
Esther Eva Prax
InsurTech Hub Munich
Beim Vortrag „Maklermarkt im Wandel“ vom Insurtech Hub Munich ging es um die dramatische Transformation des Maklermarktes. Gastgeberin Esther Prax empfing für eine informative Stunde Frederik Schäfer von Deloitte und Simon Moser von Muffintech.
Die Zahlen sind beeindruckend und bedrückend: Die Übernahmen und Fusionen im Maklerbereich sind von 10 im Jahr 2018 auf 90 im Jahr 2023 angestiegen – ein Anstieg von 800 %. Diese massive Konsolidierungswelle könnte die Zahl der Maklerhäuser bis zum Jahr 2033 auf nur noch 5.000 bis 10.000 reduzieren.
"Wir werden immer weniger Einfirmenmakler oder Mittelstandsmakler sehen. Es wird mehr dahingehend, dass wir größere Pools sehen, stärkere Verbünde, dass Assekuradeure mehr an Bedeutung gewinnen," erklärt Schäfer, der sich bei Deloitte auf die Konzeption und Umsetzung großer Transformationsprogramme spezialisiert hat.
Die Ursachen der Konsolidierungswelle
Diese enorme Marktveränderung wird durch mehrere Faktoren angetrieben. So sehen sich kleinere Makler mit steigenden Digitalisierungsanforderungen konfrontiert, die sie kaum allein bewältigen können. „Das treibt diese kleineren Makler in die Hände von größeren Maklern. Und da ist das Angebot der Pools, ihre technologische Infrastruktur zu nutzen, natürlich sehr attraktiv“, führt Schäfer aus.
Gleichzeitig streben größere Maklerhäuser nach Skaleneffekten. Sie haben in eine leistungsfähige digitale Infrastruktur investiert. Nun wollen sie diese durch Wachstum optimal auslasten. Private-Equity-Investoren werden von den kalkulierbaren Einnahmen im Maklergeschäft angelockt.
Simon Moser, Gründer und CEO von Muffintech, kennt diese Herausforderungen aus erster Hand. Während seines Studiums arbeitete er in einem klassischen Strukturvertrieb. Dabei erlebte er die Branche von innen. Mit seinem Start-up Muffintech hat er kürzlich 3,5 Millionen Euro Kapital eingesammelt. Jetzt entwickelt er KI-Lösungen für den Versicherungsvertrieb.
Die digitale Unzufriedenheit der Makler
Eine besonders beunruhigende Erkenntnis der Experten lautet: "64% der Makler sind aktuell unzufrieden mit den digitalen Prozessen." Diese Unzufriedenheit hat viele Gesichter: Makler kämpfen mit inkonsistenter Datenübermittlung zwischen Versicherern und Maklerverwaltungsprogrammen. Sie verlieren wertvolle Zeit mit umständlichen Authentifizierungsverfahren. Sie warten zu lange auf Antworten von Versicherern. Digitalisierte Prozesse reduzieren den manuellen Aufwand kaum. Die fehlende Standardisierung zwischen den Versicherern erschwert effizientes Arbeiten.
Schäfer warnt: „Da muss man deutlich konstatieren, dass es hier einen Aufholbedarf im Maklervertrieb gibt und vielleicht auch einen gewissen Digitalisierungsrückstau, den es abzubauen gilt.“ Es besteht die Gefahr, dass Assekuradeure als Ventillösung dienen. Sie beherrschen digitale Prozesse besser und könnten so weiteren Rückstau abfangen sowie mehr Teile der Wertschöpfungskette übernehmen.
KI als Lösungsansatz für unabhängige Makler
Simon Moser sieht in der künstlichen Intelligenz einen vielversprechenden Ansatz für Makler. Damit können sie sich trotz des demografischen Wandels behaupten. „25 bis 35 Prozent der aktuell aktiven Vermittler werden in den nächsten Jahren in den Ruhestand gehen.“ Der durchschnittliche Vermittler ist heute 53 Jahre alt. Das bedeutet: Bis 2030 wird jeder Vermittler ungefähr 30 Prozent mehr Kunden haben.“
Die Alterung der Gesellschaft zwingt zur Automatisierung. Moser hat die Erfahrung gemacht. KI-Assistenten steigern die Leistung von Mitarbeitern erheblich – bei weniger erfahrenen Mitarbeitern um bis zu 40 Prozent und bei erfahrenen Kräften noch um 17 Prozent.
