verrenten zu lassen und sich dann in ihren wohlverdienten Ruhestand zurückzuziehen. Falls dem Makler auf dem Weg dahin etwas zustoßen sollte, ist ihm über die AGB der Anspruch auf Maklerrente automatisch zugesichert.
HP: Zur Digitalisierung: Als Pool habt ihr eure Prozesse automatisiert, die der Makler über Ameise nutzen kann. Wie sieht der Einstieg für einen Makler aus, der noch mehrere Leitz-Ordner im Büro stehen hat?
HH: Grundsätzlich sind unsere Dienstleistungen für Makler interessant, die wirtschaftlich erfolgreich sind und unter Zeitmangel leiden. Wer zu blau direkt wechselt, bekommt keine Papierpost mehr ins Büro, sondern findet Kunden, Verträge, Maklerpost und Arbeitsprozesse digital in der Ameise. Das Einscannen von Papierakten ist sehr aufwändig und als externe Dienstleistung zu teuer. Da wir aber auch die gesamte Datenversorgung mit BiPRO- und GDV-Daten übernehmen, ist das Scannen von Altakten nach unserer Erfahrung nicht mehr zielführend.
HP: Wie schätzt du den Markt der MVP-Systeme ein, worauf müssen sich Makler einstellen?
HH: Es wird eine massive Marktbereinigung geben, das ist sicher. Vor 10 Jahren war ein MVP-System eine bessere Excel-Tabelle, heute haben wir technisch völlig andere Dimensionen. Die Makler erleben das jeden Tag in der Praxis, vor 10 Jahren wurde noch diskutiert, ob man als Makler eine Website braucht. Heute kommen die Kunden über Facebook und TikTok. Und aus Betreibersicht hat Cybersecurity inzwischen oberste Priorität mit entsprechenden Investitionen. Dabei geht es nicht nur um Technik, sondern auch um die Qualifikation der Mitarbeiter und ständige Weiterbildung.
HP: Kann künstliche Intelligenz nicht bei der Datenversorgung helfen und den Aufwand reduzieren?
HH: Wir haben einen manuellen Aufwand von 3-4 Stunden pro Tag für das Scannen der Post, da die Versicherer in einigen Fällen noch nicht über BiPRO verfügen. Wir prüfen den Einsatz von KI, aber am Ende des Tages ist es immer noch hochqualifiziertes Raten. Eine fehlerhafte Zuordnung von Kunden- und Vertragsdaten ist automatisch ein DSGVO-Verstoß, das können wir nicht riskieren. Automatisierung ja, aber nicht um jeden Preis. Wir bekämpfen Zuordnungsprobleme an der Wurzel, sonst wiederholt sich der Fehler immer wieder. Das können falsche Prozessabläufe sein, fehlende Antragsnummern aus einem Tarifvergleich oder eine Systemumstellung bei einem Versicherer. Natürlich gibt es auch menschliche Eingabefehler, auch wenn unsere Technik versucht, Fehleingaben von Versicherungsnummern zu vermeiden.
HP: Ihr habt vor einiger Zeit ein KI-Konzept für die Kunden-App Simplr vorgestellt. Wurde das umgesetzt, berät die App inzwischen den Kunden?
HH: Es geht weniger um Beratung als um automatische Bestandspflege. Mit RoboSafe haben wir im letzten Jahr den Kfz-Bestand proaktiv gegen verführerische TV-Werbung abgesichert. Der Makler erhielt auf Basis der vorhandenen Kfz-Vertragsdaten seines Bestandes automatisiert Vergleichsangebote. Damit konnte er seinen Kunden ohne eigenen Aufwand Einsparpotenziale aufzeigen und das Thema Kfz-Wechsel für sich und den Kunden abhaken. Ziel war nicht die Umdeckung, sondern das Schließen des vertrieblichen Türöffners ohne Aufwand für den Makler.
HP: Ihr erbringt jetzt IT-Dienstleistungen für andere Pools, arbeitet auch mit Wettbewerbern zusammen an dem Vergleichsrechner comparit. Ist das jetzt die Übernahme fremder Pools bzw. deren Makler mit anderen Mitteln? Könnte ich als Makler nicht versucht sein, die IT-Dienstleistungen direkt von euch zu beziehen? Direkt gefragt: Ist es klug oder fahrlässig, sich als Poolchef auf das Dienstleistungsangebot von blau direkt einzulassen?
HH: Wir haben früher als andere begonnen, auf technische Prozesse zu setzen und haben in diesem Bereich immer massiv investiert. Für unser MVP-System haben wir schon vor Jahren eine intelligente Schnittstelle gebaut, um den Aufwand für die Integration von Drittsystemen wie Vergleichsrechnern oder CRM-Tools praktisch auf Null zu reduzieren. Als Plattform haben wir gelernt, mit niedrigen Margen zu arbeiten. Diesen Vorsprung kann ein anderer Pool nicht so leicht aufholen. Warum sollte er auch, unsere Dienstleistungen wie das Abholen von BiPRO-Dokumenten sind für ihn ein reiner Hygienefaktor, der Pool muss sich auf das konzentrieren, was ihn auszeichnet: Besondere Konzepte, hohe Servicelevels, Vertriebsunterstützung, hohe Courtagen, ausgezeichnete Technik oder persönliche Expertise. Wechseleffekte von einem Pool zum anderen können vereinzelt vorkommen, konnten wir auf unserer Plattform in einem messbaren Umfang aber bisher nicht feststellen.
HP: Wie schätzt du die weitere Entwicklung des Poolmarktes ein? Im Markt wird bereits über die nächste Übernahme gemunkelt.
HH: Der Kostendruck bleibt hoch, an den Antragskosten pro Versicherer kann man sofort erkennen, ob ein Pool profitabel arbeitet. Aber der Poolmarkt kommt uns Beteiligten immer so groß vor, weil wir dort zu Hause sind, während z.B. Strukturvertriebe ganz andere Größenordnungen bewegen. Und die Pools werden in diesem Markt als Dienstleister gebraucht, wie sonst sollte man 1.000 Makler mit einem vergleichbaren Aufwand z.B. an die BiPRO-Post eines Versicherers anschließen. Ein Strukturvertrieb bekommt das auf Knopfdruck hin. Die im gesamten Versicherungsmarkt zu spürende steigende Nachfrage nach technischen Lösungen ist übrigens auch ein Vorteil für unsere Software-Entwicklung der Ameise. Früher waren unsere Kunden überwiegend Einzelmakler, heute haben wir Vertriebe, Banken und größere Einheiten mit vielen Untervermittlern auf dem System, da sind ganz neue Funktionen und Prozesse entstanden, die allen Nutzern zur Verfügung stehen.
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