Ruhestandsplanung zur Sicherung des Einkommens bis zum Lebensende

Im Verkaufsgespräch für die Altersvorsorge war es früher einfach: es wurde das gesetzliche Rentenalter als Ablauf der Lebensversicherung gesetzt. Und die Ablaufsummen waren hoch, zumindest zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses. Die Frage nach der Option Kapitalauszahlung oder Verrentung wurde auf später verschoben, dafür war ja noch genug Zeit.

Früher an später denken, so lautete die Werbung eines Strukturvertriebes. Und doch tun sich die Menschen schwer mit dem "später", sei es emotional oder finanzmathematisch. Dabei gibt es heute viele Möglichkeiten, damit umzugehen. Meinen Gesprächspartner André Zoellner kenne ich noch aus der Zeit, als die Condor noch zu Dr. Oetker gehörte und im Bereich der Lebensversicherung ein wichtiger Partner der Versicherungsmakler war. André beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem Thema konzeptionelle Ruhestandsplanung und versucht, es tiefer im Markt zu etablieren.

"Den Einhandsegler, und als Seesegler verwende ich den Begriff hoch wertschätzend, wird es so in fünf Jahren wohl kaum noch geben."

André W. Zoellner
AZ Beratungen

Henning Plagemann: André, was hast du nach Jahren im Maklervertrieb Leben jetzt gemacht?

André Zoellner: Im Sommer habe ich mir zunächst einen Jugendtraum erfüllt und bin von der Ostsee aus rund um England gesegelt. Aktuell bin ich freiberuflicher Berater und führe zu meinem Herzensthema Ruhestandsplanung einige Projekte mit Maklern, Vertrieben und auch Produktgebern durch. Ruhestandsplanung kann für viele das attraktive Geschäftsfeld der nächsten Jahre werden, der Markt dafür entwickelt sich gerade. Man kann es mit dem E-Bike vergleichen. Früher hatten Kunden ab 50 irgendwo ein altes Fahrrad stehen, das sie später auch nicht mehr angerührt haben. Die Zielgruppe war für die Fahrradhändler völlig uninteressant. Das hat sich komplett geändert, heute sind sie eine wichtige Kundengruppe im Hochpreissegment der E-Bikes. Da ist ein neuer riesiger Markt entstanden. Genauso erwarte ich es bei der Konzeptberatung zum Ruhestand etwa ab der zweiten Lebenshälfte. Und noch etwas zeichnet diesen Markt aus: Konzeptionelle Beratung ist und bleibt empathisch, das kann keine App und keine KI. Berechnen ja, beraten nein. Eine Chance für alle Berater:innen, nicht für Bots.

HP: Ich habe es gerade bei einer Bekannten erlebt, die nicht vom Fach ist, die kurz nach der Benachrichtigung über den Ablauf ihrer LV plötzlich sehr viel Geld auf dem Konto hatte und etwas ratlos war, wie sie ihre Anlageentscheidung treffen sollte. Das Schreiben des Versicherers endete nach vielen Jahren Vertragslaufzeit mit den besten Wünschen für die Zukunft. Beratung für die Zukunft? Fehlanzeige.

AZ: Ein Klassiker, den es in vielen Häusern gibt. Man hat immer wieder Maßnahmen ergriffen, um freiwerdende Gelder wieder anzulegen, aber das war einseitig und zu kurz gedacht. Die Kunden brauchen zunächst kein neues Produkt, aber eine Beratung, wie es für sie finanziell weitergeht. Sie wünschen und benötigen ein individuelles Konzept, das sie über Jahrzehnte trägt. Und bekommen doch immer wieder nur neue Finanzprodukte vorgelegt. Das kann nur schlecht funktionieren. Viele denken dann an Finanzplanungssoftware, die das Konzept per Knopfdruck liefern soll. Aber eine der ersten Frage ist: Wie alt wird dieser Mandant? Das ist eine Variable, oder? Wie soll das eine Software dann allein verarbeiten können? Und auch uns selbst fehlt es an Vorstellungskraft, vor allem, was die Auswirkungen von Lebenserwartung oder Inflation betrifft. Als ich in der Branche angefangen habe, hat ein Haus 500.000 DM gekostet, heute bekommt man dafür hier in Hamburg eine Einzimmerwohnung. Damals nicht vorstellbar.

Und unsere Lebensweise und Fitness hat sich verändert seit Omas Zeiten. Meine Oma lebte bis 94, seitdem steigt die Lebenserwartung weltweit. Dennoch kann und will sich keiner vorstellen, 100 Jahre und älter zu werden. Das ist paradox, oder?

HP: Was empfiehlst du Vermittlern, die hier aktiv werden wollen?

