Im Wirtschaftspodcast "Ist das eine Blase?" von der Zeit diskutieren die Redakteure mit dem renommierten Rentenexperten Bert Rürup über die Ungerechtigkeit im deutschen Rentensystem. Nur 19.000 Menschen in Deutschland erhalten mehr als 3.000 Euro gesetzliche Rente – während Beamte im Schnitt genau diese Summe als Pension kassieren. Der 81-jährige Erfinder der Rürup-Rente erklärt, warum eine Reform praktisch unmöglich ist und welche demografische Zeitbombe auf uns zukommt.
Die neue Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) hat eine alte Debatte neu entfacht: Sollen Beamte künftig in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen? Was auf den ersten Blick nach mehr Gerechtigkeit klingt, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als rechtliches und finanzielles Minenfeld.
Zahlen der Ungleichheit
Die Dimension der Ungerechtigkeit wird durch konkrete Zahlen deutlich: "Beamte in Deutschland bekommen im Schnitt eine Pension von etwas mehr als 3.000 Euro im Monat", während nur knapp 19.000 Menschen eine gesetzliche Rente von über 3.000 Euro erhalten – bei insgesamt 18,9 Millionen Rentnern über 65 Jahre.
Noch krasser wird der Unterschied bei der durchschnittlichen Rentenhöhe: "Die durchschnittliche gesetzliche Rente liegt bei etwa 1.800 Euro brutto. Die Beamtenpension dagegen liegt bei 3.240 Euro brutto, das ist fast doppelt so viel", erklärt die Zeit-Redakteurin.
Warum eine Reform praktisch unmöglich ist
Bert Rürup, der Erfinder der nach ihm benannten Rürup-Rente und seit 50 Jahren Regierungsberater in Rentenfragen, dämpft die Reformeuphorie erheblich. "Alle in einem dieser Systeme erworbenen Ansprüche sind verfassungsrechtlich geschützt", betont der 81-jährige Experte. Eine Umstellung würde daher Jahrzehnte dauern und wäre extrem teuer.
Das Institut der deutschen Wirtschaft hat berechnet, dass eine Integration der Beamten den Staat zusätzlich 20 Milliarden Euro kosten würde – Geld, das der Staat als Arbeitgeberbeitrag in die Rentenkasse einzahlen müsste.
Das Demografie-Dilemma verschärft alles
Besonders problematisch: Deutschland steht vor einem demografischen Tsunami. "Wir haben gegenwärtig auf 100 Personen zwischen 20 und 65 sind 30 Pensionäre, und im Jahre 2050 werden wir fast 50 Prozent ältere haben", warnt Rürup. In dieser "demografischen Knautschzone" noch das Rentensystem umzukrempeln, hält er für praktisch unmöglich.
Lebenserwartung der Beamten ist "schlechtes Risiko"
Ein überraschendes Argument gegen die Integration: "Beamte sind schlechte Risiken. Sie haben eine um zwei Jahre längere Lebenserwartung", erklärt Rürup. Das würde zu einer "internen Umverteilung zulasten der Arbeiter und Angestellten" führen – ein Aspekt, den Befürworter der Reform gerne übersehen.
Die bessere Absicherung von Beamten hat historische Gründe: "Eine hohe Pension ist ein wichtiges Instrument gegen Bestechung", argumentiert Rürup. Außerdem sind Beamte während ihrer aktiven Zeit günstiger für den Staat, da keine Arbeitgeberbeiträge zur Rentenversicherung anfallen.
Interessant auch: Das Renteneintrittsalter lag bei der Einführung durch Bismarck 1889 bei 70 Jahren – höher als heute diskutiert.
Die politische Realität: Rentner als Machtfaktor
Warum passiert so wenig bei der Rentenreform? "Das mittlere Alter der Wahlberechtigten liegt gegenwärtig bei 54 Jahren, 55 fast", erklärt Rürup die politische Realität. Helmut Schmidt habe einmal gesagt: "In einer Demokratie muss jedem gestaltenden Schritt ein mehrheitenschaffender Prozess vorausgehen." Bei einer alternden Wählerschaft wird das zur Herausforderung.
Rürup sieht nur wenige realistische Lösungen: Deutschland bräuchte "400.000 Erwerbstätige, die jedes Jahr in den nächsten 10, 15 Jahren reinkommen müssten", um das demografische Problem zu lösen. Alternativ müsste das Renteneintrittsalter weiter steigen – politisch aber schwer durchsetzbar.
Ein weiteres Problem droht: "Wir stehen vor einem Schub der Altersarmut", warnt Rürup, besonders wenn die Verlierer der deutschen Einigung in Rente gehen. Das deutsche System mit seinem Äquivalenzprinzip sei im Vergleich zu anderen Ländern schlecht gerüstet gegen Altersarmut.
Rürups Rat für junge Menschen
Trotz aller Probleme gibt der Experte Entwarnung: "Sie können sich auf den Staat verlassen, zumindest auf den deutschen Staat, der ist eigentlich relativ zuverlässig." Sein Tipp: "Ich würde auf das achte Weltwunder vertrauen. Das ist der Zinseszinseffekt" – sprich: zusätzlich privat vorsorgen.
Die gescheiterte Aktienrente der Vorgängerregierung bedauert er: "Das hätte ich für eine pfiffige Idee gehalten, um die Finanzierung der gesetzlichen Renten ein Stück weit von den Arbeitskosten abzukoppeln."
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