Finanzminister alarmiert: Sozialkassen vor dem Kollaps

Die schwache Konjunktur und die fortschreitende Alterung der Bevölkerung könnten die Staatsverschuldung bis 2070 auf 345 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ansteigen lassen, hieß es diese Woche aus dem Ministerium. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) stellte den sechsten Tragfähigkeitsbericht vor. Darin wird deutlich, dass die derzeitige Struktur der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung in Deutschland finanziell nicht mehr tragfähig ist. Die Politik sieht dringenden Handlungsbedarf für strukturelle Reformen. Die FDP forderte Reformbereitschaft von den Koalitionspartnern.  „Der Tragfähigkeitsbericht zeigt, ohne starkes Wirtschaftswachstum ist der üppige Sozialstaat zukünftig nicht mehr finanzierbar“, sagte der FDP-Haushaltsexperte Christoph Meyer.

„Der Tragfä­hig­keitsbericht zeigt, ohne starkes Wirtschaftswachstum ist der üppige Sozialstaat zukünftig nicht mehr finan­zierbar.“

Für die demografiebedingten Ausgaben wurden verschiedene Szenarien vorgestellt. Die günstige Variante geht davon aus, dass sich eine höhere Zuwanderung und eine geringere Arbeitslosigkeit „günstig auf die langfristige Tragfähigkeit“ der Staatsfinanzen auswirken würden, schreibt das Bundesfinanzministerium. Auch ein stärkerer Anstieg der Erwerbsbeteiligung Älterer und eine höhere Erwerbsbeteiligung von Frauen würden sich günstig auswirken.

Lindner verwies auf erste Schritte der Strukturreform in der Rentenversicherung durch die Einführung des Generationenkapitals.  Dieser sieht vor, künftig jährlich rund 12 Mrd. Euro an den Aktienmärkten anzulegen, um daraus ab 2035 Erträge zur Senkung der Rentenbeiträge zu erwirtschaften. Da kein Kapital zum Investieren vorhanden ist, sollen dafür zusätzliche Schulden aufgenommen werden. Entsprechende Reformen fordert Linder auch für die Kranken- und Pflegeversicherung, geht hier aber nicht ins Detail.

Das Gutachten enthält auch eine Prognose zur Entwicklung der Erwerbstätigenzahlen. Bei einer „moderaten Entwicklung von Geburtenhäufigkeit, Lebenserwartung und Nettozuwanderung“ könnte die Zahl der Erwerbspersonen zwischen 2022 und 2070 bundesweit um zwölf Prozent zurückgehen, in Westdeutschland um elf Prozent und in Ostdeutschland um 21 Prozent.