AZ: Ich selbst bin ausschließlich beratend tätig. Und da ist schon ein Unterschied: Es gibt keine Abhängigkeiten von Produktabsätzen im Geschäftsmodell. Der Haken daran: Eine Honorarforderung muss im Vorfeld auch verkauft werden. Das ist anders als im Provisionsgeschäft und erfordert ein wenig Umdenken. Dann stellt man fest: Kunden schätzen es tatsächlich, wenn sie unabhängig von einem Produktverkauf erst einmal konzeptionell beraten werden. Natürlich kennen sie die tradierten Modelle: man kauft am Ende provisionsgeladene Produkte, zu denen man vorher „kostenlos“ beraten wurde. Ruhestandsplanung dreht dieses Modell etwas um, da es gerade bei lebenserfahrenen Kunden kaum mehr auf Akzeptanz stößt. Kunden bezahlen hier für eine konfliktfrei und kompetent erstellte Analyse und Konzeption einen angemessenen Preis je nach Aufwand. Dann wissen sie auch, was sie brauchen und wollen. Dann wollen sie auch handeln.

Das hilft auch jedem Makler oder Vermittler, daher ist eine Geschäftserweiterung durch Konzeptionelle Ruhestandsplanung quasi eine Symbiose. Wer das nicht selbst möchte oder noch nicht kann, der sollte erstmal mit einem Ruhestandsplaner kooperieren. Denn viele Menschen planen ihr Haus ja auch erstmal mit einem Architekten, bevor die Handwerker loslegen. Und jeder Arzt braucht zwingend die Anamnese, um eine geeignete Therapie zu erkennen. Was ein Mensch im Alter wirklich braucht, das erkennt er nicht an den Produktfeatures. Analyse und Konzept sind viel entscheidender. Gerade weil es eben ein immer längerer Zeitraum wird. Und daher möchte ich auch Kunden näherbringen, dass sich der Preis dafür mehr als lohnt.

Lohnend und auch skalierbar, denn die Nachfrage in diesem Segment steigt stetig, allein schon wegen der Demographie. Dagegen dürfte es immer schwieriger werden, jüngeren Menschen eine Altersvorsorge zu verkaufen. Berufsunfähigkeit wird gekauft, das klassische LV-Geschäft liegt dagegen brach, zumindest gemessen am Bedarf. Jüngere haben andere Bedürfnisse und interessieren sich eher für die eigene Immobilie. Viele Vermittler scheitern aber in der Konzeptberatung, weil sie damit gar nicht richtig anfangen. Vielleicht sollten wir als Branche hier auch noch mehr miteinander kooperieren. Denn was dem Kunden nutzt, hilft uns allen.

HP: Ich stelle es mir schwierig vor, mich als Versicherungsmakler im Bereich des anspruchsvollen Finanzplaners zu bewegen. Nicht aus fachlicher Sicht, sondern aus der Sicht des Kunden.

AZ: Stimmt. Das finde ich gut, denn wenn´s ganz einfach wäre, dann könnte es die Finanz App oder KI ja auch. Natürlich haben viele Kunden auch schlechte Erfahrungen mit Versicherungsprodukten gemacht und wer dreimal ein schlechtes Produkt gekauft hat, wird mit dieser Lebenserfahrung kritischer. Aber auch Makler haben diese Erfahrungen und können den Mehrwert einer konzeptionellen Beratung sehr gut darstellen. Übrigens fällt es hier sehr leicht, Mandanten auch emotional zu verstehen. Denn sehr viele sind selbst ein Teil der Zielgruppe 50plus. Viele Makler scheuen leider noch die Veränderung, sie arbeiten weiter wie bisher, kaufen Bestände zu, um den Status quo mit mehr Kunden und Verträgen zu erhalten. Dabei könnten sie mit wenigen Kunden mehr Umsatz machen. So sind gerade Komposit Makler prädestiniert für die Ruhestandsplanung ihrer oft vermögenden Kunden. Denn die vertrauen ihnen und nehmen sie als Kümmerer im Schadensfall sehr positiv wahr.

HP: Apropos Marktveränderungen. Wie beurteilst du den Maklermarkt aus deiner Sicht?

AZ: Den Einhandsegler, und als Seesegler verwende ich den Begriff hoch wertschätzend, wird es so in fünf Jahren wohl kaum noch geben. Es sein denn, er fokussiert sich professionell auf eine Zielgruppe. Das könnte Ruhestandsplanung sein. Viele gute und professionelle Makler, die ich in meiner Laufbahn kennengelernt habe, sind von der Regulierung genervt und haben die Lust verloren. Wenn ein Einhandsegler heute einen strukturellen Fehler macht, kann das sein wirtschaftliches Aus bedeuten. Ich empfinde hier die Regulierung mittlerweile als wettbewerbsverzerrend. Denn die Beratungsqualität steigt nicht mit der Größe von Anbietern oder der Bindung an eine Finanzgruppe.