Im Podcast "Wochenspot" des Versicherungsmonitors zeichnet Herausgeber Herbert Fromme ein Bild über die bevorstehende Konsolidierung der deutschen Versicherungsbranche. Er prophezeit eine dramatische Marktbereinigung bis 2030. Fusionen wie die von Barmenia und Gothaer sind aus seiner Sicht erst der Anfang.
71 Versicherer, 49 mit unter einem Prozent Marktanteil
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Das Kölner Institut für Versicherungsinformation (KIVI) identifiziert 71 Versicherungsgruppen mit einem Prämienvolumen von über 50 Millionen Euro. „Von den 71 haben 49 einen Marktanteil von unter einem Prozent”, erklärt Fromme. "Wir haben 71-mal Vorstände, 71-mal Rechtsabteilungen, 71-mal Schadenabteilungen, das ist alles unglaublich teuer."
Diese Zersplitterung führt zu grotesken Größenverhältnissen: „So ein kleiner Versicherer in Deutschland, da ist der Vorstandsvorsitzende, wenn man den in die Allianz packen würde mit seinem Laden, wäre er ein Unterabteilungsleiter, nicht mal ein Abteilungsleiter.“
Die Element-Insolvenz als Wendepunkt
Ein entscheidender Wendepunkt war die Insolvenz des Versicherers Element mit 350.000 Kunden. „Die BaFin hatte erwartet, dass jemand den Bestand von den Versicherern übernimmt, aber das hat keiner getan“, berichtet Fromme. Die Aufsicht ließ die Pleite bewusst zu. Damit sendete sie ein Signal an andere kleine Versicherer: „Leute, wenn ihr es nicht hinkriegt, seid euch nicht so sicher, dass wir euch retten.“
Strukturelle Probleme zwingen zur Konsolidierung.
Mehrere Faktoren treiben die Konsolidierung voran, z.B. die Niedrigzinsen und Kapitalprobleme. Die klassische Lebensversicherung befindet sich bei fast allen Versicherern im Run-off. „Der Markt als Ganzes ist im Runoff“, stellt Fromme fest.
Die Vertriebskosten explodieren: „Kleine Versicherer müssen entweder unheimlich viel Geld an Google ausgeben, damit ihre Anzeigen irgendwo geklickt werden, oder Millionen an Check24 zahlen, damit er da auf den Listings halbwegs vernünftig auftaucht.“
Das Problem veralteter IT-Systeme: „Die IT ist bei fast allen kleineren Unternehmen in einem schwierigen Zustand. Die muss dringend generalsaniert werden”, warnt Fromme. Mit der EU-Datenrichtlinie DORA steigt der Druck weiter.
Barmenia-Gothaer als Blaupause
Die Fusion von Barmenia und Gothaer zeigt, wie Versicherungsvereine fusionieren können. „Die haben gezeigt, dass die Fusion von Vereinen jetzt sehr viel einfacher erscheint als vorher.“ Das eigentliche Geschäft wird in Aktiengesellschaften unter einer Holding gebündelt. Die Vereine werden auf einen minimalen Versicherungskern reduziert.
Fromme spekuliert bereits über die Zukunft: "Ich habe ja eine Wette laufen, dass in fünf Jahren dieses Barmenia Gothaer nur noch Gothaer heißt." Er nennt HDI-Gerling als Vorbild. Dort wurde der Name Gerling nach einigen Jahren stillschweigend beerdigt.
Helvetia-Baloise: Hoffnung für den deutschen Markt
Fromme erwartet bei der angekündigten Fusion der Schweizer Versicherer Helvetia und Baloise ein Verbleiben im deutschen Markt: "Ist ja auch ein bisschen überlebensfähiger mit der neuen Größe, wenn die zusammengeschmissen werden."
Machtkampf mit Vertriebsriesen
Gleichzeitig verschärft sich der Machtkampf zwischen Versicherern und großen Vertriebsorganisationen. „Der Volkswohlbund hat nicht mehr viel zu melden, wenn er mit den großen Maklerverbünden wie Blau Direkt oder Fondsfinanz verhandelt”, analysiert Fromme. „Die großen Vertriebe haben in den vergangenen Jahren eine unglaubliche Macht gewonnen.“
Für die Maklerpools wäre es paradoxerweise besser, wenn es viele kleine Versicherer gäbe, denn „die kann man natürlich deutlich besser gegeneinander ausspielen“.
Radikale Marktbereinigung bis 2030
Fromme ist überzeugt. „Der Markt bis 2030 erheblich konsolidieren wird und auch muss.“ Fusionen bieten die Chance für radikale Reformen: „Eine Fusion ist eigentlich eine Chance, alle Grausamkeiten zu begehen, die man schon immer begehen wollte und jetzt aber machen muss.“
Verfassen Sie den ersten Kommentar