Makler nutzen KI, um Routineaufgaben abzugeben und mehr Zeit für wertschöpfende Kundenkontakte zu haben. Mosers Unternehmen hat bereits Teile der Endkundenkommunikation automatisiert. Besonders im Bereich allgemeiner Produktinformationen und Bedarfsermittlung.
Erfolgsfaktoren für KI-Implementierung in Maklerbüros
Statt abstrakter Theorien teilt Moser konkrete Erfolgsgeheimnisse für die Implementierung von KI. Er meint, KI-Projekte sollten nicht von der IT-Abteilung, sondern von den Anwendern selbst ausgehen. Sie sollten bei tatsächlichen Problemen und Zeitfressern im Tagesgeschäft ansetzen.
„Einfach klein starten und dann weiter groß denken”, empfiehlt Moser. Ein erfolgreicher erster Anwendungsfall schafft Vertrauen und Schwung für weitere Entwicklungen.
Die Integration in bestehende Arbeitsabläufe ist besonders wichtig. KI muss dort zum Einsatz kommen, wo Makler und ihre Mitarbeiter ohnehin tätig sind – sei es im Schadenbearbeitungs-Tool, im MVP oder im CRM-System.
Moser hat aus seiner Erfahrung gelernt. Die klassische ChatGPT-Interaktion, bei der der Nutzer aktiv prompten muss, ist im Makleralltag oft nicht praktikabel. Sein Ansatz dreht das Verhältnis um: "Wir drehen ein Stück weit um, wer der reaktive, wer der aktive Teil ist. Die KI führt den Nutzer durch den Prozess.“ Dies reduziert die Anforderungen an die Promptingfähigkeiten der Mitarbeiter erheblich.
Voice-Bots als kommender Game-Changer
Die Experten sind sich einig: Chat- und Voice-Bots werden bis 2026/2027 flächendeckend in der Branche zum Einsatz kommen. Simon Moser und Fredrik Schäfer sehen in Voice-Bots ein enormes Potenzial.
„Es muss nicht immer fallabschließend sein”, erläutert Schäfer. "Es kann auch einfach nur ein kleiner Teil der Wertschöpfungskette sein, der von einem Voice-Bot abgelöst wird." Ein typisches Beispiel hierfür sind Authentifizierungsprozesse bei Kundenanrufen. Sie nehmen heute viel Zeit in Anspruch.
Moser ergänzt aus seiner praktischen Erfahrung bei Muffintech: "Wenn ich jetzt aktuell als Kunde meinen Versicherer anrufe, dann bin ich erstmal wahrscheinlich drei oder vier Minuten und spreche mit einer Telefonanlage, um irgendwie mich durchzuwählen." Voice-Bots können dabei helfen, eine Authentifizierung viel schneller durchzuführen.
Die Zukunft des unabhängigen Maklers
Trotz aller technologischen Entwicklungen betont Moser die anhaltende Bedeutung des persönlichen Kontakts: "Menschen wollen weiterhin persönlichen Kontakt, wenn es um Versicherung geht." Dies gilt insbesondere in komplexen Bereichen wie Gesundheit, Leben und biometrischen Risiken. „Der Mensch will mit dem Menschen Kontakt haben und wissen, dass im Zweifel ein Mensch dahintersteht, den er anrufen kann, dem er vertrauen kann.“
Die eigentliche Herausforderung für Makler besteht darin, KI-Technologien strategisch einzusetzen. Damit lassen sich repetitive Aufgaben automatisieren und gleichzeitig der persönliche Service stärken. Dies könnte der Schlüssel sein, um als unabhängiger Makler in einem zunehmend konsolidierten Markt zu bestehen.
Die Experten fassen die Situation zusammen: Die Digitalisierung und KI bieten Chancen für alle Marktteilnehmer – aber nur, wenn sie aktiv gestaltet werden. „Man sollte nicht sagen: ‚Ich beherrsche die Prozesse noch nicht, deswegen kann ich das Thema noch nicht angehen.‘“
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